Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rosa Luxemburg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833211
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Zehntpächter, der gewöhnlich Getreidehändler ist, benutzt diese Lage des Bauern, dem die ganze Ernte auf dem Felde zu verfaulen droht, um ihn zu zwingen, ihm die Ernte zu niedrigem Preise zu verkaufen, und weiß sich gegen Beschwerden Unzufriedener die Hilfe der Beamten und besonders der Muktars (Ortsvorsteher) zu sichern.256

      Dem internationalen Conseil d'Administration de la Dette Publique Ottomane, der u.a. die Steuern von Salz, Tabak, Spirituosen, den Seidenzehnt und die Fischereiabgaben direkt verwaltet, sind die Zehnten als Kilometergarantie oder als Anleihesicherheit mit der jedesmaligen Klausel verpfändet, daß der Conseil an der Stipulierung der Pachtkontrakte betreffs dieser Zehnten teilnimmt und daß die Erträgnisse der Zehnten von den Pächtern direkt in die Kassen und Kontore des Conseil in den Wilajets abgeführt werden. Falls es unmöglich ist, einen Pächter für die Zehnten zu finden, werden sie von der türkischen Regierung in natura in Magazinen aufgespeichert, deren Schlüssel dem Conseil eingehändigt wird, der den Verkauf der Zehnten für eigene Rechnung übernimmt.

      Einunddreißigstes Kapitel.

       Schutzzoll und Akkumulation

       Inhaltsverzeichnis

      Der Imperialismus ist der politische Ausdruck des Prozesses der Kapitalakkumulation in ihrem Konkurrenzkampf um die Reste des noch nicht mit Beschlag belegten nichtkapitalistischen Weltmilieus. Geographisch umfaßt dieses Milieu heute noch die weitesten Gebiete der Erde. Gemessen jedoch an der gewaltigen Masse des bereits akkumulierten Kapitals der alten kapitalistischen Länder, das um die Absatzmöglichkeiten für sein Mehrprodukt wie um Kapitalisierungsmöglichkeiten für seinen Mehrwert ringt, gemessen ferner an der Rapidität, mit der heute Gebiete vorkapitalistischer Kulturen in kapitalistische verwandelt werden, mit anderen Worten gemessen an dem bereits erreichten hohen Grad der Entfaltung der Produktivkräfte des Kapitals, erscheint das seiner Expansion noch verbleibende Feld als ein geringer Rest. Demgemäß gestaltet sich das internationale Vorgehen des Kapitals auf der Weltbühne. Bei der hohen Entwicklung und der immer heftigeren Konkurrenz der kapitalistischen Länder um die Erwerbung nichtkapitalistischer Gebiete nimmt der Imperialismus an Energie und an Gewalttätigkeit zu, sowohl in seinem aggressiven Vorgehen gegen die nichtkapitalistische Welt wie in der Verschärfung der Gegensätze zwischen den konkurrierenden kapitalistischen Ländern. Je gewalttätiger, energischer und gründlicher der Imperialismus aber den Untergang nichtkapitalistischer Kulturen besorgt, um so rascher entzieht er der Kapitalakkumulation den Boden unter den Füßen. Der Imperialismus ist ebensosehr eine geschichtliche Methode der Existenzverlängerung des Kapitals wie das sicherste Mittel, dessen Existenz auf kürzestem Wege objektiv ein Ziel zu setzen. Damit ist nicht gesagt, daß dieser Endpunkt pedantisch erreicht werden muß. Schon die Tendenz zu diesem Endziel der kapitalistischen Entwicklung äußert sich in Formen, die die Schlußphase des Kapitalismus zu einer Periode der Katastrophen gestalten.

      Die Hoffnung auf eine friedliche Entwicklung der Kapitalakkumulation, auf den "Handel und Gewerbe, die nur bei Frieden gedeihen", die ganze offiziöse manchesterliche Ideologie der Interessenharmonie zwischen den Handelsnationen der Welt - die andere Seite der Interessenharmonie zwischen Kapital und Arbeit - stammt aus der Sturm-und-Drang-Periode der klassischen Nationalökonomie und schien eine praktische Bestätigung zu finden in der kurzen Freihandelsära in Europa in den 60er und 70er Jahren. Sie hat zur Grundlage das falsche Dogma der englischen Freihandelsschule, als sei der Warenaustausch die einzige Voraussetzung und Bedingung der Kapitalakkumulation, als sei diese mit der Warenwirtschaft identisch. Die ganze Ricardoschule identifizierte, wie wir sahen, die Kapitalakkumulation und ihre Reproduktionsbedingungen mit der einfachen Warenproduktion und mit den Bedingungen der einfachen Warenzirkulation. Noch mehr tritt dies später bei dem praktischen Freihändler vulgaris zutage. Die ganze Beweisführung der Cobden-Liga war zugeschnitten auf die besonderen Interessen der exportierenden Baumwollfabrikanten von Lancashire. Ihr Hauptaugenmerk war darauf gerichtet, Käufer zu gewinnen, und ihr Glaubensartikel lautete: Wir müssen dem Auslande abkaufen, damit wir wiederum als Verkäufer der Industrieprodukte, will sagen: der Baumwollwaren, Abnehmer finden. Der Konsument, in dessen Interesse Cobden und Bright den Freihandel, namentlich die Verbilligung der Nahrungsmittel, forderten, war nicht der Arbeiter, der das Brot verzehrt, sondern der Kapitalist, der die Arbeitskraft verzehrt.