Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rosa Luxemburg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075833211
Скачать книгу
eine tiefergreifende. Vor allem wird die durch den Mechanismus der Besteuerung vom Staate flüssig gemachte Kaufkraft der nichtkapitalistischen Konsumenten quantitativ eine viel größere sein als die, welche für ihre eigene Konsumtion tatsächlich auftreten würde.

      Es ist ja das moderne Steuersystem selbst, das in hohem Maße bei den Bauern die Warenwirtschaft erst erzwingt. Der Druck der Besteuerung zwingt den Bauern, fortschreitend einen immer größeren Teil seines Produkts in Ware zu verwandeln, macht ihn aber auch gleichzeitig immer mehr zum Käufer, treibt das Produkt der Bauernwirtschaft durch die Zirkulation und verwandelt zwangsweise die Bauern erst in Abnehmer auch für Kapitalprodukte. Ferner auch unter der Voraussetzung der bäuerlichen Warenproduktion entlockt das Steuersystem der Bauernwirtschaft eine größere Kaufkraft, als sie sich ohnehin aktiv betätigen würde.

      Was sonst als Ersparnis der Bauern, des kleinen Mittelstandes aufgeschatzt wäre, um in Sparkassen und Banken das anlagesuchende Kapital zu vergrößern, wird jetzt im Besitze des Staates umgekehrt eine Nachfrage und Anlagemöglichkeit für das Kapital. Ferner tritt hier an Stelle einer großen Anzahl kleiner zersplitterter und zeitlich auseinanderfallender Warennachfragen, die vielfach auch durch die einfache Warenproduktion befriedigt wären, also für die Kapitalakkumulation nicht in Betracht kämen, eine zur großen einheitlichen kompakten Potenz zusammengefaßte Nachfrage des Staates. Diese setzt aber zu ihrer Befriedigung von vornherein die Großindustrie auf höchster Stufenleiter, also für die Mehrwertproduktion und Akkumulation günstigste Bedingungen voraus. In Gestalt der militaristischen Aufträge des Staates wird die zu einer gewaltigen Größe konzentrierte Kaufkraft der Konsumentenmassen außerdem der Willkür, den subjektiven Schwankungen der persönlichen Konsumtion entrückt und mit einer fast automatischen Regelmäßigkeit, mit einem rhythmischen Wachstum begabt. Endlich befindet sich der Hebel dieser automatischen und rhythmischen Bewegung der militaristischen Kapitalproduktion in der Hand des Kapitals selbst - durch den Apparat der parlamentarischen Gesetzgebung und des zur Herstellung der sogenannten öffentlichen Meinung bestimmten Zeitungswesens. Dadurch scheint dieses spezifische Gebiet der Kapitalakkumulation zunächst von unbestimmter Ausdehnungsfähigkeit. Während jede andere Gebietserweiterung des Absatzes und der Operationsbasis für das Kapital in hohem Maße von geschichtlichen, sozialen, politischen Momenten abhängig ist, die außerhalb der Willenssphäre des Kapitals spielen, stellt die Produktion für den Militarismus ein Gebiet dar, dessen regelmäßige stoßweise Erweiterung in erster Linie in den bestimmenden Willen des Kapitals selbst gegeben zu sein scheint.

      Die geschichtlichen Notwendigkeiten der verschärften Weltkonkurrenz des Kapitals um seine Akkumulationsbedingungen verwandeln sich so für das Kapital selbst in ein erstklassiges Akkumulationsfeld. Je energischer das Kapital den Militarismus gebraucht, um die Produktionsmittel und Arbeitskräfte nichtkapitalistischer Länder und Gesellschaften durch die Welt- und Kolonialpolitik sich selbst zu assimilieren, um so energischer arbeitet derselbe Militarismus daheim, in den kapitalistischen Ländern, dahin, den nichtkapitalistischen Schichten dieser Länder, d.h. den Vertretern der einfachen Warenproduktion, sowie der Arbeiterklasse fortschreitend die Kaufkraft zu entziehen, d.h., die ersteren immer mehr der Produktivkräfte zu berauben, die letztere in ihrer Lebenshaltung herabzudrücken, um auf beider Kosten die Kapitalakkumulation gewaltig zu steigern. Von beiden Seiten schlagen aber die Bedingungen der Akkumulation auf einer gewissen Höhe in Bedingungen des Untergangs für das Kapital um.

      Je gewalttätiger das Kapital vermittelst des Militarismus draußen in der Welt wie bei sich daheim mit der Existenz nichtkapitalistischer Schichten aufräumt und die Existenzbedingungen aller arbeitenden Schichten herabdrückt, um so mehr verwandelt sich die Tagesgeschichte der Kapitalakkumulation auf der Weltbühne in eine fortlaufende Kette politischer und sozialer Katastrophen und Konvulsionen, die zusammen mit den periodischen wirtschaftlichen Katastrophen in Gestalt der Krisen die Fortsetzung der Akkumulation zur Unmöglichkeit, die Rebellion der internationalen Arbeiterklasse gegen die Kapitalsherrschaft zur Notwendigkeit machen werden, selbst ehe sie noch ökonomisch auf ihre natürliche selbstgeschaffene Schranke gestoßen ist.

      Der Kapitalismus ist die erste Wirtschaftsform mit propagandistischer Kraft, eine Form, die die Tendenz hat, sich auf dem Erdrund auszubreiten und alle anderen Wirtschaftsformen zu verdrängen, die keine andere neben sich duldet. Er ist aber zugleich die erste, die allein, ohne andere Wirtschaftsformen als ihr Milieu und ihren Nährboden, nicht zu existieren vermag, die also gleichzeitig mit der Tendenz, zur Weltform zu werden, an der inneren Unfähigkeit zerschellt, eine Weltform der Produktion zu sein. Er ist ein lebendiger historischer Widerspruch in sich selbst, seine Akkumulationsbewegung ist der Ausdruck, die fortlaufende Lösung und zugleich Potenzierung des Widerspruchs. Auf einer gewissen Höhe der Entwicklung kann dieser Widerspruch nicht anders gelöst werden als durch die Anwendung der Grundlagen des Sozialismus - derjenigen Wirtschaftsform, die zugleich von Hause aus Weltform und in sich ein harmonisches System, weil sie nicht auf die Akkumulation, sondern auf die Befriedigung der Lebensbedürfnisse der arbeitenden Menschheit selbst durch die Entfaltung aller Produktivkräfte des Erdrundes gerichtet sein wird.

       Fußnoten: