»Prinz Ahmed?« Modeste wandte ihr Gesicht ab. Vergebens suchte sie die aufsteigende Röte zu verbergen. »Du berührst damit eine Sache, Jolanthe, die mich seit einiger Zeit stark beunruhigt.«
»Ah! Was ist das? Modeste?… Wohl gar ein süßes Geheimnis?«
»Jolanthe, ich bitte dich, scherze nicht mit Dingen, die wenig geeignet dazu sind. Höre mich erst an.«
»Bitte, Modeste, ich bin aufs äußerste gespannt.«
»Prinz Ahmed steht, wie du weißt, dem Fürsten sehr nahe und kommt oft in dessen Haus. Sein liebenswürdiges Wesen, seine einfache schlichte Art machten ihn mir zu einem, ich sage es offen… gern gesehenen Gesellschafter. Später…« Modeste stockte in peinlicher Verlegenheit.
»Nun, später… änderte er sein Benehmen, oder was meinst du?«
»Ja, du sagst es. Ich verstand zunächst nicht und glaubte, mich zu irren. Aber bald zeigten mir die Blicke der anderen, daß ich recht gesehen.«
»Und was war es? Was sahest du?«
Modeste zögerte, als koste es sie Überwindung, zu sprechen.
»Der Prinz wurde in einer Weise vertraulich, daß es… es war klar, daß er sich um meine Gunst bemühe.«
»Ah, endlich!… Und was weiter?«
Modeste starrte die Schwester fragend an.
»Jolanthe, ich verstehe dich nicht. Du scheinst die Sache als Bagatelle zu behandeln.«
»Keineswegs, meine Liebe! Was du sagst, ist von größter Wichtigkeit und erfüllt mich mit stolzer Freude. Du… Gemahlin des Prinzen Ahmed! Schon die Aussicht… ich muß dich beglückwünschen.«
Jolanthe war aufgestanden und zu ihrer Schwester getreten. Ihr Arm legte sich schwer um den Nacken Modestes.
»Und du? Was tatest du?«
»Ich übte die größte Zurückhaltung, suchte ihm zu verstehen zu geben, daß seine Bemühungen umsonst, sein Werben aussichtslos…«
»Was? Das tatest du?… Unmöglich?« Jolanthes Hand grub sich so fest in die Schulter Modestes, daß diese schmerzhaft zusammenzuckte.
»Jolanthe! Was ist dir?« Modeste war aufgesprungen und schaute die Schwester fragend an. »Du bist erregt über…?«
»Über dein unglaubliches Verhalten. Gewiß, das bin ich. Du… du wärest imstande, einen Antrag des Prinzen Ahmed Fuad, des Bruders des Kalifen, zurückzuweisen? Bist du dir auch nur im entferntesten über die Tragweite deines Handelns klar?«
Modeste hatte sich wieder am Kamin niedergesetzt. Ihre Stimme klang kühl und gelassen.
»Ich bin mir klar darüber, daß ich keine Liebe für den Prinzen empfinde… und daß Motive anderer Art mein Handeln niemals beeinflussen können.«
»Modeste! Du bist nicht bei Sinnen! Du willst die Hand des Prinzen zurückweisen? Die Hand, die vielleicht später einmal das Zepter des maurischen Reiches führen wird? Der Kalif ist ehelos… möglich, daß er es bleibt! Prinz Ahmed als nächster Agnat der präsumtive Thronerbe. Das alles sollte dir gleichgültig sein?«
»Jolanthe… du hast es selbst früher so oft gesagt, daß unsere Naturen völlig verschieden sind. Für dich mag die Aussicht, Prinzessin Fuad zu werden, verlockend sein. Bei dir mögen alle Gründe, die dagegen sprechen, zurücktreten. Ich denke anders!«
»Dein Denken und Fühlen geht wohl… auf… irgendeinen livländischen Landjunker? Vielleicht gar hat schon einer dieser Braven dein Herz gewonnen?«
»Dein Spott trifft mich nicht, Jolanthe. Ich bin nicht gebunden.«
»Um so besser! Dann hoffe ich bestimmt, daß du dich besinnst… daß du nicht eine Chance von dir weist, die sich dir in deinem ganzen Leben nie wieder bietet. Ganz abgesehen von seiner hohen Stellung, Prinz Ahmed vereinigt die höchsten Mannestugenden in sich.«
Jolanthe schaute eindringlich auf das schöne Mädchen, das zart und hoch vor ihr stand.
»Das leugne ich nicht! Aber ich liebe ihn nicht, werde ihn niemals lieben können.«
Ein harter Zug legte sich um die Lippen Jolanthes.
»Liebe! Immer wieder das Wort! Ich dachte, in diesem Falle wären derartige… feinere seelische Essenzen überflüssig.«
»Genug, Jolanthe! Du verschwendest deine Worte! Es wird dir nicht gelingen, meine Gefühle zu beeinflussen… Es liegt mir unter diesen Umständen daran, Madrid recht bald zu verlassen. Du wirst es begreiflich finden…«
Jolanthe warf den Kopf zurück.
»Dein Wunsch wird sehr bald in Erfüllung gehen. Ich sagte dir schon in Livland, daß unser Aufenthalt in Madrid nur vorübergehend sein würde. Wir werden jedoch nicht direkt nach England gehen, sondern für einige Zeit in Biarritz Station machen. Meine Nerven sind nicht ganz intakt. Ich hoffe von dem wunderbaren Seeklima in Biarritz schnelle Erholung.«
»Sehr schön, Jolanthe! Ich freue mich darauf.«
»Doch denke nicht, daß ich damit meine Hoffnungen bezüglich des Prinzen aufgebe. Du bist jung… sehr jung, hast noch die Ideale der Jugend. Mit der Zeit wirst du lernen, kühler über seelische Affektion zu denken. Heute kommst du dir noch groß vor, wenn du solche idealistisch klingende Aphorismen aussprichst… du könntest nicht ohne Liebe heiraten?… morgen wirst du darüber lachen.«
Wenig befriedigt war Iversen in sein Hotel zurückgekehrt. Ein Blick auf die Schlüsseltafel in der Portierloge zeigte ihm, daß Eisenecker inzwischen zurückgekehrt und auf sein Zimmer gegangen war. Der war ihm also sicher. So ließ er sich in der Halle nieder, bestellte einen Whisky mit Soda und begann das Ergebnis seiner heutigen Beobachtungen zu überschlagen, seinen Bericht für den Generaldirektor Harder zu überlegen. Das eine schien außer Zweifel, Eisenecker unterhielt keine Beziehungen zu maurischen Behörden.
Sein Bericht inhaltlos wie meist. Schon längst hatte er bereut, den Auftrag übernommen zu haben.
Was hatte Harder veranlaßt, ihn hinter Eisenecker herzuschicken? Die Angst, daß Eisenecker seine Erfindung unter Benutzung der Erfahrung der Riggers-Werke gemacht habe? Nun etwa das Resultat seiner Arbeiten zum Nachteil der Riggers-Werke anderen in die Hände gab?
Ja! War er denn so sicher, daß Eiseneckers Erfindung überhaupt auf den Erfahrungen der Riggers-Werke basierte? So ganz wollte ihm das nicht einleuchten. Die Sache mit dem Gold wollte ihm gar nicht aus dem Kopf. Da war doch niemals auch in der Presse die Rede davon gewesen, daß bei der Erschließung von Atomenergie nach dem Verfahren von Montgomery oder der Riggers-Werke Gold gewonnen werden konnte.
Er erinnerte sich immer daran, wie Harder doch recht nervös wurde, als er eine diesbezügliche Frage stellte. Je länger er darüber nachgedacht, desto mehr war ihm das alles in verändertem Licht erschienen. Manchmal wollte es ihn dünken, daß die Pläne und Absichten Harders nicht so ganz lauter wären. Gekränkter Ehrgeiz, Neid, daß ein anderer ihm auf anderem Wege die Frucht jahrzehntelanger Arbeit weggenommen!
Jäh wurde er in seinem Nachdenken unterbrochen. Eine Hand legte sich auf seine Schultern.
Ein Herr stand neben ihm, in der anderen Hand das Iversen wohlbekannte Erkennungszeichen der politischen Polizei.
»Bitte folgen Sie mir recht unauffällig! Stören Sie die anderen Gäste nicht.«
Iversen spürte eine Art von Galgenhumor. Vor einer Stunde erst entlassen, jetzt zum zweiten Male verhaftet. Der Tag schien ja allerhand zu versprechen. Ingrimmig faßte er nach seinem Hut und folgte dem Beamten zur Wache. Zu derselben Wache, die er vor kurzem verlassen, zu demselben Kommissar, von dem er eben erst Abschied genommen hatte.
»Herr Kommissar, darf ich mir eine Frage erlauben?«
»Bitte sehr, mein Herr, fragen Sie.«
»Ich möchte gern wissen, warum man mich hier noch einmal auf dieselbe