»Interessiert mich nicht. Tragen Sie eine Waffe bei sich?«
»Nein, Herr Kommissar.«
Ein kurzes Betasten der Kleidung Iversens, ob nicht doch irgendwo eine verborgene Waffe steckte.
»Gut, Sie können gehen.«
»Freut mich. Danke! Beinahe hätte ich gesagt auf Wiedersehen.«
Er verließ die Wache und schlenderte nachdenklich durch die Straßen. Diese blonde Dame, sie ging ihm nicht aus dem Kopf. Wer war sie? Was für einen Paß… was für einen ganz besonderen Ausweis muß sie besitzen?
Unablässig spann sein Gehirn immer neue Gedankenreihen, während er automatisch weiterschritt. Den breiten Paseo del Prado entlang, am Jardino Botanico vorbei und da… da schritt sie ja vor ihm, die, mit der seine Gedanken sich unablässig beschäftigten. Vorsichtig und unauffällig folgte er der vor ihm Schreitenden, gelangte schließlich an der Estacion del Mediodia vorüber in einen villenartigen Vorort, und sah sie dort in einem Eckhaus verschwinden.
Das Schild an der Tür… ein maurischer Name. Kein Anhalt von Bedeutung. Vergeblich versuchte er immer neue Kombinationen. Ist sie etwa deutsche Erzieherin in einem maurischen Hause?… Das wäre kein Grund für die auffallende Höflichkeit dieses Polizeikommissars… oder… ist sie vielleicht die Geliebte eines maurischen Großen? Das würde das Benehmen des Polizeimannes eher erklären. Aber aus anderen Gründen – Iversen war sich über deren Art selber nicht klar – verwarf er diese zweite Hypothese schon in dem Augenblick, in dem er sie aufgestellt hatte.
Grübelnd und sinnend schritt er um das Eckhaus herum und betrachtete die Einzelheiten des Gebäudes. Hier in dieser Nebenstraße noch ein zweiter kleinerer Eingang, anscheinend nur für die Dienerschaft bestimmt. Schon war er im Begriff, die Nachforschungen aufzugeben, schritt wieder der Sraßenecke zu, als eine Autohupe ihn aufblicken ließ. Ein Kraftwagen fuhr an ihm vorbei und hielt vor jenem kleineren Eingang.
Er drehte sich interessiert um. Ein Auto, das vor dem Eingang für Dienstboten hielt. Das mußte er sich näher besehen. Näher, aber unauffällig.
Ein böiger Wind wehte ihm entgegen, gab ihm Gelegenheit, einen Trick anzuwenden. War es der Wind oder war es Iversens Hand? Jedenfalls flog sein Hut ihm fort und rollte auf den Kraftwagen zu. Er eilte ihm nach. Aber er tat es absichtlich ungeschickt, denn er wollte ihn erst hinter dem Kraftwagen erreichen.
In diesem Augenblick öffnete sich der Wagenschlag. Dem Gefährt entstieg eine hochgewachsene blonde Dame, ein Gegenstück… fast ein Ebenbild jener anderen, die Iversen vor kurzem in das Haus gehen sah. Sie trat auf den Bürgersteig und hielt den heranwirbelnden Hut mit dem Schirm auf, so daß Iversen ihn bequem aufnehmen konnte. Mit einer tiefen Verbeugung bedankte er sich für die Gefälligkeit, musterte gleichzeitig mit Blitzesschnelle alle Einzelheiten seines Gegenübers. Die Kleider von spanischem Schnitt. Eine Mantilla um die Schultern. Und doch keine Spanierin. Das blonde Haar sprach zu deutlich dagegen.
Während er seinen Hut abstäubte, hörte er sie dem Chauffeur eine kurze Weisung geben: ›Kommen Sie um 8 Uhr wieder!‹ Sah, wie sie ein Schlüsselchen aus der Tasche zog, den kleinen Eingang selbst öffnete und im Inneren des Hauses verschwand.
Alle Wetter! Ein blondes Kapital! Was waren das für Leute? Wer waren die Bewohner dieses Hauses? Das mußte doch herauszubekommen sein. Er trat in einen nahegelegenen Laden und schlug das Adreßbuch auf. Ein spanischer Graf als Eigentümer. Aber am Hause selbst stand doch ein maurischer Name. Ah, so! Das Adreßbuch war schon drei Jahre alt.
Er fragte den Ladeninhaber selbst. Der konnte nur mangelhafte Auskunft geben.
»Das Haus ist das Kavaliershaus des anstoßenden Palais Almeira, jetzt Palais Iraklis. Gegenwärtig wohnen zwei Ausländerinnen darin.« Das war alles, was der Mann wußte. Iversen mußte es auf andere Weise in Erfahrung bringen.
Jolanthe saß dem Fürsten Iraklis gegenüber an der anderen Ecke des Kamins.
»Wenn man dich hört, Jolanthe, könnte man denken, du wärest dir der Größe deines Erfolges nicht ganz bewußt.«
»Nun, was war es denn groß, nachdem ich durch Lord Permbroke selbst auf die einfachste Weise hinter das Geheimnis der Sicherungen gekommen war. Halil Rifaat war auf seinem Posten. Als ich zum Flugschiff zurückging, meine vergessene Tasche zu holen, half er mir eifrig beim Suchen. Wir waren ganz allein. Ich konnte ihm das System der Sicherungen gut und deutlich erklären.
Den Kranken spielte er virtuos. Mit den Reizmitteln, die er versteckt bei sich trug, hielt er sich ständig in hohem Fieber.
Das Schwierigste, nachts zur verabredeten Stunde unbemerkt das Lazarett zu verlassen und in Montgomerys Räume zu dringen, gelang ihm glänzend. Er schaltete die Sicherungen aus, daß euer Hubschrauber seinen Spähkorb in den hinteren Schloßhof hinablassen konnte. Er legte Montgomerys Apparat hinein. Der Korb wurde hochgezogen.
Halil Rifaat eilte zurück, stellte die Sicherungen wieder ein und legte sich wieder in sein Bett im Lazarett. Die einfachste Sache der Welt!«
Der Fürst lächelte. »Einfach! Du nennst einfach, was für jeden anderen eine harte Nuß… wahrscheinlich überhaupt unmöglich gewesen wäre.
Selbst der Kalif zweifelte manchmal an der Möglichkeit. Er wird dir selbst seinen Dank aussprechen.«
»Der Kalif?«
»Ja, gewiß. Er wird in diesen Tagen erwartet.«
»So werde ich Gelegenheit haben, ihn zu sehen?«
»Unbedingt, Jolanthe. Er will das kostbare Beutestück selbst sehen, ehe es…«
Das Eintreten der Fürstin und Modestes unterbrach ihn. Er erhob sich und räumte seinen Platz der Fürstin.
»Ich werde vielleicht schon heute Genaueres über die Ankunft unseres Herrn erfahren. Ich gehe jetzt zum Vortrag beim Prinzen.«
»Könnten wir ihn nicht heute abend bei uns sehen?« fragte die Fürstin, »er wird vielleicht auch gern Näheres von Jolanthe selbst erfahren wollen.«
Der Fürst zögerte, unschlüssig, mit einem Blick auf Modeste.
»Ich weiß nicht…«
»Ein andermal, vielleicht morgen«, unterbrach ihn Jolanthe.
Kaum, daß sich die Tür hinter dem Fürsten geschlossen, verließ auch die Fürstin den Raum. Eine Zeitlang herrschte Schweigen.
»Willst du nicht hier am Kamin Platz nehmen, Modeste?«
»Gewiß, Jolanthe! Es drängt mich, mit dir über unsere Abreise zu sprechen. Ich habe deine Ankunft mit Ungeduld erwartet.«
»Ich bin erstaunt, Modeste. So schnell bist du des schönen Madrid überdrüssig geworden? Ich glaubte, nach dem eintönigen einsamen Leben auf dem Tirsenhof würdest du dich hier ganz besonders wohlfühlen. Was mißfällt dir an dem Aufenthalt hier?«
»Mißfallen?… Der Ausdruck ist vielleicht etwas zu stark, Jolanthe. Ich möchte eher sagen, ich fühle mich nicht wohl hier. Mag sein, daß es der schroffe Wechsel zwischen dem Tirsenhof mit seinen kleinen harmlosen Freuden und der großen Weltstadt hier ist. Zweifellos trägt auch dazu bei, daß ich das Gefühl nicht los werde, mich hier auf feindlichem Boden zu befinden.«
»Spanien feindlicher Boden? Modeste, ich verstehe nicht…«
»Gewiß, Jolanthe! Natürlich meine ich nicht die spanische Bevölkerung, ich meine die Herren des Landes, die Mauren.«
»Ah, siehe da, die kleine Patriotin! Fühlst du so ganz als Paneuropäerin?« Jolanthe lachte hell auf. »Doch im Ernst, Modeste… du brauchst mich nicht so erstaunt anzusehen… ich glaube genügend Einblick in die spanischen Verhältnisse gewonnen zu haben, um zu behaupten, daß die große Masse sich schon stark mit den neuen Verhältnissen abgefunden hat. Weshalb willst du spanischer sein als die Spanier?«
»Du willst oder kannst mich nicht verstehen, Jolanthe. Aber glaube mir, es dürfte nicht viele Spanier geben, die