Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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einen glänzenden Techniker kennenzulernen. Aus der Bekanntschaft war schnell eine Freundschaft geworden… Wo mochte Gonzales jetzt leben?… Wenn er noch am Leben war. War er vielleicht in den maurischen Kämpfen gefallen?

      Ein Schüttern ging durch den Rumpf der ›Potomac‹ und unterbrach seine Gedanken. Das Schiff hatte während der letzten Stunden das Eismeer zwischen Island und Grönland überflogen und mußte sich jetzt etwa in der Höhe von Christianland befinden. Schon seit einiger Zeit schien es Eisenecker, als ob der Lauf der Maschinen unregelmäßiger geworden wäre. Jetzt konnte kein Zweifel mehr sein. Die Maschinen setzten aus. Man hatte es zweifellos mit einer Betriebsstörung zu tun.

      Von allen Seiten her klangen jetzt aufgeregte Stimmen durch den Raum. Überall war man auf das Versagen der Maschinen aufmerksam geworden und suchte die Gründe dafür zu erfahren. Widersprechende Nachrichten zuerst… ein Defekt an der Kühlung. Ein Undichtwerden des Gasraumes… heißgelaufene Lager.

      Die ›Potomac‹ ging im Gleitflug nach unten. Jetzt standen die Maschinen für die Horizontalpropeller ganz still. Tiefer und tiefer ging es hinab. Die Wolken wurden durchstoßen. Die Erde wurde sichtbar. Die ›Potomac‹ befand sich über dem grönländischen Inlandseis… Fast stoßfrei setzte sie jetzt auf einer glatten Gletscherfläche auf.

      Es war eine Notlandung. Schon begann die Schiffsstation zu senden und Hilfe herbeizurufen. Ein Tenderschiff vom nächstgelegenen Stützpunkt in Reykjavik mit Monteuren, Werkzeugen und vor allen Dingen mit neuem Betriebsstoff. Denn das war ja ganz unzweifelhaft die Ursache der Notlandung. Eisenecker erkannte den Grund, als er aus einem der Heckfenster die lange, breite, schwarzschimmernde Spur sah, die das ausfließende Teeröl auf dem Eise hinterlassen hatte. Nur ein Tankdefekt konnte es gewesen sein, der vorzeitig die Betriebsstoffe der ›Potomac‹ erschöpfte und sie hier zum Niedergehen zwang.

      Da lag das Schiff in der eisigen Einöde. Hilfe war bereits zugesagt, aber es würden Stunden vergehen, bevor sie da sein konnte. Es wäre nicht schlimm gewesen, wenn man Brennstoff gehabt hätte. So aber fehlte jede Heizung der ›Potomac‹ durch Auspuffgase oder heißes Wasser von den Maschinen her. Schon begann die grönländische Kälte sich auch im Schiffsinnern fühlbar zu machen. Die Reisenden waren nur mit leichter Sommerkleidung versehen. Alle möglichen Decken und Hüllen aus den Beständen der ›Potomac‹ wurden zusammengesucht und mußten zum Schutz gegen die Kälte dienen.

      Trotz alledem wäre es immer noch ein lustiger Mummenschanz gewesen, wenn nicht das Unwetter hinzugekommen wäre. Von Minute zu Minute verstärkte sich die Gewalt des eisigen Sturmes, der von Norden her über die Gletscher hinraste. Aus dem Sturm wurde ein Schneesturm. Immer dichter füllte sich die Luft mit feinen Eiskristallen. Schon war die Hügelkette, die kaum einen Kilometer vom Landungsplatz der ›Potomac‹ entfernt den Gletscher im Norden säumte, durch den dichten Schleier der wirbelnden eisigen Schneemassen nicht mehr zu erkennen. Wie aufprallender Hagel fast hörte es sich im Schiffsinnern an, wenn der Sturm in immer neuen wütenden Stößen den Schnee gegen die eisernen Flanken der ›Potomac‹ schleuderte.

      Immer schneidender, immer eisiger die Kälte im Schiffsraum. Schon drängten sich Gruppen von Passagieren eng aneinander, verkrochen sich zusammen unter Kissen und Decken, um dem schweren Frost besser Widerstand leisten zu können.

      Eine andere schwere Gefahr dabei im Hintergrunde. Es war fraglich, ob das Hilfsschiff bei diesem Unwetter landen konnte, ob es die ›Potomac‹ in diesem Schneesturm überhaupt finden würde.

      Etwa zwei Stunden waren seit der Notlandung der ›Potomac‹ verstrichen. Was erst ein verhältnismäßig harmloser Zufall zu seinschien, drohte nun eine Katastrophe zu werden. Zu allem Überfluß brach jetzt auch die kurze nordische Nacht an. Immer dichter legte sich die Dämmerung über das vereiste Land, während der Nordsturm mit ungebrochener Kraft die stiebenden Schneemassen vor sich her jagte.

      Mittschiffs hatte man inzwischen eine Luke geöffnet und den Laufsteg ausgelegt. Die Maschinisten waren hinausgegangen, um den Defekt zu untersuchen und womöglich auszubessern. Elektrische Fackeln beleuchteten die Arbeitsstätte. Fantastisch brach sich ihr Licht in den unablässig niederwirbelnden Schneemassen. Das Kreischen von Bohrern und Sägen wurde hörbar. Schwere Hammerschläge ließen den Rumpf der ›Potomac‹ erdröhnen. Die Ausbesserungsarbeiten kamen in Gang. Aber was konnte es helfen, wenn nicht rechtzeitig das rettende Tenderschiff kam und Wärme in diese Eiswüste brachte.

      Iversen hatte sich, so gut es gehen wollte, in einen dicken Smyrnateppich eingewickelt. Trotzdem zitterte er vor Frost. Mechanisch schaute er durch das Fenster den Maschinisten bei ihrer Arbeit zu. Sah verwundert schärfer hin. Stand dort nicht ein Passagier bei den Maschinisten? War das nicht die Gestalt Eiseneckers, die dort im Scheine der Fackeln sichtbar wurde?

      Da sah er ihn auch schon wieder eintreten, sah ihn zu seinem Gepäck gehen und sich damit beschäftigen.

      Malte von Iversen hielt es für geboten, sich möglichst wärmefest in seinem Smyrnateppich zu verkriechen, denn die Kälte wurde schlimmer und schlimmer.

      Eisenecker sah, daß die Komödie im Begriff stand, sich zur Tragödie zu wandeln. Verstummt die Scherze über den Mummenschanz. Verklungen das Lachen über die wunderlichen… grotesken Bilder, die einzelne da in den Verkleidungen boten.

      Wie lange würde es noch dauern, bis das Hilfsschiff kam? Selbst bei günstigster Fahrt mußte es noch Stunden dauern. Stunden, in denen vielleicht schon manchen der Passagiere der eisige Tod weggerafft… Und kam es gar, ohnmächtig, gegen den wahnsinnigen Sturm, der über die Eisfläche brauste, anzukämpfen, erst am nächsten Morgen… keinen einzigen von der Besatzung der ›Potomac‹ mehr… einen Sarg würde es finden.

      Weit draußen auf dem Eise. Eisenecker war’s, der dort gegen den Sturm ankämpfte, die Taschenlampe in der einen, den Kompaß in der anderen Hand, Schritt für Schritt vordrang. Oft mußte er stehenbleiben. Atem schöpfen, neue Kraft sammeln.

      Immer wieder warf der Sturm ihn zu Boden. Er nahm die Lampe zwischen die Zähne. Keuchend kroch er geblendet von den Schneeflocken vorwärts. Immer wieder drohten die Kräfte ihn zu verlassen. Eine tiefe Schneewehe. Er stürzte hinein. Die Lampe entglitt ihm. Die starren Hände tasteten nach ihr, fanden sie nicht… das Ende?

      Mit letzter Kraftanstrengung warf er sich zur Seite, den Rücken gegen eine Schneewehe gelehnt. Hier traf ihn der Sturm weniger.

      Eine unendliche Müdigkeit… unendliche Ruhe überkam ihn… Ah! Wie tat das wohl, hier zu liegen. Die Augen fielen ihm zu. Schlafen… schlafen… Ruhe!

      Und so lag er, und wie im Fluge glitt sein Leben, alles was er getan, an ihm vorüber…

      Barsum!… Der Tag, der die Wende bedeutete. Wie ein krankes Tier hatte er sich nach jenem Furchtbaren in seine Höhle… in das fast vergessene Vaterhaus zurückgezogen. Hatte gewartet, sich in Sorge und Liebe um Mette Harder verzehrend, daß irgendein Lebenszeichen zu ihm dränge. Ein halbes Jahr verstrich darüber. Da las er in der Zeitung von der Verlobung Mettes mit dem anderen. In tage- und nächtelangem Kampf hatte er mit sich gerungen. Er hatte geglaubt, zugrunde gehen zu müssen. Zwecklos jede Lebensstunde ohne Mette an seiner Seite.

      Der Herbst war ins Land gegangen. Eine Schar Zugvögel in langer Kette über seinem Kopf nach Süden steuernd… ihnen nach! Reisen! In die weite Welt!… Vergessenheit suchen!

      Schon hatte er mit einem letzten Blick Abschied nehmen wollen vom Vaterhaus. Da war ihm der alte Wahlspruch der Eisenecker, der oben im Querbalken des Tores tief eingehauen stand, in die Augen gefallen:

      Holt fast und kolt Isen!

      Er hatte ihn gelesen, wieder und wieder, bis sich unbewußt seine Lippen öffneten, er die harten Worte laut vor sich hinsprach, sie schrie.

      Da war es ihm klar geworden: Halt fest! Gib’s ihnen!

      Und dann war er an das große Werk getreten… das Werk, das ihn… gelang es… zum Herrn der Welt machen mußte, Tag und Nacht… Jahr um Jahr hatte er gearbeitet. Das jahrhundertealte Besitztum der Eisenecker war dabei zugrunde gegangen. Schon das Dach über seinem Haupte bedroht. Da war der gleißende Klumpen aus dem Kasten gesprungen, der Bote des Sieges…

      Der