Als endlich die Kunde vom Untergange der großen Armee und vom Tode des Regenten auch nach Peking kam, hatte Ugetai-Khan nicht nur diese Truppen fest in der Hand, sondern er war auch der notorische Herrscher der größeren Hälfte des Gelben Reiches. Da war er in kaum zweimal vierundzwanzig Stunden an jenes Ziel gelangt, das ihm früher das höchste und unerreichbare zu sein schien.
Nur einen Gegner hatte seine Macht: Auch Batu-Khan war der Katastrophe entkommen – später als Ugetai-Khan, zu spät, um vor ihm in Peking zu sein und dort seiner Macht Abbruch tun zu können. Aber früh genug, um nach dem Norden zu gehen und dort die mongolischen Kerntruppen um sein Banner zu scharen. Der größere Teil des Landes gehorchte dem Ugetai, aber die stärkere, die am besten disziplinierte Truppenmacht war in der Hand des Batu-Khan.
Wem würde die Macht schließlich verbleiben? Wer von diesen beiden alten und kampferprobten Generalen würde die Regentschaft des Gelben Reiches führen, bis einmal der Erbe des Schitsu sich selbst die Krone aufs Haupt setzte? Noch hatte das Reich ja einen äußeren Feind: das vereinigte Europa, dem Toghon-Khan so trotzig den Fehdehandschuh hinwarf.
Der Friede mit den Weißen mußte gemacht werden, und Ugetai war es, der ihn als der vom größten Teile des Landes anerkannte Regent schloß.
Ein schneller und billiger Frieden konnte es dank der Mäßigung der Sieger werden. Gegen den Angriff, gegen die Bedrohung ihrer blühenden Siedlungen hatten sich die Weißen mit allen Mitteln zur Wehr gesetzt, welche der Erfindungsgeist eines der ihrigen ihnen in die Hand gab. Nachdem die Entscheidung gefallen, der feindliche Ansturm im Frosttod gescheitert war, wurden die Friedensbedingungen milde gestellt.
Das Ilidreieck, jenes strategische Glacis, das die Arbeiten Isenbrandts so lange gestört und bedroht hatte, fiel an Europa zurück. Außerdem gab es nur geringfügige Grenzberichtigungen. Georg Isenbrandt sorgte dafür, daß die Gletscherfelder, die er längs der Grenze für seine Arbeiten benötigte, ihm auch durch den Friedensvertrag zur Verfügung gestellt wurden. Aber das waren unbewohnte Eiswüsten, deren Verlust das gelbe Riesenreich kaum empfand. Darüber hinaus wurde auch von weißer Seite beim Friedensabschluß sorgfältig alles vermieden, das etwa Keime zu neuen Kriegen abgeben konnte. Jede Kriegskostenentschädigung wurde vermieden, und Ugetai beeilte sich, diese günstigen Bedingungen so schnell wie möglich anzunehmen.
Er tat es um so mehr, als die Dinge in China selbst seine ganze Tatkraft erforderten. Die alte republikanische Bewegung im Süden des Reiches, vom Kaiser Schitsu mit Gewalt niedergehalten, von Toghon-Khan mit brutaler Gewalt niedergeschlagen, flammte jetzt mit neuer Kraft auf. Ugetai besaß nicht die Macht, ihr entgegenzutreten, denn von Tag zu Tag wurden seine eigenen Kräfte durch die ständig wachsende Macht des Batu-Khan in Urga gebunden.
Mit der Stoßkraft des Gelben Reiches nach außen hin war es für lange Zeit vorbei.
Am 8. August war die große Armee an der dsungarischen Pforte zugrunde gegangen. Noch in den letzten Augusttagen konnte Ugetai von Peking aus den Frieden mit Europa schließen. Aber schon in der ersten Septemberwoche brach der Bürgerkrieg im Gelben Reiche aus. Der Süden erklärte sich zur unabhängigen Republik. Vom Norden her aber trat Batu-Khan gegen Peking hin seinen Vormarsch an, der erst nach langen, langen Monaten voller Kämpfe und Gemetzel mit dem Tode des Ugetai und der Herrschaft des Batu-Khan endigen sollte.
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Schneller als nach China selbst war die Kunde von der Frostkatastrophe nach allen anderen Erdteilen gedrungen. Unfaßbar war es zunächst aller Welt erschienen, daß Menschenkraft die Elemente der Natur in so unerhörter Weise meistern konnte.
Als dann die Wahrheit unzweifelhaft zutage lag, da erstarkten die verzagten Herzen der weißen Menschen. Jener eisige scharfe Sturm, der dort oben in Asien seinen Anfang nahm, schien um den ganzen Erdball zu fahren. Mit einem Schlage war die an vielen Orten so schwüle, unheilschwangere Atmosphäre gereinigt. Wo immer die Herrschaft der Weißen zu wanken drohte, wurde sie durch jenes Ereignis wieder gestützt und gefestigt.
Und diese Stützung tat bitter not. Denn das gewaltige Feuer, das die überlegene Staatskunst des Toghon-Khan auf der ganzen Erde gegen die weiße Rasse entfacht hatte, war nicht so leicht zu dämpfen. Jetzt rächten sich die Fehler vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte bitter an den Weißen. Die europäischen Reiche, die der schwarzen Rasse zuerst die Waffen in die Hand gegeben und sie die Kriegskunst gelehrt hatten, wurden jetzt am schwersten von diesen allzu gelehrigen Schülern geschlagen.
Zwar hatte man seit dem engeren Zusammenschluß Europas die militärische Ausbildung der Schwarzen eingeschränkt, aber ganz entbehren konnte man sie des Klimas wegen nie. Wohl war es seit Jahrzehnten ein Grundsatz, die schwarzen Hilfstruppen nicht mehr in der vorgeschrittensten Kriegstechnik auszubilden, sondern nur noch nach Art einer Polizeitruppe zu organisieren. Die furchtbaren Kämpfe im französisch-afrikanischen Kolonialreich hatten schon in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zur Annahme dieses Prinzips geführt.
Während das rassestolze England auch in seinen schwersten Nöten die Inferiorität der farbigen Rassen in Theorie und Praxis stets betonte und aufrechterhielt, hatte Frankreich ja die selbstmörderische Politik des alten Imperium Romanum übernommen. Es hatte die Farbigen seiner Kolonien den Weißen gleichgestellt und seine Rasse verdorben.
Diese Fehler waren nie wieder ganz gutzumachen, und jetzt besiegelte der allgemeine afrikanische Aufstand das Schicksal der europäischen Kolonien dort.
Wenn auch die in Afrika vorhandene schwarze Intelligenz und das dortige schwarze Kapital zunächst nicht ausreichten, alle bisher von Weißen geführten Betriebe zu übernehmen und selbst zu leiten, so gelang es doch, sehr schnell Kapital und Intelligenz aus Amerika herüberzuziehen, und zwar um so leichter, weil sie dort infolge des mißlingenden Aufstandes in ihrer Entwicklung gehemmt waren.
In schnellem, unwiderstehlichem Sturmlauf hatten die schwarzen Heere in Afrika die geringfügigen weißen Streitkräfte überrannt und sich zu Herren der Lage gemacht. Alles, was die schwarze Rasse einst in der Kriegsschule der Weißen gelernt hatte, kehrte sich jetzt gegen die Lehrer. Bemerkenswert war die Disziplin, die dabei auch von schwarzer Seite gewahrt wurde. Zwar der instinktive Blutdurst der Negerheere kam bei den Massakern voll zum Ausbruch und steigerte sich stellenweise bis zum Blutrausch. Aber die Plünderungen blieben in Grenzen, und weitere Zerstörungen, namentlich der großen Industriewerke, wurden durch eine vielfach drakonische Manneszucht verhindert.
Was in diesen Werken doch vernichtet wurde, ging zum überwiegenden Teile durch die Wirkung der Kampfmittel und bei den gerade in den Werken selbst stattfindenden Kämpfen zugrunde.
Im Laufe weniger Tage war ganz Afrika in der Hand der Afrikaner. Und nun zeigte sich sofort die Notwendigkeit, dem schwarzen Industrieproletariat dort Brot und Arbeit zu schaffen. Die neuen Machthaber mußten wirtschaftlich genau an derselben Stelle fortfahren, wo die früheren weißen Herren aufgehört hatten. Soweit die Werke bei den Kämpfen betriebsfähig geblieben waren, wurden sie von der schwarzen Industriebevölkerung aus Selbsterhaltungstrieb so gut es ging in Gang gehalten. Soweit sie zerstört waren, suchte man so schnell wie möglich und mit allen Mitteln Kapital und Intelligenz aus der schwarzen Bevölkerung Amerikas zu ihrer Wiederherstellung heranzuziehen. Aber in Ermangelung einer einheitlichen Organisation war das Ganze reichlich chaotisch. Man mußte überall improvisieren, und es ließ sich mit Sicherheit voraussehen, daß die Entwicklung bis zu einer Wiederherstellung normaler Verhältnisse lange Zeit in Anspruch nehmen würde.
Um so mehr, als die politischen Machtverhältnisse in Afrika durchaus strittig waren. Zwar die weißen Herren waren erschlagen oder verjagt. Aber die seit so vielen Jahren von Idealisten geplanten schwarzen Vereinigten Staaten von Afrika standen noch in weitem Felde. Einstweilen gab es verschiedene große Reiche, deren Herrscher sich napoleonischen Träumen hingaben.
Auch die großen Rassenunterschiede in Afrika selbst bildeten für die Einigung des ganzen Kontinents ein Hindernis. Die nordafrikanische semitische Bevölkerung verspürte keine Neigung, mit der hamitischen Negerbevölkerung zusammenzugehen. Im äußersten