Dem Weisen allein wird also das zu Theil, daß er Nichts gegen seinen Willen thut, Nichts mit Betrübniß, Nichts aus Zwang. Wenn nun auch der Beweis für diese Behauptung mit mehreren Worten zu erörtern ist, so ist es doch ein kurzer72 Die Stoiker liebten dergleichen kurze Schlußsätze, die sie consectaria nannten. Vgl. mit unserer Stelle: Cicer. Fin. III. 7, 26: Potest id quidem (quod honestum sit, id solum bonum esse) fuse et copiose et omnibus electissimis verbis gravissimisque sententiis et augeri et ornari; sed consectaria me Stoicorum brevia et acuta delectant. und einzuräumender Satz, daß, wer sich nicht in einer solchen Gemüthsstimmung befinde, auch nicht frei sein könne. Sklaven sind also alle Schlechten.
35. Und diese Behauptung ist weniger der Sache als den Worten nach befremdend und seltsam. Denn nicht in dem Sinne sagt man, solche Menschen seien Sklaven wie die Leibeigenen73 mancipia. Die Sklaven wurden bei den Römern nicht als Personen, sondern als Sachen, als Eigenthum ihrer Herren, betrachtet, die unumschränkte Gewalt über sie hatten. In den Sklavenstand kam man entweder durch die Geburt oder durch Gefangenschaft im Kriege oder durch Kauf oder durch Schuldhörigkeit (nexum) (wenn man unvermögend war seine Schulden zu bezahlen, so fiel man als Schuldknecht dem Gläubiger anheim), oder durch Bestrafung. S. Adam Röm. Alterth. Th. I. S. 65 ff., die durch Schuldhörigkeit oder auf eine andere Weise nach dem bürgerlichen Rechte Eigenthum ihrer Herren geworden sind, sondern wenn Sklaverei, wie sie es denn auch wirklich ist, darin besteht, daß man einem kraftlosen und kleinmüthigen Geiste, der keinen freien Willen hat, Gehör gibt: wer sollte da noch leugnen, daß alle Leichtfertigen, alle Leidenschaftlichen, kurz alle Schlechten Sklaven seien?
II. 36. Oder soll mir der etwa für frei gelten, welchen ein Weib beherrscht? welchem sie Gesetze auferlegt, vorschreibt, gebietet, verbietet, was ihr gut dünkt? welcher der Befehlenden Nichts abzuschlagen, Nichts zu verweigern wagt? Sie fordert; man muß gewähren. Sie ruft; man muß kommen. Sie stößt fort; man muß gehen. Sie droht; man muß zittern. Ich fürwahr bin der Ansicht, ein solcher Mensch sei nicht ein Sklave, sondern der nichtswürdigste Sklave zu nennen, auch wenn er aus der angesehensten Familie abstamme.
Und 74 Diese ganze Stelle wird in den Handschriften etwa so gelesen: Atque ut in magna familia stultorum sunt alii lautiores ut sibi videntur servi sed tamen servi atrienses acuparii stultitiae suae quos signa – – – delectant et sumus inquit principes civitatis vos vero ne conservorum quidem vestrorum principes estis, sed ut in familia qui tractant ista etc. Diese nicht allein in einzelnen Worten, sondern durch Umstellung ganzer Sätze verderbte Stelle hat Madvig, dem auch Halm beipflichtet, sehr scharfsinnig also wieder hergestellt: Atque in pari stultitia sunt, quos signa – – – delectant. At sumus, inquit, p. c. Vos vero – – – estis. Sed ut in magna familia sunt alii lautiores, ut sibi videntur, servi, sed tamen servi, ut atrienses, at qui tractant ista etc. in gleicher Thorheit befinden sich die, welche an Bildsäulen, an Gemälden, an fein gearbeitetem Silbergeschirr, an Korinthischen Kunstwerken, an prachtvollen Gebäuden ein überaus großes Wohlgefallen finden. – »Aber wir sind ja,« sagen sie, »die Ersten im Staate.« – Ihr seid fürwahr nicht einmal die Ersten unter eueren Mitsklaven. 37. Aber sowie es in einem großen Hauswesen einige feinere Sklaven gibt, wie sie sich dünken, aber doch immer Sklaven sind, wie zum Beispiel die Aufseher des Atriums; diejenigen hingegen, welche dergleichen Geschäfte haben, wie putzen, salben, fegen, sprengen, nicht die ehrenvollste Stelle der Sklaverei behaupten: so nehmen auch im Staate die Männer, die sich der Begierde nach solchen Dingen ergeben, beinahe die unterste Stelle der eigentlichen75 ipsius servitutis. Ipsa servitus ist die Sklaverei im eigentlichsten Sinne, d. h. die Sklaverei in philosophischem Sinne. Sklaverei ein.
»Große Kriege,« sagt Einer, »habe ich geführt; großen Befehlshaberstellen habe ich vorgestanden.« – Nun, so habe auch eine Gesinnung, die des Lobes würdig ist.
Ein Gemälde des Aëtion76 Aëtionis, so Halm nach den besten Handschriften, st. der anderen Lesart Echionis, die sich gleichfalls in mehreren Handschriften bei Cicer. Brt. 18, 70 u. Plinius N. H. 35, 78 findet, wo aber in neuerer Zeit richtig die andere Lesart hergestellt ist. Aëtion lebte zur Zeit Alexander's des Großen. oder eine Bildsäule des Polykletus77 Polykletus aus Sycion im Peloponnese, berühmter Bildhauer, im Zeichnen und Malen nicht unerfahren, ein Zeitgenosse des Perikles. Er war ein Schüler des Argivers Ageladas. Unter seinen Bildhauerwerken wurde besonders gerühmt eine Juno aus Elfenbein und Gold und ein Doryphorus. S. Plinius H. N. 34, 8. fesselt dich und versetzt dich in Staunen. Ich will nicht fragen, woher du sie geraubt hast, wie du sie besitzest. Wenn ich sehe, wie du sie anschauest, sie bewunderst, in Ausrufungen ausbrichst; so urtheile ich, daß du ein Sklave aller Albernheiten bist. 38. »Nun, sind denn das nicht artige Dinge?« – Ja wol; denn auch wir haben ein Kennerauge; aber ich bitte dich, diese Dinge mögen für anmuthig gelten, aber doch nur so, daß sie nicht zu Fesseln von Männern werden, sondern zur Ergötzung junger Leute dienen. Denn was meinst du? Wenn Lucius Mummius78 Lucius Mummius zerstörte Korinth im J. 146 v. Chr. Von den unendlich vielen und herrlichen erbeuteten Kunstwerken behielt er für sich Nichts, sondern schmückte damit die Stadt Rom aus; einige schenkte er auch anderen Städten Italiens. Vgl. Strabo 8, c. 6. Nach Plinius 34, 7. starb er so arm, daß er seiner Tochter keine Mitgift hinterließ. Einen dieser Leute sähe, wie er ein Korinthisches