Möchte doch ein Manius Curius80 Ueber Manius Curius Dentatus s. zu Cato 6, 15. wieder aufleben oder Einer von den Männern, in deren Landgütern und Häusern Nichts von Glanz, Nichts von Schmuck sich befand außer ihnen selbst, und sehen, wie ein Mann, der die höchsten Auszeichnungen des Volkes genießt, bärtige Barben in seinem Fischteiche fängt und sie mit den Händen befühlt und sich der Menge seiner Muränen rühmt81 Eine Anspielung auf Lucullus und den Redner Hortensius, die kostbare Fischteiche angelegt hatten. Vgl. Cicer. ad Att.. I. 19 u. 20.. Würde er nicht einen solchen Menschen für einen Sklaven so niedriger Art halten, daß er ihn in seinem Hauswesen nicht einmal für irgend ein wichtigeres Geschäft tauglich fände?
39. Oder ist etwa deren Sklaverei zweifelhaft, die aus Begierde nach Vermögen keine Bedingung des härtesten Sklavendienstes zurückweisen? Die Hoffnung auf Erbschaft, übernimmt sie nicht alle Unbilligkeit des Sklavendienstes? welchen Wink des reichen Greises ohne Erben beachtet sie nicht? Sie redet ihm nach dem Munde; was ihr auch zugemuthet werden mag, thut sie; sie begleitet ihn, sitzt bei ihm, macht ihm Geschenke. Was von diesen Dingen ist das Benehmen eines freien Mannes? was, mit einem Worte, nicht das eines trägen Sklaven?
III. 40. Wie? Jene Begierde ferner, die eines freien Mannes würdiger scheint, die Begierde nach Ehrenämtern, Befehlshaberstellen, Provinzen, welche harte Herrin ist sie, wie gebieterisch, wie heftig! Dem Cethegus82 Publius Cornelius Cethegus genoß als Prätor im Staate großes Ansehen (vgl. Cicer. Brut. c. 48), führte aber einen schlechten Lebenswandel. Lucullus, der damals Statthalter in Cilicien zu werden wünschte, um den Krieg mit Mithridates, der wieder auszubrechen drohte, zu führen, erniedrigte sich so sehr, daß, obwol er den Cethegus wegen seines ausschweifenden Lebens verabscheute, kein Mittel unversucht ließ ihn zu gewinnen und sogar seine Geliebte Precia durch Geschenke und Schmeicheleien zu bestechen suchte. S. Plutarch. Vit. Luculli c. 6., einem keineswegs bewährten Menschen, zwang sie Männer dienstbar zu sein, die sich höchst angesehen zu sein dünkten, ihm Geschenke zu senden, des Nachts zu ihm in's Haus zu kommen, ja endlich ihn flehentlich zu bitten. Was ist Sklaverei, wenn dieß für Freiheit gelten kann?
Wie? Wenn die Herrschaft der Begierden gewichen und eine andere Herrin erstanden ist aus dem Bewußtsein der Sünden, die Furcht, was ist das für eine elende, was für eine harte Sklaverei! Jungen Männern, die sich ein Wenig auf das Schwatzen verstehen, muß man dienen83 Nämlich um nicht von ihnen angeklagt zu werden.; Alle, die Etwas zu wissen scheinen, werden wie Herren gefürchtet. Der Richter vollends, welche Herrschaft übt er! mit welcher Furcht erfüllt er die Schuldigen! Oder ist nicht jede Furcht eine Sklaverei?
41. Was für eine Geltung hat also jene mehr wortreiche als weise Rede des großen Redners Lucius Crassus84 Lucius Licinius Crassus, einer der größten Redner unter den Römern vor Cicero. S. unsere Einleitung zu der Uebersetzung der drei Bücher vom Redner S. 18–21 [§. 5.]. Die hier angeführte Rede ist die, welche Crassus im J. 106 v. Chr. hielt, um den Gesetzvorschlag des Consuls Quintus Servilius Cäpio zu unterstützen, in welchem der Vorschlag gemacht war, daß die Gerechtigkeitspflege, die seit dem J. 122 v. Chr. in den Händen der Ritter war, gemeinschaftlich von den Rittern und dem Senate verwaltet werden sollte. Die Römischen Ritter hatten sich nämlich der größten Ungerechtigkeit und Grausamkeit gegen den Senat schuldig gemacht. Doch ging der Vorschlag wahrscheinlich nicht durch. Vergl. Cicer. de Orat. I. 52, 225. : »Entreißt aus der Sklaverei!«? – Was versteht unter Sklaverei der so ungesehene und vornehme Mann? – »Laßt uns Niemandem dienstbar sein!« – Will er in Freiheit gesetzt werden? Keineswegs; denn was fügt er hinzu? – »Außer euch allen insgesammt.« – Den Herrn will er umändern, nicht frei sein. – »Denen wir dienen können und es schuldig sind.« – Wir aber, wenn anders uns ein erhabener und großer und durch Tugenden emporgetragener Geist einwohnt, sind es weder schuldig, noch können wir es. Du magst sagen, daß du es könnest, weil du es ja kannst. Daß du es aber schuldig seiest, sage nicht, weil Niemand Etwas schuldet, als was schimpflich ist nicht zurückzuerstatten.
Doch genug hiervon. Jener mag zusehen, wie er ein Befehlshaber sein könne, da die Vernunft und die Wahrheit selbst darthut, daß er nicht einmal frei ist.
Sechstes Paradoxon
‘Ότι μόνος ο σοφὸς πλούσιος.
Der Weise allein ist reich.
I. 42. Was ist das für eine unverschämte Prahlerei mit Erwähnung deines Geldes? Bist du allein reich? Bei den unsterblichen Göttern, ich soll mich nicht freuen Etwas gehört und gelernt zu haben? Bist du allein reich? Wie, wenn du nicht einmal reich? wie, wenn du sogar arm wärest? Denn was verstehen wir unter einem Reichen, oder von welchem Menschen gebrauchen wir diese Benennung? Ich meine von dem, der so Viel besitzt, als zu einem anständigen Leben leicht genügen mag, der weiter Nichts sucht, Nichts verlangt, Nichts wünscht. 43. Dein eigenes Herz muß dich für reich erklären, nicht der Menschen Gerede noch deine Besitzungen. – »Nun es glaubt, daß ihm Nichts fehle; es kümmert sich um Nichts weiter; es ist gesättigt oder auch zufriedengestellt durch Geld«85 Die Worte: »Nun es glaubt – durch Geld« muß man als Einwurf des Reichen auf die vorhergehenden Worte auffassen.. – Ich gebe zu, es ist reich. Wenn du aber aus Geldgier keine Art des Gewerbes für schimpflich hältst, obwol für deinen Stand86 Cicero denkt sich einen Senator oder hochgestellten Staatsmann, für deren Stand es nach der Römischen Denkungsweise für schimpflich galt irgend ein Gewerbe zu treiben. keine irgendwie ehrenvoll sein kann; wenn du täglich betrügst, hintergehst, Forderungen machst, Vergleiche87 Nämlich ungerechte. schließest, wegnimmst, entwendest; wenn du Bundesgenossen beraubst, den Staatsschatz ausplünderst; wenn du Vermächtnisse deiner Freunde nicht einmal erwartest88 Nach Halm's Muthmaßung: si testamenta amicorum ne exspectas quidem; das ne konnte zwischen den Buchstaben m und e leicht ausfallen. Die Lesart der Ausgaben: si t. a. exspectas aut ne exspectas quidem beruht auf keiner handschriftlichen Autorität., sondern selbst unterschiebst: sind das Zeichen eines in Ueberfluß oder in Dürftigkeit lebenden Menschen?
44. Der Geist des Menschen pflegt reich genannt zu werden, nicht sein Kasten. Mag dieser noch so voll sein; so lange ich dich selbst leer sehe, werde ich dich nicht für reich halten. Denn nach dem, was Jedem genügt, bestimmen die Menschen das Maß des Reichthums. Es hat Jemand Eine Tochter, nun so braucht er Geld; hat er zwei, so braucht er mehr; hat er mehrere, so braucht er noch mehr. Sollte Einer, wie man von Danaus89 Danaus, der aus Aegypten nach dem Peloponnes gewandert war und daselbst Argos gründete, hatte funfzig Töchter, die die funfzig Söhne ihres Oheims Aegyptus, Königs von Aegypten, heiratheten, auf Befehl ihres Vaters aber, mit Ausnahme der Hypermnestra, die ihren Gemahl Lynceus rettete, ihre Männer in der Hochzeitsnacht ermordeten. Für diese Frevelthat wurden sie in der Unterwelt verurtheilt ein durchlöchertes Faß mit Wasser zu füllen. sagt, funfzig Töchter haben, so erheischen so viele Aussteuern eine große Summe Geldes. Denn nach eines Jeden Bedürfniß richtet sich, wie ich zuvor bemerkte, das Maß des Reichthums. Wer also nicht viele