Als nun Olgierd gestorben war, trat Jagello, dem er sterbend seine Liebe zugewandt hatte, in seine Stelle als oberster Großfürst neben Kynstut, der sein Oheim war. Und Kynstut liebte ihn wie seinen Sohn und vertraute ihm. Er ward aber arg getäuscht. Denn Jagello wollte über das ganze Land herrschen und verband sich heimlich gegen ihn mit dem Orden, den er doch im Grunde seines Herzens haßte. Als Kynstut davon Nachricht erhielt, befragte er ihn; Jagello aber leugnete unter falschen Schwüren, und der arglose Mann glaubte ihm. Erst da ward er seine Tücke gewahr, als Jagello gegen alle Sitte seine Schwester dem ihm verhaßten Voidelo vermählte, einem gemeinen Manne, der sich von Olgierds Bäcker zu seines Sohnes erstem Günstling aufgeworfen hatte. Da er nun auf dessen bösen Rat auch den Sohn Kynstuts, Andreas Weidat, bekriegte, fiel der ergrimmte Großfürst über ihn her, nahm ihn in Wilna gefangen und ließ Voidelo henken. Da wär's wohl auch Jagello ans Leben gegangen, wenn nicht Witowd, der alten Freundschaft eingedenk, für ihn bei seinem edlen Vater gebeten hätte, daß er ihn freigab und ihm verzieh.
Das lohnte der schändliche Jagello beiden mit Undank. Denn er ließ nicht von seinem heimlichen Bündnis mit dem Orden, fiel von ihnen ab, da er zur Heeresfolge gegen den Fürsten von Nowgorod aufgeboten war, überwand sie durch Hinterlist, indem er sie unter dem Anerbieten eines Vergleiches zu sich lockte, und verhaftete sie. Seinen Oheim Kynstut, für den der Orden sich verwandte, ließ er nach Krewa ins Gefängnis bringen und dort erwürgen. Es hieß, er sei an einer Krankheit gestorben, und er wurde in allen heidnischen Ehren bestattet, auf einen großen Scheiterhaufen gelegt und verbrannt mit allen seinen Hunden und Rossen unter feierlichen Blutopfern, wie es nach altem Brauch einem litauischen Großfürsten ziemlich war. Und dieser ist der letzte, der so heidnisch bestattet worden.
Witowd aber saß in einem leidlichen Gefängnis, und seine Gemahlin Anna nebst zwei Mägden durften bei ihm ein und aus gehen. Diesen schwatzten die Wächter aus, daß es mit Witowd ebenso stehe wie mit seinem Vater, und daß die Boten, die ihn ermorden sollten, schon angelangt seien. Da stellte Frau Anna ihm vor, wie die Mädchen immer zum Betten kämen; sie würde ihm aber die Kleider eines der Mädchen anzulegen geben; so würde er hinausgehen mit dem andern Mädchen und jenes bei ihr zurückbleiben. Und er kleidete sich in den Anzug des einen Mädchens und ging mit dem andern hinaus und begab sich aus der Stadt und eilte zu den Deutschen und Preußen. Als er aber bei den Deutschen weilte, in Marienburg bei dem Meister, so kamen zu ihm viele litauische Fürsten und Bojaren, und er begann mit Hilfe der Deutschen das litauische Land mit Krieg zu überziehen, nahm auch das Christentum an und wurde getauft mit dem Namen Konrad. Aber im Herzen blieb er heidnisch gesinnt und vergaß nicht seines Schwures.
Indessen so geschah es, daß Ludwig, der Ungarn und der Polen König, starb, ohne männliche Erben zu hinterlassen.
Zwar hatte er seine älteste Tochter Maria mit dem Markgrafen Sigismund verlobt und diesen zu seinem Nachfolger bestimmt, aber die polnischen Großen waren ihm abgeneigt, da sie für ihre Herrschaft fürchteten, und riefen Ludwigs jüngste Tochter Hedwig zu ihrer Königin aus, unter dem Beding, daß sie ihre Hand nach des Landes Gutbefinden verschenken sollte.
Da beschloß Jagello, jetzt Oberherr von Litauen, um sie zu werben, und lockte Witowd wieder zu sich heran, seiner Feindschaft ledig zu werden, und es gelang ihm, seinen Vetter zu gewinnen. Nun zog er mit großem Gefolge gegen Krakau und trat als Freier der schönen Prinzessin Hedwig auf gegen den schlesischen Herzog Wladislaus und den masowischen Herzog Ziemowit und Wilhelm von Österreich, den Hedwig liebte. Er versprach den gierigen Magnaten, daß er seine Schätze mit nach Polen bringen und sich mit allen seinen Brüdern und Untertanen taufen lassen wolle, und daß er der Krone Polen die Länder Litauen und Szamaiten verkörpern und die Ordensländer Kulm und Pommerellen zurückerobern werde, und darauf sprachen sie ihm die Hand ihrer Königin zu. Hedwig aber hatte Abscheu gegen den häßlichen, verschlagenen heidnischen Mann und nahm Wilhelm von Österreich zu sich, den sie liebte, und gestand ihm fünfzehn Nächte durch alle Rechte eines Gemahls. So meinte sie, sich Jagello verhaßt zu machen und ihren Willen durchzusetzen. Der jedoch zwang sie schamlos, sein Weib zu werden, und ließ sich taufen, und jeder Litauer erhielt einen weißen Rock, dafür ließ er sich taufen. So waren die Reiche Litauen und Polen in einer Hand vereinigt, was der Orden nimmer hätte zulassen sollen. Aber es ist geschehen. Auch als nach Jahren Hedwig im Wochenbett starb, wußte er die Krone Polens zu behaupten, da er Anna, Gräfin von Cili, des polnischen Königs Kasimir Enkelin, heiratete. Und so ist er nun selbst ein mächtiger König.
Seit jener Zeit hat er Witowd zu seinem Statthalter in Litauen angenommen, und sie haben bald in Feindschaft, bald in Freundschaft miteinander gelebt, zuletzt aber in Freundschaft. Und ihr Schwur ist fest geblieben, und nun sie die Macht haben, der Orden aber geschwächt ist, gedenken sie ihre Heere zu vereinigen und die Deutschen niederzuwerfen. Gott und die Heilige Jungfrau mögen uns schützen!
Als Bruder Wigand so seine Erzählung geendet hatte, faltete er die Hände und sprach ein langes, bewegtes Gebet. Sein junger Freund aber folgte seinem Beispiel. Dann dankte er ihm herzlich für die gute Auskunft, legte die Finger der rechten Hand auf den Kreuzgriff seines Schwertes und gelobte dem Orden treu zu dienen gegen den tückischen Jagello, seinen Todfeind. Witowd aber mochte er nicht so sehr schelten, da er edelmütig gehandelt hatte und dem Orden, wenn er ihn bekriegte, stets ein offener Feind gewesen war.
Noch einige Tage vergingen in Unruhe. Heinz besuchte gern den Meister Ambrosius von Nürnberg, der mit seiner Familie neben dem Gießhause Wohnung hatte, und ließ sich in allem unterrichten, was der brave Mann von seiner Kunst verraten durfte. Oft fand sich auch Wigand bei ihm ein, und immer wurde ein ernsthaftes Gespräch geführt, an dem der Junker seine Freude hatte.
Dann hieß es, daß in der Kirche mit großer Festlichkeit die neuen Fahnen und Banner geweiht werden sollten. Heinz durfte als des Meisters Knappe zugegen sein. Ein feierlicher Zug bewegte sich vom Residenzschlosse aus nach der alten Burg, durch die prachtvolle Vorhalle und den reich gezierten Eingang in die Kirche. Meister Ulrich von Jungingen, in ritterlicher Rüstung und den weißen Mantel über den Schultern, nahm gegenüber dem Hauptaltar unter dem gewölbten Thronhimmel Platz, der von zwei runden, aus gelblichgrünem Kalkstein gearbeiteten, schön geglätteten Pfeilern getragen wurde. Zu beiden Seiten und an den Seitenwänden entlang ließen sich die Gebietiger und die ältesten Brüder in die Ritterstühle nieder, die über sich eine Empore mit kunstvoller Steinbrüstung hatten. Die andern Brüder nahmen auf Bänken ihren Sitz; es waren ihrer gewiß mehr als siebzig. Neben ihnen stellten sich die Soldhauptleute und viele von den Landesrittern auf, die zugezogen waren. Vor dem Hauptaltar wurde ein Hochamt abgehalten, eine kleine Orgel in der Mauernische begleitete die feierlichen Gesänge. Dann folgte die Fahnenweihe durch die Priesterbrüder.
Darauf trat der Meister durch eine kleine Tür in der Rückwand des Thronhimmels in den Kapitelsaal. Die Ritter folgten ihm auf anderem Wege, aber außer ihnen wurde niemand eingelassen. Bruder Ulrich hielt hier das letzte Kapitel vor seinem Abzuge zum Heere ab, und was beraten wurde, galt für alle als Heimlichkeit.
Eine Stunde darauf schmetterten die Trompeten. Der Meister bestieg sein reich gezäumtes, weißes Schlachtroß. Mit einem prächtigen Gefolge von Rittern und Knappen zog er aus der Marienburg zum Kampfe aus. Ich begrüße dich als Sieger, oder nie mehr! rief er der stolzen Feste zu, als er das letzte Tor hinter sich hatte. Als Sieger oder – nie mehr!
13. IN BEIDEN LAGERN
Bald füllten sich nun alle Straßen, die aus dem Innern des Landes zur Südgrenze führten, mit Kriegsvolk. Michael Küchmeister von Sternberg deckte die Neumark als deren Vogt. Weiterhin bei Friedland zog der Komtur von Schlochau märkisches Volk und etliche Söldnerhaufen zum Schutz der Grenze zusammen. Wenige Meilen davon sammelte der Komtur von Tuchel seine