Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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Klauen und um den Kopf einen Kreis wie einen Heiligenschein trug, zwischen zwei Bischofsstäben. Das des ermländischen Bischofs aber hatte ein weißes Opferlamm, aus dessen Brust Blut in eine Schale floß. Drei rote Mitren waren auf die Fahne des Bischofs von Samland gemalt, und in der Nähe derselben flatterten auch die Fahnen der drei Städte Königsberg, jede mit einer Krone geziert zum Andenken an den erlauchten Stifter König Ottokar von Böhmen.

      Wer kennt nicht der Thorner Wappen, das offene Tor mit Fallgatter und drei Türmen darüber, rot in weißem Felde? Es schmückte auch ihr Kriegsbanner, und der Bürgermeister von Thorn, Albrecht Rothe, führte es. Der Hochmeister ritt zu ihm heran und reichte ihm vom Pferde die Hand, damit man ringsum sehe, daß er den Thornern Vertrauen schenke und dem bösen Gerücht nicht glaube, sie hörten auf die Einflüsterungen des polnischen Königs und sehnten sich fort vom Orden. Eine Strecke weiter standen die Elbinger unter ihren Hauptleuten in drei Rotten; die Pfeifer und Trompeter spielten aber jetzt nicht auf wie beim Marsch, sondern sie waren Wappner geworden wie die anderen. Das Banner des Ordenshauses Elbing führte der oberste Spittler, Werner von Tettingen, ein schon bejahrter Mann, der aber doch nicht fehlen wollte im Kampfe.

      Weiterhin die Fahne mit dem schrägen schwarzen Balken auf weißem Tuch gehörte Johann von Schönfels zu, dem Danziger Komtur. In seiner Nähe, aber doch gesondert von seiner Schar, standen die Männer der Stadt Danzig, wohl zwölfhundert an Zahl; ihr tapferer Hauptmann war Albrecht Mantel, ihr Fähndrich Andreas Fechter, aus berühmtem patrizischem Geschlecht. Auch hier hielt Herr Ulrich von Jungingen und tauschte freundliche Worte mit den Führern, denn es war ihm von Wert, die großen Städte sich und seinem Orden zu verbinden.

      So stand das Heer schon lange in Schlachtordnung, als die Polen erst drüben auf den Höhen am Marensefluß und Laubensee und in den Gebüschen und Waldlichtungen bemerkbar wurden. Der König war vor Tagesanbruch aus seinem Lager bei Gilgenburg aufgebrochen, brauchte aber viele Stunden Zeit, sich mit Witowds Heer zu vereinen. Seiner eigenen Kriegskunst vertraute er wenig. In dem Schwertträger von Krakau, Zindram von Waschkowycz, hatte er aber seinem Heere einen ebenso tapfern als umsichtigen Führer gegeben. Zindram war klein und unansehnlich, aber die Polen wußten, daß sie sich auf ihn verlassen konnten. Freilich hatte er nicht völlig freie Hand, da der König sich die wichtigsten Entscheidungen vorbehielt.

      Übrigens gedachte Jagello sich nicht zu nahe ans Kampfgetümmel zu wagen. Für ihn wurde auf der Höhe vor dem Laubensee seitwärts vom Dorfe Faulen ein großes und prächtiges Zelt aufgeschlagen. Darin stand ein Betstuhl mit kostbarem Kruzifix. Ein Kissen von rotem Samt war davor auf die Erde gelegt, und auf demselben kniete der König fast unablässig, mit krampfhaft gefalteten Händen Gebete murmelnd, wobei das häßliche Gesicht mit dem breiten gemeinen Munde und den heimtückischen Augen sich noch mehr verzerrte und die strähnigen Haare über die niedrige Stirn fielen. Zwei Bischöfe leiteten die Andachten und versicherten ihn des himmlischen Beistandes zum Lohn für seine Frömmigkeit. Gott habe große Zwecke mit ihm gehabt, da er seine Seele erleuchtete, daß er sich vom Heidentum zum Christentum bekehre, und ihm große Macht gegeben, alle Feinde der Kirche niederzuwerfen. Dieser Deutsche Orden aber trachte schon lange danach, sich von Rom loszulösen und dem Papst allen Gehorsam aufzusagen: mit Wohlgefallen vernehme er die hussitische Lehre und nehme ketzerisches Volk in seinen Schutz. Darum sei ihm der Untergang verkündet. Hinter ihnen sammelte sich im Zelt eine Schar von Geistlichen, Rauchfässer schwingend, Gebete murmelnd und eintönige Gesänge plärrend. Die Kriegsobersten aber und die Boten, die Großfürst Witowd sandte, um endlich den Befehl zum Ordnen des Heeres zu erhalten, mußten vor dem Eingang stehen und warten.

      Da ritt ungeduldig der Großfürst selbst, ein stattlicher Kriegsmann, auf die Höhe am See und trat in des Königs Zelt. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und rief ihm zu: Ermanne dich endlich, Vetter! Genug hast du gebetet, Gott und alle Heiligen um den Sieg angefleht. Willst du ihn erringen, so zieh nun auch das Schwert und gib deinen Völkern das Zeichen zur Schlacht. Seit drei Stunden steht das Ordensheer gerüstet und zum Angriff bereit. Ich an des Hochmeisters Stelle würde keinen Augenblick zögern. Unsere Scharen sind ungeordnet, in den Wäldern zerstreut. Ein plötzlicher Überfall läßt das Schlimmste für uns befürchten. Auf, königlicher Herr! Ein männlicher Entschluß tut wahrlich not.

      Jagello aber schüttelte seine Hand ab und sagte: Störe uns nicht in der Andacht. Gott ist's, der den Sieg gibt, und seine Heiligen sollen mir Fürbitter sein in der Bedrängnis, daß er seine Engelscharen mit flammenden Schwertern schicke, den Unsern voran zu kämpfen. Ich bin ein sündiger Mensch gewesen, bis Gott sich meiner erbarmte; nun will ich auch seiner nicht vergessen. Dabei verdrehte er die Augen und küßte das Kruzifix, das der Bischof ihm vorhielt.

      Dann wandte er sich zur Seite, umfaßte ihn und zog Witowds Kopf zu seinem Munde hinab. Ich will dir's gestehen, Vetter, zischelte er ihm ins Ohr, es beängstigt mich dieser Kampf gegen die Streiter der Heiligen Jungfrau, und ich fürchte, Gott möchte der Mutter seines Sohnes beistehen, wenn sie an seinem Thron Fürsprache hält. Denn von allen Heiligen ist sie die mächtigste, und sie hat dem Orden viel zu verdanken seit zweihundert Jahren. Darum bin ich vorsichtig und werfe mich in den Staub und spare nicht große Versprechungen, daß ich sie vielleicht überliste. Schnell ließ er ihn wieder los und faßte die Hände der Bischöfe.

      Witowd aber biß die Zähne zusammen und murmelte: Seine Zaghaftigkeit ist schuld, wenn wir trotz der Übermacht den Tag verlieren.

      Er wäre für Polen verloren gewesen, wenn Ulrich von Jungingen weniger ritterlich gedacht und gefühlt hätte. Drei Stunden lang stand nun schon sein Heer, und der Mittag nahte heran. Von allen Seiten bedrängte man ihn, daß er des Feindes Zögern nützen und ihn überfallen solle, ehe er sich zur Schlacht geordnet hätte. Unwillig aber wies er diesen Rat zurück. Es ziemt uns nicht, sagte er, zu kämpfen wie wilde Horden und den Feind anzufassen, ehe er gerüstet dasteht. Ein Ritter legt seine Lanze nur ein gegen den festen Schild des Gegners in Waffen; eine Ehre soll es ihm sein, zu siegen. Sie haben uns herausgefordert, und sie sollen uns auf dem Plan finden. Die ganze Christenheit sieht auf uns; ritterlich wollen wir ihre Sache verfechten.

      Da sah der Ordensmarschall wohl ein, daß der Meister fest war in seinem Entschluß, und da er selbst ritterlich dachte, konnte er ihn nicht schelten. Selbst meinte er nun aber etwas zur Förderung tun zu müssen, damit das Heer nicht ermüde. Mehrere edle Ritter aus seinem Gefolge sagten ihm, es sei Kriegsgebrauch, sobald das eine Heer bereit wäre und das andere erwartete, demselben ein Schwert zu schicken und es zum Kampf zu rufen. Dem stimmte Wallenrod zu, und ohne den Meister zu befragen, wählte er zwei Herolde zu dieser Botschaft, den Herold des Königs Sigismund von Ungarn, den schwarzen Adler im goldenen Felde auf der Brust tragend, und den Herold des Herzogs von Stettin, ebenso mit dem roten Greif im weißen Felde geschmückt, und schickte sie nach dem königlichen Zelte, indem er ihnen zwei nackte Schwerter mitgab.

      Als die Herolde dort anlangten, fanden sie gerade Witowd bei dem König. So hatten sie keinen weitern Weg nötig. Jagello mußte sie wohl empfangen und ließ sich dazu von den Geistlichen nach einem Sessel führen. Witowd stellte sich neben ihn, auf sein mächtiges Schwert gestützt. Führt sie ein, befahl er, da der König zögerte.

      Die Herolde traten vor, und der eine sprach mit lauter Stimme: Sehet da, wir reichen euch zwei Schwerter, das eine Euch, Herr König, das andere Euch, Großfürst Witowd, und rufen Euch damit zum Kampfe. Zögert nicht länger, die Zeit verderbend! Warum verbergt ihr euch in den Wäldern, warum entzieht ihr euch dem Kampfe, dem ihr doch nimmermehr entgehen könnt? Wohlan, wählet den Kampfplatz, wo ihr wollt, und nehmt diese Schwerter euch zur Hilfe zum Beginn des Kampfes! Und so legten sie die nackten Schwerter vor die Fürsten hin.

      Da wollte Witowd grimmig auffahren und mit seiner Waffe eine schnelle Antwort geben. Der König aber hielt ihn zurück und erwiderte in salbungsvollem Tone: Hilfe haben wir niemals von einem andern erbeten als von Gott: in seinem Namen nehmen wir auch diese Schwerter an. Doch die Wahlstatt zu wählen geziemt uns nicht; wo sie Gott uns gibt, wollen wir sie nehmen als gegeben und erwählt.

      Damit entließ er die Herolde.

      Witowd aber, als sie sich entfernt hatten, stieß zornig sein Schwert gegen den Boden, daß es in der Scheide klirrte, und rief: So dürfen sie uns höhnen, weil wir feige Memmen sind! Der Mut wird ihnen wachsen, wenn wir so die Zeit verstreichen lassen;