Gesammelte Werke. Ernst Wichert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237517
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er in ihre Hand geben, wenn er mit dem Heere nordwärts ziehen müßte; sie sollten es dann für ihn oder für den König von Polen bewahren. Niklas von Renys übernahm's, den Bund zu berufen, wenn die Sache reif sei. Inzwischen sollte jeder im geheimen rüsten, um beim Aufruf mit seinen Leuten bereit zu stehen.

      37. VERLORENE LIEBESMÜH

       Inhaltsverzeichnis

      Es war Abend geworden, als man das Turmzimmer in sehr erregter Stimmung verließ. In der Halle wurde ein Faß Bier aufgestellt, auch Brot und Käse gereicht. Aber die Herren begnügten sich mit einem raschen Trunk, den heißesten Durst zu löschen, warfen sich auf die Pferde und jagten mit ihrer Dienerschaft nach allen Windrichtungen davon.

      Der Komtur war in der Halle nicht mehr gesehen worden. Er hatte sich, ohne Abschied zu nehmen, allein auf den Weg gemacht. Die Gesellschaft der Eidechsenritter auf öffentlicher Landstraße mochte ihm nicht genehm sein.

      Vielleicht hatte er auch noch einen andern Grund zur Eile. Als er in das Schloß einritt, beleuchtete die untergehende Sonne nur noch matt die obersten Geschosse der beiden Haupttürme mit ihren Zinnenkränzen. Liszek sprang zu und nahm ihm das Pferd ab. Er flüsterte ihm dabei etwas zu, worauf der Komtur lächelnd nickte. Im inneren Schloßhof herrschte schon zwischen den hohen Mauern abendliches Dunkel. Unten an der Treppe stand ein Diener, der eiligst an der nie verlöschenden Öllampe in der Küche eine Wachskerze angezündet hatte. Er ging voran bis zu des Komturs Zimmer und gab dem hohen Gebietiger dort die Kerze in die Hand. Sobald derselbe eingetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, blies er sie aus und schob die Vorhänge vom Fenster zurück, durch das noch ein ausreichendes Dämmerlicht in das Gemach fiel.

      Er zog die schweren Reiterstiefel ab und dafür hohe Schuhe von weichem Leder an, legte das Schwert mit dem Wehrgehenk auf den Tisch und vertauschte das Wams mit einem bequemen Hausrock, der faltig die Knie umschloß. Dann öffnete er die Tür und horchte auf den offenen Bogengang hinaus. Es war alles still; nur von der Kapelle her tönte der Gesang der Priesterbrüder, die sich pflichtschuldigst zur Komplete, dem vorgeschriebenen Abendgottesdienst, eingefunden hatten. Er ging zwanzig oder dreißig Schritte dicht an der äußeren Wand entlang bis fast zur nächsten Wendung des Ganges, immer vorsichtig den Fuß aufsetzend, damit der Sand auf den Ziegelplatten nicht knirschte, und blieb vor einer tiefen Mauernische stehen, die hinten durch eine eisenbeschlagene Tür gesperrt war. Sie führte zu einem Raum, in dem der Vorrat an Tuchen und Laken des Ordenshauses auch an fertigen Rittermänteln und Baretts aufbewahrt wurde. An dieser Tür horchte er wieder. Dann steckte er leise den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn um. Mit einem raschen Schritt stand er in dem gewölbten Gemach, das aus zwei schmalen Fenstereinschnitten trotz der Dämmerung draußen so viel Licht empfing, daß die Gegenstände darin erkannt werden konnten.

      Von einem Stapel Tuche, der wohl die Stelle eines Lagers vertreten konnte, sprang eine schlanke Gestalt auf. Kommt Ihr endlich? rief eine Frauenstimme in sehr unwilligem Tone. Werde ich nun erfahren, weshalb man mich hier eingesperrt hat?

      Der Komtur trat näher. Ihr hier, Fräulein? fragte er mit verstellter Verwunderung. In der Tat, ich bin angenehm überrascht –

      Gebt Euch keine Mühe, Eurer Büberei ein Mäntelchen umzuhängen, fiel Natalia ihm heftig ins Wort. Ob Ihr's gesteht oder nicht gesteht, ich weiß doch, daß Eure Leute auf Euer Gebot handelten, als sie mich hierher brachten. Sagt's also gleich geradeheraus, was Ihr von mir wollt, damit ich Euch eine gerade Antwort geben kann.

      Ich will's nicht leugnen, entgegnete er geschmeidig, daß ich meinen Leuten aufgetragen habe, Euch hier im Schloß einige Ruhe zu gönnen, wenn Euch der Ritt zu sehr angestrengt haben sollte, wie bei Eurem leidenden Zustande zu erwarten war. Sollten sie nicht mit aller Höflichkeit –

      Bube! rief sie. Wage mir nicht so frech ins Gesicht zu lügen! Führt etwa der Weg nach Buchwalde an Schloß Rheden vorüber? Und ladet man einen zu Gast, indem man ihm einen Mantel über den Kopf wirft und den Mund bedrückt, daß er nicht schreien kann? Es ist gut, daß Ihr meinen Zorn ein paar Stunden verrauchen ließet, sonst – bei allen Heiligen, hättet Ihr meine Nägel in Eurem spitzbübischen Gesicht gefühlt!

      Sie streckte die gekrümmten Hände gegen ihn aus, so daß es ihm geraten schien, einen halben Schritt zurückzuweichen. Nicht so wild, schönes Fräulein, bat er, nicht so wild. Sitzt Ihr zu Pferde, so mag man Euch solche Tonart nicht verargen, wie sie im Reiche der Amazonen wohl Brauch sein mag. Hier aber seid Ihr nun einmal meine Gefangene und handelt unklug, Euch durch unfreundliche Vorwürfe Euer Lösegeld zu erschweren.

      Und weshalb bin ich Eure Gefangene? herrschte sie ihn an.

      Zu meiner Sicherheit. Ich habe Euch, nicht zu guter Stunde, allerhand von meinen Plänen enthüllt, um Euch mir geneigt zu machen. Ihr wißt, wie Ihr mir's gelohnt habt. Aber das hätte mich noch wenig besorgt gemacht. Nun aber hat es der Zufall so gefügt, daß Ihr Zeuge eines Gesprächs mit dem Waldmeister am Melno-See wurdet, das für Euer Ohr nicht bestimmt war. Wenigstens muß ich glauben, daß Ihr in Eurem unfreiwilligen Versteck gar gut verstehen konntet, um was es sich handelte. War's nicht so? Ihr habt gehört –

      Daß der Komtur von Rheden einen alten wahnwitzigen Mann beschwatzte, den Hochmeister seines Ordens zu ermorden!

      Sagt richtiger: ihn aufforderte, seine Rache an einem alten Feinde zu nehmen, dem er schon einmal ans Leben wollte. Doch das ist gleichgültig. Jedenfalls muß es mir daran liegen, das Geheimnis für die nächste Zeit zu wahren. Bei Euch aber, fürchte ich, ist es nicht gut aufgehoben. Und deshalb laßt Euch gefallen, hier im Schlosse mein Gast zu sein, bis sich's entschieden hat, ob der Alte das zweitemal besser trifft.

      Wie, Nichtswürdiger, Ihr wollt mich hier vielleicht wochenlang der Freiheit berauben?

      Es ist durchaus notwendig zu meiner Sicherheit und der guten Sache wegen. Fügt Euch in Geduld. Es soll Euch hier im Schlosse an nichts fehlen. Ich will Euch des Herrn Hochmeisters Gemach nach Eurer Bequemlichkeit einrichten lassen und meinen eigenen Diener zu Eurer Verfügung stellen.

      Den spitzbübischen Polen! Der steckt freilich mit seinem sauberen Herrn unter einer Decke. Ich rate Euch: gebt mich frei. Jede Stunde, die Ihr mich länger in Gefangenschaft haltet, könntet Ihr schwer zu bereuen haben.

      Er machte eine ablehnende Bewegung mit der Hand. Spart Euch solche Drohungen. Sie können mich nur darin bestärken, Euch die Macht zu nehmen, mir zu schaden.

      Und wenn ich einen feierlichen Eid leiste, zu schweigen? Genügt das zu Eurer Sicherheit, Komtur?

      Er bedachte sich einen Augenblick. Ihr könntet sagen, der Eid sei erzwungen worden.

      Gott weiß, daß ich mich dazu erboten habe, um die Freiheit zu gewinnen.

      Aber die Menschen wissen's nicht, und es gibt gefällige Priester, die von solcher Gewissenspflicht lossprechen.

      Natalia schwieg eine Weile und sah mit finsteren Blicken zur Erde. Die rechte Hand war zu einer Faust zusammengekrampft, und die Fußspitze bewegte sich ungeduldig auf und ab. Ihr spracht von einem Lösegeld, sagte sie dann grollend. Ich dachte dabei nicht an heut und nicht an morgen, Fräulein. Eins freilich wüßte ich, das schnell jeden Argwohn beseitigen und mich der Notwendigkeit entheben könnte, Euch mit Gewalt zurückhalten zu müssen.

      Und das –?

      Bedenkt, welche Geständnisse ich Euch im geheimen gemacht habe. Nie hatte ein anderes Weib über mich solche Macht. Tag und Nacht denke ich nur darauf, wie ich mir Eure Neigung gewinne, in allen meinen Träumen ist Euer Bild. Oh, wenn Ihr mich gütig erhören wolltet! – Er trat wieder vor und streckte den Arm nach ihr aus.

      Elender Wicht – Meineidiger! rief sie und stieß ihn zurück.

      Nenne mich, wie du willst, flüsterte er, aber glaube mir, daß mich bei deinem Anblick ein brennendes Feuer verzehrt, das keine Vernunft löschen kann! Elend bin ich, wenn du mich verschmähst, meineidig, wenn ich meinem Herzen den Schwur nicht halte, dich zu besitzen. Ich lasse nicht ab von dir, schöne Zauberin – ich bin