Die Eltern hatten nach geschlossenem Frieden den zwanzigjährigen Prinzen nach der Marienburg geschickt mit der brieflich an den Hochmeister gerichteten Bitte, er möchte sich gütig des jungen Knaben annehmen, damit er unter seinen Augen ritterliche Lebensart lerne und in allen freien Künsten wohlunterrichtet werde, wie es einem Fürstensohne zieme. Sie wollten ihm dafür mit anderen guten Diensten, so viel in ihrer Macht stehe, gewärtig sein.
Plauen hatte sich dessen gefreut. Es war ein Zeichen wiedererwachenden Vertrauens in den kräftigen Fortbestand der Ordensherrschaft. Unter seinen glücklicheren Vorgängern war es häufig vorgekommen, daß die benachbarten Fürsten ihre Söhne einige Jahre nach der Marienburg wie auf die hohe Schule der Ritterschaft schickten, oder auch dort von tüchtigen Lehrern in den Elementen der Wissenschaften unterweisen ließen, und gern unterzog sich der Orden allemal solcher Mühewaltung, weil er hoffen durfte, sich die jungen Herrlein freundschaftlich zu verbinden. Nun war es Plauen überdies sehr wohl bekannt, daß die Herzöge von Masowien, deren Land zwischen Polen und Litauen lag, nördlich aber an Preußen grenzte, stets bemüht waren, sich nach beiden Seiten hin eine Art von Unabhängigkeit zu sichern, indem sie bald mit dem einen, bald mit dem andern Bündnisse schlossen und Krieg führten. Jagello war es freilich gelungen, Schwester und Schwager zu überzeugen, daß der Orden ihr Feind sei und nach einem Teile ihres Besitzes trachte. Jetzt aber erschien ihnen die Vereinigung der beiden verwandten mächtigen Nachbarn noch viel gefahrdrohender, und sie machten daher in der Stille Anstalten, wieder zum Orden in gute Beziehungen zu treten, um für den Notfall einen schützenden Rückhalt zu haben. Plauen ergriff mit Eifer die dargebotene Hand. Nichts konnte ihm in seiner jetzigen Lage erwünschter sein als ein Bündnis mit Masowien, das sich recht wie ein Keil zwischen die Gebiete seiner Todfeinde legte und unter ihnen selbst von alters her der Zankapfel war. Er nahm daher den jungen Prinzen mit aller Zuvorkommenheit auf und schickte, als ob er deshalb zu Dank verpflichtet sei, an Ziemowit und Alexandra reiche Geschenke.
Er nahm sich nun auch mit voller Sorge der Erziehung Switrigals an, der anfangs wenig Lust zeigte, seine gewohnte Lebensweise zu ändern, immer nur auf dem Pferde liegen und zur Jagd reiten oder im Flusse Fische fangen wollte, jede Unterweisung in höfischen Künsten und Fertigkeiten aber unwirsch genug zurückwies. Der Hochmeister hatte ihm den alten Wigand von Maiburg zum Lehrer gesetzt, aber selten gelang es diesem, den wilden Gesellen für eine Stunde durch seine Erzählungen von merkwürdigen geschichtlichen Begebenheiten zu fesseln, oder ihn zu vermögen, sich aus dem Wappenbuche unterrichten zu lassen. So wollte Plauen es nun auf andere Weise versuchen. Er führte ihn in der Vorburg herum, zeigte ihm die verschiedenen Werkstätten, in denen Waffen aller Art hergestellt wurden, und übergab ihn seinem Gießmeister Ambrosius, damit er ihn immer an seiner Seite habe und mehr gelegentlich über alles Wissenswerte im Waffenhandwerk belehre. Hatte doch der Prinz gerade im Gießhause größere Aufmerksamkeit für die Dinge bewiesen, die ihm neu waren, und sogar, um seine Kraft zu zeigen, mit eigenen Händen einen eisernen Amboß, den zwei Männer nur mit Anstrengung fortbewegen konnten, aufgehoben und lachend eine Strecke fortgetragen.
Gleichwohl wäre es Ambrosius schwerlich gelungen, ihn bei sich festzuhalten, wenn Switrigal nicht Gelegenheit gehabt hätte, Waltrudis zu sehen, als sie am Fenster stand und ihren Dompfaffen fütterte, der dort in einem Drahtbauer hing. Mit offenem Munde blieb er stehen und starrte unverwandt hinauf, bis das Mädchen mit dem krausen Goldhaar ihn bemerkte und sich scheu zurückzog. Wer ist das? fragte er, ganz Staunen und Verwunderung. Waltrudis, antwortete Ambrosius, des Herrn Hochmeisters nahe Verwandte. – Und sie wohnt bei dir? – Sie ist in meines Weibes Pflege, da sie doch auf dem Schlosse selbst nicht wohnen kann. – Laß uns hinaufgehen! – Morgen, Prinz, wenn Ihr im Gießhause etwas gelernt habt, vertröstete Ambrosius. Pünktlich fand sich Switrigal am andern Tage ein.
Waltrudis hatte schon erfahren, wer der sonderbare Mensch gewesen, der sie so unartig angegafft hatte, und verließ nur ungern ihr Stübchen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Er war dann, als er sie in der Nähe sah, ganz wie auf den Mund geschlagen, ließ aber die Augen nicht von ihr, so daß es ihr unheimlich zumut wurde. Seine erste Frage war, ob das wirklich Haar sei, was ihr Gesicht umglänze, und darüber mußte sie nun doch lachen. Sie bestätigte es, er aber schüttelte ungläubig den Kopf und streckte die Hand aus, um sich durch das Gefühl zu überzeugen, was sie jedoch nicht litt. Ihre Weigerung erzürnte ihn, und als sie nun einige Fragen an ihn richtete, die auf seine Heimat bezug hatten, gab er keine Antwort. Ihr seid nicht gut erzogen, Prinz, sagte die Gießmeisterin in ihrer offenen Weise, sonst wüßtet Ihr, was ein junger Herr einem Fräulein schuldet. Er wandte sich kurz um und ging nach der Tür, blieb aber stehen und kehrte wieder zurück. Verzeiht mir, bat er, ich will's lernen.
Seitdem war er nun täglich im Gießhause und mit Ambrosius in den anderen Werkstätten oder Vorratskammern, dann aber zur Belohnung für fleißiges Zuhören in seiner Wohnung bei den Frauen. Er sah einmal, daß Waltrudis aus einem Buche abschrieb, und wollte nun auch schreiben lernen, lesen konnte er ein wenig. Er bat so artig, daß sich das Mädchen herbeiließ, ihm zu zeigen, wie man die Feder halten und den Strich auf das Papier ziehen müsse. Seine Ungeschicklichkeit dabei machte ihm so viel Spaß als vorhin ihre zierliche Bewegung. Als aber der Versuch auch beim dritten und vierten Male nicht gelingen wollte, warf er die Rohrfeder unwillig fort und sprang so hastig auf, daß der Tisch ins Schwanken kam und das Schälchen mit der schwarzen Farbe umfiel, die weiß gescheuerte Platte beschmutzend. Darüber war Frau Ambrosius sehr böse und kanzelte ihn derb ab wegen seines auffahrenden Wesens. Waltrudis aber verließ, ohne ein Wort zu sagen, die Wohnstube. Als er am nächsten Tage kam und das Fräulein sich nicht zeigen wollte, wurde er ganz zahm, kniete vor der Tür nach ihrem Stübchen nieder und erklärte, nicht eher aufzustehen, bis sie ihm seine Heftigkeit verziehen habe. Nun mußte wohl Frau Ambrosius selbst für ihn eine Fürbitte einlegen.
Dem Hochmeister konnte diese Wandlung in der Sinnesweise seines Schützlings nicht entgehen. Auch erfuhr er von Ambrosius, welchen Einfluß das Fräulein auf den sonst so schwer lenksamen Herrn habe, und als er sie einmal zusammen antraf, hätte er blind sein müssen, wenn er nicht hätte merken sollen, daß des Prinzen finstere Augen ordentlich fromm wurden, wenn sie sich auf Waltrudis richteten. Das schien ihm wohl zu gefallen, denn er streichelte ihre Wange und sagte zu ihr: Da ist uns ein zottiger Bär aus den masowischen Wäldern gekommen, daß wir ihn tanzen lehren. Uns Männern zeigt er die Zähne, aber deiner kleinen weichen Hand gelingt's ohne Mühe, ihn zu binden und abzurichten, über Jahr und Tag ist er vielleicht in deiner Zucht so zahm wie ein Schoßhündlein geworden und gar nicht mehr wiederzuerkennen. Wahrlich, Kind, du kannst ein gutes Werk an ihm tun.
Das hörte Switrigal mit an und wurde feuerrot im Gesicht. Das Mädchen aber wechselte nicht die Farbe und antwortete ganz frei und offen: Ich tue gern, was ich kann. Er ist auch gar nicht so ungelenk, als er sich anfangs den Schein gab, und nimmt gute Weisung an. Ich berede ihn wohl noch, daß er zu Herrn Wigand in die Schule geht.
Laßt ihn hierherkommen, rief der Prinz, und ich höre ihm zu, solange du willst!
Dieses