Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean Jacques Rousseau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788075837929
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Glück ihrer Tochter.

      Wenn man ihren Verlust dem Kummer zuschreiben müßte, so liegt dessen Ursache entfernter, und müßte ihrem Gatten allein beigemessen werden. Lange unbeständig und flatterhaft, verschwendete er das Feuer seiner Jugend an tausend Gegenstände, die weniger werth waren zu gefallen, als seine tugendhafte Gattin, und als das Alter ihn zu ihr zurückgeführt hatte, behandelte er sie mit jener gewaltthätigen Härte, durch welche untreue Ehemänner ihre Fehler zu vergrößern pflegen. Meine arme Cousine hat darunter nicht wenig gelitten. Leerer Adelsstolz und die Schroffheit seines Charakters haben ihr Unglück und das Ihrige herbeigeführt. Die Mutter, die sich immer zu Ihnen hingezogen fühlte, und die Juliens Liebe erst bemerkte, als es zu spät war, um sie zu tilgen, trug lange im Stillen den Schmerz mit sich herum, weder die Neigung ihrer Tochter noch die Hartnäckigkeit ihres Gatten besiegen zu können, und selbst ursprünglich an einem Uebel Schuld zu sein, das sie nicht mehr heilen konnte. Als sie Ihre Briefe gefunden hatte und nun sah, wie weit Sie in dem Mißbrauche ihres Vertrauens gegangen waren, fürchtete sie Alles zu verderben, indem sie Alles zu retten wünschte, und das Leben ihrer Tochter in Gefahr zu setzen, um ihre Ehre wiederherzustellen. Sie sondirte ihren Mann mehrmals vergeblich; mehrmals war sie im Begriff, einen vollständigen Aufschluß zu wagen und ihm den ganzen Umfang seiner Pflicht zu zeigen: die Furcht vor ihm und ihr schüchternes Wesen hielten sie immer wieder zurück. Sie schob auf, solange sie sprechen konnte; als sie endlich wollte, war es zu spät; die Kräfte gebrachen ihr; sie nahm das unselige Geheimniß mit hinweg. Und ich, die ich die Gemüthsart dieses harten Mannes kenne, nicht aber weiß, wie weit die natürlichen Gefühle sie zu mäßigen vermöchten, athme auf, daß ich wenigstens Juliens Leben in Sicherheit sehe.

      Das Alles ist ihr nicht fremd; aber soll ich Ihnen sagen, was ich von ihren anscheinenden Gewissensbissen denke? Die Liebe ist sinnreicher als sie. Von dem Schmerze um ihre Mutter durchdrungen, hätte sie Sie gern vergessen, und die Liebe stört ihr Gewissen auf, um ihr Gelegenheit zu geben, an Sie zu denken. Die Liebe will, daß Juliens Thränen nicht ohne Bezug auf den geliebten Gegenstand seien. Julie wagt nicht mehr, sich mit ihm direct zu beschäftigen, die Liebe zwingt sie, es wenigstens auf dem Umwege der Reue zu thun. Die Liebe täuscht sie so künstlich, daß Julie lieber noch mehr leiden will, nur daß Sie bei ihrem Kummer betheiligt seien. Ihr Herz kann vielleicht diese Umwege des ihrigen nicht begreifen, aber sie sind nichts desto minder natürlich; denn euer beider Liebe, obwohl gleich an Stärke, ist doch nicht gleich in ihren Wirkungen: die Ihrige ist aufschäumend, heftig, die Juliens sanft und zärtlich; Ihre Gefühle machen sich mit Gewalt nach außen Luft, die ihrigen kehren sich gegen sie zurück und durchdringen das innerste Wesen ihrer Seele, das sie allmählig angreifen und verändern. Die Liebe befeuert und hebt Ihr Herz; das ihrige beklemmt und ermattet sie: alle seine Federn lassen nach, seine Kraft ist zu Nichte, sein Muth ist erloschen, seine Tugend ist dahin. Nicht vernichtet sind so viele edle Kräfte, aber gelähmt; ein kritischer Augenblick kann ihnen alle ihre Spannung wiedergeben, oder auch sie unwiederherstellbar vertilgen. Wenn sie noch einen Schritt weiter geht in der Entmuthigung, so ist sie verloren; aber wenn es dieser herrlichen Seele einen Augenblick gelingt, sich wiederzu erheben, so wird sie größer, stärker, tugendhafter sein denn je, und es wird von Rückfällen keine Rede mehr sein. Wahrlich, mein liebenswürdiger Freund, Sie müssen in diesem gefahrvollen Zustande sie, die Sie liebten, auf's Höchste schonen. Alles, was ihr von Ihnen kommt, wäre es auch nur wider Ihren Willen, kann nur tödtlich für sie sein. Wenn Sie es bei ihr durchsetzen wollen, so werden Sie leicht siegen, aber Sie werden sich sehr täuschen, wenn Sie dieselbe Julie zu besitzen meinen, Sie werden sie nicht wiederfinden.

      Achter Brief.

       Milord Eduard an Juliens Liebsten.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich hatte Rechte auf dein Herz erworben; du warst mir zum Bedürfniß geworden und ich war im Begriff, zu dir zu reisen. Was fragst du nach meinen Rechten, meinen Bedürfnissen, meinem Eifer?

      Du hast mich vergessen, du denkst nicht mehr daran, wir zu schreiben.Ich höre, wie abgeschieden und menschenscheu du lebst, ich durchschaue deine geheime Absicht. Das Leben ist dir zum Ueberdruß.

      Stirb denn, junger Tollkopf! stirb, unbändiger und doch feiger Mensch! aber wisse, daß du, sterbend, in der Seele eines rechtschaffenen Mannes, dem du theuer warst, den Schmerz zurücklässest, einem Undankbaren gedient zu haben.

      Neunter Brief.

       Antwort.

       Inhaltsverzeichnis

      Kommen Sie, Milord; ich wähnte, keine Freude mehr auf Erden schmecken zu können; aber wir werden uns ja wiedersehen. Es ist nicht wahr, daß Sie mich mit den Undankbaren vermengen; Ihr Herz ist nicht dazu gemacht, auf sie zu stoßen, noch meines, ihnen anzugehören.

      Billet.

       Von Julie.

       Inhaltsverzeichnis

      Es ist Zeit, von den Jugendverirrungen zurückzukommen, und eine trügliche Hoffnung aufzugeben: ich werde nie die Ihrige sein. Geben Sie mir die Freiheit zurück, die ich Ihnen verpfändet habe, und über die mein Vater verfügen will, oder setzen Sie meinem Unglücke die Krone auf durch eine Weigerung, die uns beide verderben wird, ohne Ihnen von irgend einem Nutzen zu sein.

      Julie von Étange.

      Zehnter Brief.

       Von dem Baron von Étange.

       Inhaltsverzeichnis

      In Begleitung des vorigen Billets.

      Wenn in der Seele eines Verführers noch ein Gefühl von Ehre und Menschlichkeit sein kann, antworten Sie auf dieses Billet einer Unglücklichen, deren Herz Sie verderbt haben und die nicht mehr sein würde, wenn ich argwöhnen dürfte, daß sie sich noch weiter vergessen hätte. Es sollte mich nicht sehr wundern, wenn dieselbe Philosophie, die ihr gelehrt hat, sich dem ersten Besten an den Hals zu werfen, ihr auch lehrte, ihrem Vater de n Gehorsam zu versagen. Indessen bedenken Sie sich wohl. Ich liebe es, bei jeder Gelegenheit den Weg der Güte und des Wohlstandes einzuschlagen, wenn ich hoffen kann damit auszureichen; aber wenn ich mich Ihnen gegenüber dazu bequeme, glauben Sie nicht, daß ich deshalb nicht wüßte, wie ein beleidigter Edelmann seine Ehre an einem Manne rächt, der das nicht ist.

      Elfter Brief.

       Antwort.

       Inhaltsverzeichnis

      Ersparen Sie sich, mein Herr, eitele Drohungen, die mich nicht schrecken, und ungerechte Vorwürfe, die mich nicht demüthigen können. Merken Sie sich, daß es zwischen zwei Personen im nämlichen Alter keinen anderen Verführer giebt als die Liebe, und daß es sich für Sie durchaus nicht schicken will, einen Mann herabzuwürdigen, den Ihre Tochter mit ihrer Achtung beehrt hat.

      Welches Opfer wagen Sie mir aufzulegen und mit welchem Rechte fordern Sie es? Soll ich dem Urheber aller meiner Leiden meine letzte Hoffnung opfern? Ich will den Vater Juliens achten, aber möge er einwilligen, der meinige zu sein, wenn ich ihm soll gehorchen lernen. Nein, mein Herr, nein! welche Meinung Sie auch von Ihrer Handlungsweise haben, sie verpflichtet mich nicht, Ihretwegen am Rechte zu verzichten, die mir so theuer und von meinem Herzen so wohl erworben sind. Sie sind es, der mich unglücklich macht. Ich bin Ihnen nichts schuldig als Haß, und Sie haben nichts von mir zu fordern. Julie hat gesprochen: hier ist meine Einwilligung, Ach! möge sie immer nur Gehorsam finden! Ein Anderer wird sie besitzen; aber ich werde ihrer würdiger sein.

      Wenn