Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659868
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als Herr, wir sollen ihn besitzen als unser Heil, wir sollen ihn besitzen als unser Licht. Was also hat er denen gegeben, die ihn aufnahmen? „Er gab ihnen die Macht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben“, damit sie am Holze (des Kreuzes) sich festhalten und das Meer überschreiten.

       14.

      Und wie werden sie geboren? Geboren werden sie zweifellos, weil sie Kinder Gottes und Brüder Christi werden. Denn wenn sie nicht geboren werden, wie können sie Kinder sein? Aber die Menschenkinder werden aus Fleisch und Blut und aus dem Willen des Mannes und aus ehelicher Umarmung geboren. Wie aber werden jene ihm geboren? „Nicht aus dem Geblüte“ (ex sanguinibus) des Mannes und Weibes. Sanguina52 ist nicht lateinisch, allein weil im Griechischen der Plural steht, so wollte es der Übersetzer lieber so ausdrücken und gleichsam weniger lateinisch reden nach den Grammatikern, und doch den wahren Sachverhalt erklären nach dem Gehöre der Schwachen. Würde er nämlich „Blut“ in der Einzahl sagen, so würde er nicht erklären, was er wollte; denn die Menschen werden aus dem Geblüte (ex sanguinibus) des Mannes und Weibes geboren. So wollen wir also sagen: fürchten wir nicht die Rute der Grammatiker, wenn wir nur zur festen und sicheren Wahrheit gelangen. Der tadelt, der es versteht, undankbar dafür, daß er es verstanden hat53. „Nicht aus dem Geblüte, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes.“ Fleisch hat er für Weib gesetzt, weil es aus einer Rippe gemacht worden war; Adam sprach: „Das ist nun Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleische“54; und der Apostel sagt: „Wer sein Weib liebt, liebt sich selbst; denn niemand haßt ja sein Fleisch“55. Es steht also Fleisch für Gattin, wie manchmal auch Geist für Gatte. Warum? Weil dieser regiert, jene regiert wird, dieser herrschen, jene dienen soll. Denn wo das Fleisch herrscht und der Geist dient, ist das Haus verkehrt. Was ist schlechter als ein Haus, wo das Weib die Herrschaft über den Mann hat? Recht aber ist das Haus, wo der Mann befiehlt, das Weib gehorcht. Recht also ist der Mensch, wo der Geist herrscht, das Fleisch dient.

       15.

      Diese also „sind nicht aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren“. Damit aber die Menschen aus Gott geboren würden, ist zuerst Gott aus ihnen geboren, denn Christus ist Gott, und Christus ist aus den Menschen geboren. Er begehrte wenigstens eine Mutter auf Erden, weil er einen Vater bereits im Himmel hatte; geboren aus Gott ist der, durch den wir geschaffen werden sollten; geboren aus dem Weibe ist der, durch den wir neugeschaffen werden sollten. Wundere dich also nicht, o Mensch, daß du ein Kind (Gottes) wirst durch die Gnade, daß du aus Gott geboren wirst nach seinem Worte. Zuerst wollte das Wort selbst vom Menschen geboren werden, damit du sicher aus Gott geboren würdest und dir sagtest: Nicht ohne Grund wollte Gott vom Menschen geboren werden, und zwar aus keinem anderen als weil er mich einigermaßen für wert hielt, mich unsterblich zu machen und für mich sterblich geboren zu werden. Darum hat er, gleichsam damit wir uns nicht wunderten und entsetzten ob einer so großen Gnade, so daß es uns unglaublich erschiene, daß Menschen aus Gott geboren sind, den Worten: „sie sind aus Gott geboren“, gewissermaßen dich sicher machend, noch beigefügt: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Was wunderst du dich also, daß Menschen aus Gott geboren werden? Schau hin auf den von Menschen geborenen Gott: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“.

       16.

      Weil aber „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“, hat er uns durch diese seine Geburt eine Salbe bereitet, damit die Augen unseres Herzens gereinigt würden und wir seine Hoheit sehen könnten durch seine Erniedrigung. Deshalb „ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“; es hat unsere Augen geheilt. Was folgt? „Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“ Seine Herrlichkeit könnte niemand sehen, wenn er nicht durch die Niedrigkeit des Fleisches geheilt würde. Warum konnten wir sie nicht sehen? Eure Liebe merke also auf, habet acht auf das, was ich sage. Dem Menschen war gleichsam Staub ins Auge gefallen, es war Erde eingedrungen und hatte das Auge verwundet, er konnte das Licht nicht sehen; das kranke Auge wird mit Salbe bestrichen; durch Erde war es verwundet und Erde wird darangelegt, damit es heilt. Denn alle Salben und Arzneimittel sind nur von der Erde. Vom Staube bist du blind geworden, vom Staube wirst du geheilt; also Fleisch hatte dich blind gemacht, Fleisch heilt dich. Fleischlich war nämlich die Seele geworden, indem sie fleischlichen Begierden zustimmte; deshalb war das Auge des Herzens blind geworden. „Das Wort ist Fleisch geworden“; jener Arzt hat dir eine Salbe bereitet. Und weil das Wort so kam, daß es durch das Fleisch die Schäden des Fleisches tilgte und durch den Tod den Tod vernichtete, darum ist an dir geschehen, daß, weil „das Wort Fleisch geworden ist“, du sagen kannst: „Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen“. Was für eine Herrlichkeit? Etwa wie er als Menschensohn geworden ist? Allein dies ist seine Erniedrigung, nicht seine Herrlichkeit. Vielmehr das, wohin das durch das Fleisch geheilte Auge des Menschen geführt wurde56. „Wir haben“, sagt er, „seine Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit“. Von der Gnade und Wahrheit werden wir, wenn der Herr uns Gelegenheit zu geben uns würdigt, ausführlicher an einer anderen Stelle im Evangelium handeln. Dies möge für jetzt genügen; erbauet euch in Christus, erstarket im Glauben, seid wachsam in guten Werken und weichet nicht vom Holze (Kreuze), wodurch ihr das Meer überschreiten könnet.

      3. Vortrag.

       Einleitung.

      Dritter Vortrag.

      Von da an, wo es heißt: „Johannes gibt Zeugnis von ihm“ usw. bis dahin: „Der eingeborene Sohn, der im Schoße des Vaters ist, der hat (ihn) verkündigt“. Joh. 1, 15―18.

       1.

      Die Gnade und Wahrheit, mit welcher erfüllt der eingeborene Sohn, unser Herr und Heiland Jesus Christus, den Heiligen erschien, von jener des Alten Testamentes zu unterscheiden, weil sie eine Sache des Neuen Testamentes ist, haben wir im Namen des Herrn unternommen und eurer Liebe versprochen. Seid also aufmerksam zugegen, damit, so viel ich fassen kann, Gott gebe, und ihr, so viel ihr zu fassen vermöget, höret. Es wird dann nur noch übrig sein, daß, wenn den in eure Herzen ausgestreuten Samen die Vögel nicht wegnehmen, noch die Dornen ersticken, noch die Hitze verbrennt, indem der Regen der täglichen Ermahnungen hinzukommt sowie eure guten Gedanken, wodurch das im Herzen geschieht, was auf dem Acker durch den Karst geschieht, daß nämlich die Erdscholle gebrochen und der Same zugedeckt wird und sprossen kann, ― (übrig wird sein), daß ihr Frucht bringet, an der der Ackersmann Freude und Vergnügen hat. Wenn wir aber trotz des guten Samens und des guten Regens keine Frucht, sondern Dornen hervorbringen, so wird man weder den Samen anklagen noch dem Regen eine Schuld beimessen können, sondern den Dornen wird das gebührende Feuer bereitet.

       2.

      Wir sind Menschen, und zwar Christen. Das glaube ich eurer Liebe nicht erst lange nachweisen zu müssen, und wenn wir Christen sind, dann gehören wir schon durch den Namen zu Christus. Sein Zeichen tragen wir an der Stirne, und wir werden uns dessen nicht schämen, wenn wir es auch im Herzen tragen. Sein Zeichen ist seine Erniedrigung. Durch einen Stern haben ihn die Weisen erkannt57, und es war dieses vom Herrn gegebene Zeichen himmlisch und glänzend; er wollte nicht, daß ein Stern auf der Stirne der Gläubigen sein Zeichen sei, sondern sein Kreuz (sollte es sein). Wo seine Erniedrigung hervortrat, da nahm seine Verherrlichung ihren Anfang; dort richtete er die Niedrigen empor, wohin er erniedrigt selbst hinabstieg. Wir gehören also zum Evangelium, wir gehören zum Neuen Bunde. „Das Gesetz ist uns durch Moses gegeben worden, Gnade und Wahrheit aber ist uns durch Christus geworden.“ Fragen wir den Apostel, und er sagt uns, daß wir nicht unter dem Gesetze sind, sondern unter der Gnade58. „Er sandte also seinen Sohn, geboren von einem Weibe, untergeben dem Gesetze, um die, welche unter dem Gesetze waren, zu erlösen, damit wir an Kindes Statt angenommen würden“59. Sehet also, dazu kam Christus, um die, welche unter dem Gesetze waren, zu erlösen, damit wir nicht mehr unter dem Gesetze wären, sondern unter