Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 1. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659868
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darum bedarf er hier der Erleuchtung, weil er von dort sich entfernt hat, wo der Mensch immer erleuchtet sein konnte.

       8.

      Wie also? Wenn er hierher kam, wo war er? „Er war in dieser Welt“. Er war hier und kam hierher; er war hier der Gottheit nach, er kam hierher dem Fleische nach; denn da er hier war der Gottheit nach, konnte er von den Toren, Blinden und Ungerechten nicht gesehen werden. Die Ungerechten eben sind die Finsternis, von der es heißt: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt“40. Siehe, er ist auch jetzt hier und er war hier und ist immer hier; er ging nie weg und ging nirgends weg. Du hast eine Hilfe nötig, damit du siehest, was nie von dir weggegangen ist; du sollst dich nicht entfernen von dem, der sich nie entfernt; du sollst ihn nicht verlassen, und du wirst nicht verlassen werden. Falle nicht, und er wird dir nicht unsichtbar werden. Wenn du fällst, wird er dir entfallen41; wenn du aber stehst, ist er dir gegenwärtig. Aber du bist nicht festgestanden; erinnere dich, von wo du herabgefallen bist, von wo dich der herabgestürzt hat, der vor dir gefallen ist. Er hat dich nämlich herabgestürzt, nicht mit Gewalt, nicht durch einen Stoß, sondern durch deinen Willen. Denn hättest du dem Bösen nicht zugestimmt, so würdest du stehen, würdest erleuchtet bleiben. Nun aber, weil du bereits gefallen und krank geworden bist am Herzen, mit dem jenes Licht gesehen werden kann, kam er so zu dir, daß du ihn sehen konntest, und erwies sich als einen solchen Menschen, daß er von einem Menschen ein Zeugnis begehrte. Von einem Menschen begehrt Gott ein Zeugnis, und Gott hat zum Zeugen einen Menschen; Gott hat zum Zeugen einen Menschen, aber um des Menschen willen; so schwach sind wir. Mit einer Leuchte suchen wir den Tag, denn eine Leuchte ist Johannes genannt worden, indem der Herr sagt: „Er war eine brennende, Licht gebende Leuchte, und ihr wolltet auf eine Stunde frohlocken in seinem Lichte; ich aber habe ein größeres Zeugnis als das des Johannes“42.

       9.

      Also gab er zu verstehen, daß er wegen der Menschen durch die Leuchte gezeigt werden wollte zum Glauben der Gläubigen, damit durch eben diese Leuchte seine Feinde beschämt würden. Denn Feinde waren jene, die ihn versuchten und sagten: „Sag uns, in welcher Macht tust du dies?“ Er sprach: „Ich will euch auch eine Frage vorlegen. Saget mir: Woher ist die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von Menschen“. Und sie wurden verwirrt und sprachen bei sich: Wenn wir sagen: Vom Himmel, so wird er uns sagen: Warum also habt ihr ihm nicht geglaubt? [Denn er hatte für Christus Zeugnis gegeben und gesagt: „Ich bin nicht Christus, sondern jener“]. Wenn wir aber sagen: Von Menschen, so haben wir das Volk zu fürchten, es möchte uns steinigen; denn sie hielten Johannes für einen Propheten“. Die Steinigung fürchtend, noch mehr aber das Bekenntnis der Wahrheit fürchtend, setzten sie der Wahrheit eine Lüge entgegen, „und die Bosheit hat wider sich selbst gelogen“43. Sie sagten nämlich: „Wir wissen es nicht“. Und weil sie sich selbst verschlossen, indem sie zu wissen leugneten, was sie doch wußten, machte auch der Herr ihnen nicht auf; denn sie klopften nicht an. Es heißt nämlich: „Klopfet an, und es wird euch aufgetan werden“44. Nicht aber daß sie bloß nicht anklopften, damit ihnen aufgemacht würde, sie versperrten sich durch ihre Leugnung die Türe selbst. Und der Herr spricht zu ihnen: „Auch ich sage euch nicht, in welcher Macht ich dies tue“45. Und sie werden beschämt durch Johannes, und es erfüllte sich an ihnen das Wort: „Ich habe meinem Christus eine Leuchte bereitet; seine Feinde will ich mit Schande bedecken“46.

       10.

      „Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden“. Glaube nicht, daß er so in der Welt war, wie die Erde in der Welt ist, der Himmel in der Welt ist, Sonne, Mond und Sterne in der Welt sind, Bäume, Tiere und Menschen in der Welt sind. Nicht so war er in der Welt. Aber wie war er denn darin? Wie ein Künstler, der beherrscht, was er gemacht hat. Denn nicht so hat er gewirkt wie ein Zimmermann arbeitet. Denn außerhalb ist der Kasten, den er macht; er steht an einem andern Orte, wenn er verfertigt wird; und obwohl er in der Nähe ist, der Werkmeister selbst befindet sich doch an einem andern Orte und steht nur äußerlich dem gegenüber, was er verfertigt; Gott baut die Welt einwohnend, baut als einer, der überall zugegen ist und begibt sich nicht erst irgendwohin; nicht gewissermaßen von außen her behandelt er den Stoff, den er verarbeitet. Durch die Gegenwart seiner Majestät macht er, was er vollbringt; durch seine Gegenwart leitet er, was er vollbracht hat. So also war er in der Welt, wie der, durch den die Welt geworden ist. Denn „durch ihn ist die Welt geworden, und die Welt hat ihn nicht erkannt“.

       11.

      Was heißt dies: „Die Welt ist durch ihn geworden“? Der Himmel, die Erde, das Meer und alles, was in ihnen ist, wird Welt genannt. Nach einer anderen Bedeutung hinwieder werden Welt die Liebhaber der Welt genannt. „Die Welt ist durch ihn geworden, und die Welt hat ihn nicht erkannt.“ Haben denn die Himmel ihren Schöpfer nicht erkannt, oder haben die Sterne ihren Schöpfer nicht erkannt, den sogar die Dämonen bekennen? Alles allüberall hat Zeugnis für ihn abgelegt. Aber welche haben ihn nicht erkannt? Diejenigen, welche wegen ihrer Liebe zur Welt „Welt“ genannt wurden. Denn durch Liebe wohnen wir mit dem Herzen; durch ihre Liebe (zur Welt) verdienten sie genannt zu werden wie das, wo sie wohnten. Wie wir sagen: Jenes Haus ist schlecht, oder: Jenes Haus ist gut, aber nicht bei dem, das wir schlecht nennen, die Wände anklagen, oder bei dem, welches wir gut nennen, die Wände loben, sondern unter dem schlechten Hause die schlechten Bewohner und unter dem guten Hause die guten Bewohner verstehen, so auch unter „Welt“ jene, welche wegen ihrer Liebe zur Welt darin wohnen. Wer sind diese? Jene, welche die Welt lieben; denn sie wohnen mit dem Herzen in der Welt. Denn jene, welche die Welt nicht lieben, weilen nur dem Fleische nach in der Welt, aber mit dem Herzen wohnen sie im Himmel, wie der Apostel sagt: „Unser Wandel aber ist im Himmel“47. Also „die Welt ist durch ihn geworden, und die Welt hat ihn nicht erkannt“.

       12.

      „Er kam in sein Eigentum“: weil dies alles durch ihn geworden ist. „Und die Seinigen nahmen ihn nicht auf“. Wer sind die Seinigen? Die Menschen, die er gemacht hat. Die Juden, die er zuerst gemacht hat, damit sie über allen Völkern seien. Denn die anderen Völker beteten Götzenbilder an und dienten den Dämonen; jenes Volk aber war aus dem Samen Abrahams geboren; sie waren vorzugsweise die Seinigen, weil auch dem Fleische nach, das er anzunehmen sich würdigte, ihm verwandt. „Er kam in sein Eigentum und die Seinigen nahmen ihn nicht auf“. Nahmen sie ihn überhaupt nicht auf, nahm ihn keiner auf? Ist also keiner selig geworden? Denn niemand wird selig werden, außer wer Christus bei seiner Ankunft aufgenommen hat.

       13.

      Allein er fügte hinzu: „Alle aber, die ihn aufnahmen“. Was verlieh er ihnen? Großes Wohlwollen! Große Barmherzigkeit! Er ist als der einzige geboren, und wollte nicht einer bleiben. Viele Menschen nehmen, wenn sie keine Kinder haben, bei vorangeschrittenem Alter andere an Kindes Statt an und tun mit ihrem Willen, was sie vermöge ihrer Natur nicht vermochten: so machen es die Menschen. Wenn aber jemand einen einzigen Sohn hat, so hat er um so mehr Freude an ihm, weil er einmal alles allein besitzen wird und niemand hat, der mit ihm die Erbschaft teile, so daß er ärmer wird. Nicht so Gott: gerade diesen Einzigen, den er gezeugt und durch den er alles erschaffen hatte, sandte er in die Welt, damit er nicht allein wäre, sondern an Kindes Statt angenommene Brüder hätte. Denn wir sind nicht von Gott geboren wie jener Eingeborene, sondern durch seine Gnade an Kindes Statt angenommen worden. Jener Eingeborene kam nämlich, um die Sünden zu lösen, in die wir verstrickt waren, so daß er uns wegen dieses Hindernisses nicht als Kinder annehmen konnte; die er sich zu Brüdern machen wollte, löste er selbst und machte sie zu Miterben. Denn so spricht der Apostel: „Wenn aber Sohn, dann auch Erbe durch Gott“48, und wiederum: „Erben Gottes und Miterben Christi“49. Er trug kein Bedenken, Miterben zu haben, weil sein Erbe nicht klein wird, wenn es viele in Besitz genommen haben. Sie selbst ja werden, wenn er sie besitzt, sein Erbe, und er hinwieder wird ihr Erbe. Höre, wie sie sein Erbe werden: „Der Herr sprach zu mir: Mein Sohn bist du; ich habe dich heute gezeugt. Fordere von mir, und ich will dir die Völker zu deinem Erbe geben“50. Und wie