Die Tesla-Methode. Michael Valentin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Valentin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783864707155
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Das Unternehmen zählt inzwischen vier der größten Motorenhersteller des globalen Luftfahrtsektors zu seinen Kunden – und ihre wichtigsten Partner. Der Jahresumsatz beträgt heute mehr als 18 Millionen Euro. Dennoch ist die Unternehmenskultur nach wie vor von den schweren Anfangsjahren geprägt. Harte Arbeit und eine Bereitschaft, sich Herausforderungen zu stellen, sind weiterhin Grundwerte seiner Teams.

       Ein gezielter Fokus von Anfang an: Durch Andersdenken Wachstum und mehr Wettbewerbsfähigkeit herbeiführen

      Wer neu in einem so anspruchsvollen Sektor wie der Luftfahrtindustrie anfängt, muss noch schneller Lösungen finden als andere Akteure, die bereits fest im Sattel sitzen. Per definitionem beginnt jedes Unternehmen zunächst als Start-up, was bedeutet, dass noch nichts erledigt und getan ist. Für Damien stand der Gedanke im Vordergrund, dass „Exzellenz unsere einzige Option war“. Diese Einstellung hat ihm großen Erfolg beschert. Sein Unternehmen läuft fast allen Rivalen den Rang ab.

      Bei JPB Systems liegt die Service Rate nun schon seit mehreren Jahren bei 100 Prozent. Das Unternehmen hat etliche Auszeichnungen erhalten und gilt heute allgemein als „Leuchtturm“ für den Luftfahrtsektor. Hätte es ausgetretene Pfade beschritten, wären diese fantastischen Ergebnisse allerdings nicht eingetreten. Die großen Fehler, die Damien nach der Übernahme des Unternehmens vermeiden musste, waren Selbstgefälligkeit und Arroganz. Stattdessen beschloss er, „immer weit vorauszublicken … Dinge voranzubringen und an allen Fronten zu kämpfen.“ Kurz, die Voraussetzungen für den Erfolg sind Wagemut und Tatkraft – wenngleich das allein nicht ausreicht.

      Spricht man mit Damien über die Faktoren, die der Dynamik seines Unternehmens zugrunde liegen, springt als Erstes der Chef persönlich ins Auge – ein Visionär, der es versteht, in jeder Lebenslage bescheiden und ergebnisorientiert zu bleiben. „Mir blieb am Anfang gar nichts anderes übrig, als mich als Beobachter des Systems aufzustellen. Ich kam aus der Welt der Elektronik. Von Mechanik hatte ich keine Ahnung.“ Anders formuliert: Damiens erster Schritt war die Anpassung an eine neue Situation. Er lernte schnell, und vielleicht fühlte er sich, gerade weil er fachfremd war, in der Lage, bestimmte Risiken einzugehen, die andere scheuten. Ein Beispiel war seine Entscheidung, von Grund auf eine vollständig automatisierte Fertigungsstraße zu entwickeln, sobald das Unternehmen im Aufwärtstrend war. Dabei verfolgte er insofern ein hehres Ziel, als er keine Betriebsteile nach Polen auslagern wollte. Alle anderen fanden, er sei verrückt, so ein Risiko einzugehen. Doch er hatte damit großen Erfolg. Natürlich lief nicht auf Anhieb alles rund, und es dauerte eine Weile, bis bestimmte Zuverlässigkeitsprobleme behoben waren. Doch Damien war hartnäckig und konnte dadurch die Stellung halten, auch wenn es hart auf hart kam. Er war seinen Teams ein gutes Vorbild, weil er die Einstellung verkörperte, „nicht dem Zweifel zu erliegen, sondern Vertrauen in unser Handeln zu haben.“

      Neben diesen ein wenig verrückten Risiken wurzelte die Dynamik von JPB auch in der Fähigkeit zu kontinuierlicher Beschleunigung. Seit es seinen Modus Operandi infrage gestellt hat, wächst das Unternehmen immer weiter. Diese Fähigkeit zur raschen Ausführung schlägt sich vor allem darin nieder, wie schnell seine Systeme Entscheidungen treffen können, was vor allem auf dem Vertrauen beruht, das die Geschäftsleitung den Teams entgegenbringt, sowie auf der ihnen gewährten Autonomie. „Sobald ich eine Angelegenheit durchschaue, zögere ich nicht. Gewöhnlich treffe ich sofort eine Entscheidung – zumindest aber noch am selben Tag.“

       Nur durch eine Start-up-Mentalität können kleine Unternehmen in einer von Giganten dominierten Welt überleben

      Für den Chef eines KMU ist es nicht so einfach, zu einem neuen Elon Musk zu werden. Besonders groß ist die Herausforderung für Unternehmen mit nur einem Geschäftsfeld und wenigen Mitarbeitern – wenn auch nur, weil es so schwierig ist, die nötigen Kompetenzen zu erwerben und zu entwickeln. In seinen Anfangsjahren hatte sich JPB vor allem auf technische Studien fokussiert. Das Produkt, das Jean-Pierre entwickelt hatte, war eine absolut disruptive Neuerung. Ganz zu schweigen davon, dass das Unternehmen damals winzig klein und stark von seinen Teilezulieferern abhängig war (und von seinem einen Kunden). Der Schlüssel zur weiteren Entwicklung waren daher eine stärker vertikale Integration sowie eine viel engere Anbindung an das übrige Ökosystem.

      Zu diesem Zweck bediente sich Damien einer ganz typischen Start-up-Strategie. Er setzte sich so gründlich mit den Bedürfnissen der Kunden auseinander, dass er nicht mit Zwischenhändlern (und auch nicht mit großen Konkurrenten) arbeiten musste. Er ging rasch auf direkte Kontakte zu den Endnutzern der Produkte über, nämlich den Verfahrenstechnikern. Ihr wichtigstes Ziel in der Designphase ist es, ihren internen Entscheidern so schnell wie möglich Prototypen zu präsentieren. Damien und seine Teams kamen auf eine fantastische Lösung. Sie investierten in Technik im Entwicklungsstadium (Metallbearbeitungsmaschinen, Öfen, Prüfstände), die eingesetzt werden konnte, um neue Teile in unter einer Woche zu entwickeln und zu testen. Das war eine Revolution im Luftfahrtsektor, was JPB bald bei einer Reihe von Ausschreibungen den Zuschlag sicherte.

      Es gab aber auch Anlass für neue Sorgen, weil das Unternehmen zu klein war und dadurch das Größenkriterium nicht erfüllte, das potenzielle Käufer für ihre Zulieferer vorgaben. Daraufhin wandte sich Damien an lokale Mitbewerber und tat sich mit ihnen zusammen, um eine Größe zu erreichen, die von großen englischen oder US-amerikanischen Kunden als ausreichend erachtet wurde.

      Neben diesen rein psychologischen Fragen bestand da aber auch noch die grundsätzliche Notwendigkeit, dass die Leistung stimmen musste. Sind kleine Unternehmen von großen Konkurrenten umgeben, kämpfen sie manchmal ums nackte Überleben. Damien merkte schnell: Er würde die verschiedenen Facetten seiner Fertigungsfunktion integrieren müssen, wenn er eine Chance haben wollte, die üblichen Lieferfristen in der Luftfahrtlieferkette einzuhalten. Das spielte angesichts seines persönlichen Ehrgeizes eine besondere Rolle, denn dieser schloss von vornherein aus, dass sich JPB bei der Arbeit an einem eher mittelmäßigen Servicestandard orientierte. Am Ende stand eine strategische Entscheidung, die Produktion nach und nach ins eigene Unternehmen zurückzuholen. Dabei entschied sich Damien auffallend oft für die Automatisierung möglichst vieler Prozesse, um weiterhin in Frankreich investieren zu können. Das wiederum wirkte sich auf die hausinternen Designabläufe aus, aber auch – worin sich seine Bereitschaft zu disruptiver Innovation niederschlug – auf das maßgeschneiderte Informationssystem, das sich die Teams von JPB ausgedacht hatten. Damien schaute sich auch auf dem ERP-Markt um, doch keines der dort angebotenen Produkte konnte ihn wirklich zufriedenstellen – er fand sie zu vorsintflutlich und nicht reaktionsschnell oder benutzerfreundlich genug. Wieder meisterte er die Herausforderung, indem er „mit Input von zwei jungen Absolventen“ ein eigenes Produktionsausführungssystem (Manufacturing Execution System, kurz MES) aufbaute. Damit hielt er sich an die grundlegende Philosophie von JPB, die besagte: Lief etwas zu langsam, ließ es sich stets dadurch beschleunigen, dass Aufgaben ins eigene Unternehmen zurückgeholt und dessen hochmotivierte Teams darauf angesetzt wurden.

      Heute ist das Unternehmen weit größer, doch Damien gestattet sich noch immer nicht, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Er vernetzt sich nach wie vor mit größeren Netzwerken, nutzt dafür heute aber andere Kanäle. Dazu gehören Beziehungen zu Hochschulen, Beiträge zum Gründungszentrum von Bpifrance und die Zusammenarbeit mit den Medien, um dem Unternehmen zu mehr Bekanntheit zu verhelfen und es für potenzielle fähige Neuzugänge attraktiv zu machen. Derartige Vernetzungen bilden irgendwie nach wie vor den Schlüsselfaktor für den Erfolg – vor allem bei kleinen Unternehmen, die gegen übermächtige Rivalen antreten.

       Das Team vergrößern: Menschen sind wichtiger als Kompetenzen

      „Das Allerschwierigste an diesem ganzen Unterfangen war zweifellos das Personalmanagement.“ Mit Blick auf all die Probleme, die er lösen musste, schlägt Damien mitunter sehr ernste Töne an. „Das Personalmanagement ist eindeutig ein wesentlicher Faktor für unseren Erfolg.“ Das war ihm aber nicht von Anfang an klar, und noch viel weniger, wie komplex dieses ganze Ressort werden würde – vor allem, wenn es schlechte Nachrichten zu übermitteln gab. „Am schwersten ist meiner Erfahrung nach, sich von jemandem zu trennen. Doch wenn es nötig ist, muss man den Mut dazu einfach aufbringen. Das ist gewöhnlich für beide Seiten viel besser.“ Einzuräumen, dass Fehler