Entscheidend sind also Vertrauen und auch unternehmerische Freiheit. Damien findet es stets amüsant, dass das Unternehmen so gut – vielleicht sogar besser – läuft, wenn er nicht da ist. „Es ist großartig, wenn mir ein Mitarbeiter den letzten Prototyp vorführt, sobald er aus dem Labor kommt. Die Leute sind ganz offensichtlich stolz auf ihre Arbeit – und wissen Sie was? Ich auch.“
Natürlich war es am Anfang nicht so einfach, fähigen Nachwuchs anzuwerben. Für manche Neuzugänge war der Wechsel zu JPB erst einmal mit Gehaltseinbußen verbunden. Mit der Zeit begeisterten sich aber viele für dieses außergewöhnliche Abenteuer – und die erste Kohorte neu angeworbener Beschäftigter übernahm letztlich eine Schlüsselrolle als Wegbereiter. Damien war mit seiner inspirierten Vision mit gutem Beispiel vorangegangen, aber das Umfeld im Unternehmen war dennoch stets durch strenge Vorgaben geprägt. „Manchmal forderte ich Maschinenlieferanten sogar auf, Teile noch einmal zu streichen, obwohl sie kaum sichtbar waren. Ich bin da knallhart, aber meine Überzeugung ist nun einmal, dass eine Fabrik ebenso sauber und ästhetisch ansprechend zu sein hat wie ein Labor.“ Kurz, Damien stellt an alles, was JPB tut, extrem hohe Ansprüche. Von Anfang an stellte er die Dinge infrage durch seine Entscheidung, Atome (also Maschinenbau) mit Bytes (Elektronik) zu kombinieren – eine Paarung, die bald zur Kernkompetenz des Unternehmens werden sollte. Diese Bereitschaft zur Revolutionierung der Unternehmenskultur zeigt sich auch in seinem Geschäftsgebaren, seinem Ansatz zur Lösung potenzieller Entwicklungs- und Produktionsprobleme und nicht zuletzt auch darin, wie er bei JPB Personal einstellt und entwickelt.
Alles in allem ist JPB Systems ein hervorragendes Beispiel für die Kreuzung der Digitalisierung mit der traditionellen Industrie. Generell gibt es jedoch eine ganze Reihe von Unternehmen, die wie Damien – ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein – in ihren Betrieben Transformationen à la Tesla vorangetrieben haben. Die folgenden Kapitel vermitteln ein genaueres Bild davon, wie sich die Tesla-Methode am besten beschreiben lässt. Dabei werden die zuvor angesprochenen sieben Dimensionen herangezogen.
„ERST 110 PROZENT GEBEN – UND DANN AUFS GAS TRETEN“: SODISTRA, DIE TESLA-METHODE IN REINKULTUR
Engpässe in Chancen verwandeln: Ein inspirierender Chef, der bewusst Zuversicht ausstrahlt
Château-Gontier im französischen Département Mayenne inmitten dreier dynamischer sektoraler Unternehmenszusammenschlüsse ist ein untypischer Ort – eine sehenswerte historische Kleinstadt mit einer ungewöhnlich hohen Unternehmerkonzentration. Hier investierte Erwan Coatanea vor fünf Jahren, als er ein Unternehmen übernahm, das innovative Luftaufbereitungsanlagen herstellte.
Erwan begleitete mich auf meinem Besuch der Anlage, die er im September 2013 erworben hatte – an einem Standort am Rande der Innenstadt. Die Fabrik ist in einer Ansammlung relativ moderner Gebäude auf den ersten Blick schwer zu erkennen. Der Grund dafür: Die hier errichteten Industrieparks sollen die umliegende natürliche Landschaft nicht verschandeln. Die Unternehmen bemühen sich sichtlich darum, dass die ganze Gegend sauber und ansprechend wirkt. Erwan wird ganz ernst, als er mir von den Anfängen erzählt: „Es war erst ungefähr vier Monate her, dass ich Sodistra gekauft hatte. Meine Frau und ich waren damit ohnehin ein großes Risiko eingegangen, doch dann kam die Gewerbeaufsicht und erklärte uns, dass an diesem Standort nichts den Anforderungen entsprach.“ Mit solchen Dingen hatte Erwan schon Erfahrung. Als er in die Autoindustrie einstieg, fiel sein Potenzial schnell auf, was darin gipfelte, dass ihm die Verantwortung für über 1.000 Beschäftigte übertragen wurde. Die Arbeit in einem großen Unternehmen sagte ihm aber nicht zu – er fühlte sich zu stark reglementiert. Daher entschloss er sich, seinen Posten aufzugeben und ein KMU aus der Aluminiumbranche zu übernehmen. Nach diesen beiden aufschlussreichen Erfahrungen fühlte er sich für Größeres gerüstet. Aus diesem Grund war das negative Prüfungsergebnis seines neuen Betriebs so kurz nach der Übernahme auch ein solcher Schock. Für Compliance-Zwecke waren gewaltige Investitionen in Höhe von mehreren Millionen Euro erforderlich.
Doch Erwan verkraftete die schlechten Nachrichten und löste seine Probleme. Der geborene Optimist sah in dem neuen Zwang eine Chance. Nachdem er gründlich über die Angelegenheit nachgedacht hatte, beschloss er, ganz einfach einen Neubau zu errichten. Das brachte erhebliche Risiken mit sich – und Kosten in Höhe von acht Millionen Euro, Maschinen eingeschlossen. Bei solchen Summen dachten am Anfang alle, er würde scheitern. Doch kaum fünf Jahre später hatte sich der Umsatz von Sodistra beinahe verdoppelt (von fünf Millionen Euro im Jahr 2013 auf neun Millionen Euro 2018). Die plausibelste Erklärung dafür: Erwan investierte nicht nur in sein Unternehmen, sondern revolutionierte es, indem er sein eigenes Transformationsprogramm unter der Devise „das Gestern, das Heute und das Morgen meistern“ lancierte.
Hinter diesem Slogan verbarg sich eine Fülle technischer und betriebswirtschaftlicher Veränderungen, angefangen bei einer spürbaren Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Darin schlug sich Erwans Vorstellung nieder, dass es Menschen sind, die das Herzstück jedes Systems bilden – ein Modus Operandi, der davon ausgeht, dass sich Führungskräfte und Belegschaft respektieren.
Ausführungsgeschwindigkeit – eine entscheidende Priorität für KMU
Nach einer Rundfahrt im Auto setzte mich Erwan schließlich auf dem Parkplatz der neuen Anlage ab. Dort herrschte eine magische Hightech-Atmosphäre, zu der ein ultramodernes Gebäude, ein gepflegter Rasen und eine ganz von Glas umschlossene Lobby beitrugen. Drinnen erwartete mich jedoch ein heftiger Kulturschock – aus ländlicher französischer Idylle wurde ich sozusagen in ein kalifornisches Start-up katapultiert. Im zentralen Großraumbüro saßen junge Ingenieure fröhlich Seite an Seite mit erfahreneren Kollegen. Die hohe Energie, die hier herrscht, ist förmlich greifbar. Alles hier erinnert eher an einen Bienenstock als an ein Büro in einem Industriepark. Gesprächen mit mehreren Teammitgliedern entnahm ich, dass diese Dynamik ganz allein auf den Chef zurückgeht. Wie mir jemand scherzhaft zuflüsterte: „Manchmal macht er uns fertig mit seinen 40 neuen Ideen am Tag.“ Doch im Ernst: Die Ausführungsgeschwindigkeit war bei Sodistra von Anfang an ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Schon beim Betreten des Produktionsbereichs merkte man, dass alles darauf ausgerichtet war, die Abläufe zu beschleunigen: kräftige Upstream-Investitionen, um so schnell wie möglich vom 3D-Plan zur physischen Anlage zu kommen, verbreitete Automation, integrierte Software, um Schneidemaschinen zu optimieren und inaktive interoperationelle Bestände zu minimieren, visuelles Projektmanagement et cetera. Schließlich waren Latenzzeiten beim Gewinnen von Marktanteilen und Wettbewerbsfähigkeit ein entscheidender Aspekt. Erwan machte immer wieder klar: Oberste Priorität hatte für ihn der Gedanke, dass der Kunde bei allem, was das Unternehmen tut, im Mittelpunkt steht. Abgesehen von diesen rein technischen Gesichtspunkten fokussierte er sich aber auch stark auf die Mentalität der Menschen und auf die Frage, wie sie zu Treibern des Wandels werden konnten. Das galt vor allem für ihn selbst. „Ich verbringe sehr viel Zeit mit den Menschen, die die eigentliche Arbeit tun, und versuche, meine Entscheidungen bis ins Letzte zu erklären. Das soll nicht heißen, dass ich sie anderen überlasse, sondern lediglich, dass jeder Einzelne begreifen