Die Tesla-Methode. Michael Valentin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Valentin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783864707155
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Dieses Unternehmen heißt Tesla – das kalifornische Start-up, dem es erstmals seit der Gründung von Ford, General Motors und Chrysler Anfang des 20. Jahrhunderts gelungen ist, die Liste großer US-amerikanischer Autobauer um einen neuen Namen zu verlängern. Das Modell wird als „Teslismus“ bezeichnet (Abbildung 2.2).

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      Quelle: OPEO

      In den verbleibenden Kapiteln dieses Buches wird die DNA des neuen Modells analysiert, um seine Grundlagen verständlicher zu machen. Das geschieht, indem Tesla auf seine Betriebsebenen heruntergebrochen wird, sowie durch die gezielte Veranschaulichung führender globaler Referenzbeispiele für die einzelnen angesprochenen Dimensionen.

       Der Teslismus als potenzielles Organisationsmodell für das vierte Industriezeitalter

      Die Analysen und Beobachtungen des Autors zum Tesla-Modell (und anderen potenziellen „Leuchttürmen“ der Industrie 4.0) belegen, dass der „Teslismus“ die Bezeichnung „System“ verdient und sich um drei konzentrische Kreise dreht.

      Einer ist nach außen gewandt, ein anderer nach innen. Der dritte bildet das Kernsystem, das auf die Fähigkeit von Menschen – aber auch Maschinen – fokussiert ist, schnell zu lernen. Das System zeichnet sich durch sieben Prinzipien aus: Entwicklung eines Narrativs, Kreuzintegration, Tentakeltraktion, Start-up-Leadership, Software-Hybridisierung, Hyperproduktion und menschliches und maschinelles Lernen (Abbildung 2.3).

      Bevor wir tiefer in diese sieben Prinzipien einsteigen, ist es sicherlich sinnvoll, kurz auf die Frage einzugehen, wie der Teslismus zu einer überzeugenden Lösung für die strategischen und technischen Probleme des vierten Industriezeitalters werden könnte.

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      Quelle: OPEO

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      Quelle: OPEO

      Im Anschluss beleuchtet das Buch, wie die sieben Prinzipien auf die vier Hauptziele eingehen: die Welt mit einem Projekt zu inspirieren, das über das Unternehmen, in dem es entstanden ist, hinausgeht; den betrieblichen Systemen und Schnittstellen des Unternehmens Impulse zu verleihen; seine Geschäftsfelder, sein Ökosystem und seine Kunden digital zu vernetzen; und seinen Mitarbeitern zu helfen, sich weiterzuentwickeln, um im Tagesgeschäft dazu beizutragen, dass die Organisation als Ganzes wachsen kann (Abbildung 2.4). Diese vier Ziele entsprechen perfekt den vier mit dem vierten Industriezeitalter verbundenen Herausforderungen. Wird die Welt inspiriert, kann sie auf die durch die Hyperkonzentration von Wert und fähigen Köpfen verursachte Nachfrage nach Ethik und Regulierung reagieren. Die interne wie externe Stärkung und Vernetzung eines Systems wird dem wachsenden Bedarf an Produktfunktionalität gerecht, und damit den Herausforderungen einer nutzungsgestützten Wirtschaft. Das System profitiert dabei von der Hyperkonnektivität zwischen Menschen, Maschinen und Produkten. Unterstützt man Menschen dabei, sich weiterzuentwickeln, wird dadurch letztlich die Entwicklung individueller und kollektiver Kompetenzen ermöglicht, sodass exponentieller Fortschritt als Chance angesehen wird – und nicht als Wettlauf gegen die Zeit.

       INSPIRIEREN, VERNETZEN, VERSTÄRKEN UND AUSBAUEN: JPB SYSTEMS – EIN MITTELSTÄNDLER, DER SICH GANZ UNBEWUSST NACH DER TESLA-METHODE GERICHTET HAT

       Die unglaublich inspirierende Geschichte eines Menschen, der mit viel Tiefgang das Lebenswerk seines Vaters weiterführt

      Obwohl schon über zehn Jahre Chef eines eigenen mittelständischen Unternehmens, sah sich Damien Marc nie als eine Art Elon Musk. Der 36-jährige Unternehmer brauchte weder Tesla noch die Industrie 4.0, um eine Vision zu entwickeln, die dem, was alle in seinem Sektor sagten, diametral entgegengesetzt war. Damien machte aus der Not eine Tugend. Er lässt sich seit jeher von dem Gefühl leiten, dass er seinen „Vater am besten durch Wachstum des Unternehmens lebendig erhält“. Obwohl dieser schon seit Langem tot ist, berührt dieses Thema Damien immer noch sichtlich. Es heißt, Gefühle können Berge versetzen. Im Mittelpunkt der Geschichte von JPB steht die Überlieferung von Gefühlen und Leidenschaft von einer Generation an die nächste. Damiens Vater Jean-Pierre wurde 1958 geboren und entsprach selbst ebenfalls nicht dem typischen Profil. Er war Künstler – Fotograf –, was seinem Vater missfiel, der Jean-Pierre schon früh erklärte, er müsse einen ordentlichen Beruf ergreifen. Daraufhin schrieb ihn seine Mutter für eine Mechanikerausbildung am Lemmonier Institute in Caen ein und er begann seine Laufbahn als Feinmechaniker. Doch dieser neue Kurs konnte seine Kreativität nicht dämpfen – ganz im Gegenteil. Als er ein paar Jahre lang für einen Mann namens Bernard gearbeitet hatte, wagte Jean-Pierre, eine Fehlentwicklung infrage zu stellen, die der Luftfahrtsektor bis dahin toleriert hatte. Sie betraf die Art und Weise, wie Befestigungsmuttern mit Sicherungsdraht kombiniert wurden, um die Gefahr von Drehmomentverlust zu minimieren. Dieser Kompromiss kostete viel Zeit und Geld und war dabei nicht absolut zuverlässig. Jean-Pierre begann, in der Werkstatt an einem eigenen System zu basteln, doch wie bei so vielen bahnbrechenden Entwicklungen nahmen ihn anfangs nur wenige ernst. „Könnte man das System ändern, hätte es die Industrie doch längst getan“, war offenbar die Haltung der Schwarzmaler. Dennoch war Bernard bereit, mit Jean-Pierre ein neues Unternehmen zu gründen – neben seiner eigenen Maschinenbaufirma.

      Das war 1995. Jean-Pierre brauchte über sechs Jahre, bis ein betriebsbereites Produkt vorlag. In dieser Zeit schloss Damien die Schule ab. Er war ein eher durchschnittlicher Schüler und interessierte sich mehr für die Praxis als für die Theorie, schaffte aber ein gutes Abitur. Vor die Wahl gestellt, ob und was er studieren wollte, entschied sich Damien für eine technische Ausbildung, die er einem theorielastigeren Studium vorzog. Weil ihm Elektronik viel Freude machte, begeisterte sich Damien für seine Ausbildung und schloss als Jahrgangsbester ab. Das motivierte ihn, sich danach an einer Ingenieurschule einzuschreiben. Dennoch ging er andere Wege als seine Kommilitonen. Er machte zunächst ein Praktikum in Afrika, bevor er erste Berufserfahrungen als Vorarbeiter sammelte. Der Einstieg ins Erwerbsleben verlief reibungslos – ihm gefiel seine Arbeit.

      Damals sprachen Damien und Jean-Pierre wenig über berufliche Dinge. Damien hatte im Grunde keine Ahnung vom väterlichen Unternehmen. Eine Verkettung unerwarteter Ereignisse änderte das und brachte sie näher zusammen. Jean-Pierre war gesundheitlich angeschlagen und sein Zustand verschlechterte sich abrupt, als er nach einem schweren Herzinfarkt ins Koma fiel. Für Damien war das ein gewaltiger Schock. Nicht nur hatte er nie die Firma seines Vaters übernehmen wollen – schlimmer noch, er verstand nichts vom Geschäft. Das bedeutete, er musste sich alles von der Pike auf aneignen. Ein paar Monate später – und vollkommen unerwartet – wachte Jean-Pierre aus dem Koma auf. Damien ergriff die Gelegenheit, die dieses wundersame Intermezzo (das 18 Monate dauern sollte) bot, und nutzte sie nach Kräften, um ein paar wichtige Angelegenheiten zu klären. Jean-Pierres Unternehmen schrieb zwar schwarze Zahlen, lebte aber von einem einzigen Großkunden. Es hatte drei Beschäftigte, die den ganzen Tag über hart arbeiteten, damit alles lief. Damien musste viel Energie in die Aushandlung der rechtlichen Voraussetzungen investieren, um die Leitung von Jean-Pierres Firma übernehmen zu können. Die übrigen Teilhaber fürchteten, sie stünde unmittelbar vor dem Untergang. Diese Phase ständiger Konflikte, in der Damien große Risiken eingehen musste, ging nicht spurlos an ihm vorbei. Am Ende gelang es ihm, den Betrieb zu übernehmen, doch zu einem hohen Preis: Seine Mutter, die ihm durch die ganzen juristischen Querelen hindurch