Der Staatsminister reist aufs Land. Bo Balderson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bo Balderson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711459713
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Aber glauben Sie ja nicht, dass ich das Grundstück um jeden Preis loswerden will. Ich muss nicht verkaufen. Meine Pension ist lächerlich, wohl wahr. Aber ich habe private Nebeneinkünfte und ein Vermögen, das mich unabhängig macht. Ich will nach Spanien ziehen, in die Sonne und Wärme. Sollte ich keinen Käufer finden, der bereit ist, den Preis zu zahlen, den es wert ist, warte ich noch mit dem Verkauf. Meine Arbeit hat man mir weggenommen, aber um mein Haus lasse ich mich von niemandem betrügen. Es ist 750 000 Kronen wert, und 750 000 will ich haben. Bis vor vier Jahren hat meine Mutter hier gelebt, ich habe das Haus von ihr geerbt. Damals wurde es schon auf eine halbe Million geschätzt, seitdem sind die Preise für Immobilien in guter Lage stetig gestiegen. Und ich habe einiges in den Erhalt und in Renovierungsarbeiten gesteckt. Zum Beispiel die Erhöhung der Mauer und die Installation der Alarmanlagen. Sowohl auf der Mauer als auch im Haus, wie Sie ja bereits festgestellt haben, nicht wahr? Hier kommt niemand ohne meine Erlaubnis rein, weder auf das Grundstück noch ins Haus. Wofür haben Sie das Anwesen vorgesehen?«

      Der Staatsminister sagte, dass es ein Heim für Kinder werden sollte.

      »Ein Kinderheim? Dafür eignet es sich ausgezeichnet. Der Alarm lässt sich problemlos so umprogrammieren, dass er anschlägt, sobald jemand das Haus oder das Grundstück verlässt. Aus dieser Anstalt wird kein junger Lümmel mehr ausbrechen, das garantiere ich Ihnen!«

      Der Staatsminister erklärte, dass eine seiner ersten Maßnahmen sein würde, die Alarmanlage zu demontieren und die Mauer abzureißen.

      Der verbitterte, berechnende Zug um den Mund des Kommissars wich für einen Augenblick purem Erstaunen.

      »Sie wollen die Mauer einreißen?! Na ja, das ist Ihre Sache. Aber das Grundstück wird mit Mauer verkauft, für 750 000. Wenn Ihnen das nicht passt, verkaufe ich eben an jemand anders.«

      Der Staatsminister sagte, dass er nichts gegen den Preis einzuwenden habe, dass er jetzt aber doch darum bitte, zuerst einmal das Haus besichtigen zu dürfen. Kommissar Wallman rief die Haushälterin und befahl ihr in barschem Ton, den Staatsminister herumzuführen. Da niemand darauf bestand, dass ich mitkam, ließ ich mich auf einem Stuhl auf der Veranda nieder und verbrachte die nächste Stunde damit, zu meditieren.

      Als der Staatsminister seinen Rundgang beendet hatte, wurden wir wieder zum Kommissar geführt.

      Der Staatsminister hat eine sehr eigenwillige Art, Geschäfte zu machen. Wo jeder normale Immobilienmakler über abblätternden Putz, unvorteilhafte Zimmeraufteilungen und veraltete Wasserleitungssysteme versucht hätte, den Preis zu drücken, erging sich der Staatsminister in lyrischen Lobeshymnen über das Objekt. Er schwärmte von der vortrefflichen Lage des Grundstückes zur Stadt, von der wundervollen Natur, von dem kinderfreundlichen Grundstück und den praktischen Einbauschränken. Er schloss seinen Vortrag mit der Anmerkung, dass 750 000 Kronen ihm für das Objekt durchaus angemessen erschienen und dass er gern in bar zahlen würde, sobald die erforderlichen Dokumente unterschrieben seien.

      Kommissar Wallman beugte sich vor. Der vergrämte, verschlagene Zug in seinem Gesicht verschwand erneut hinter unverhohlenem Staunen, diesmal gepaart mit Gier.

      Das Gesicht des Kommissars war ein offenes Buch, und ich wartete gespannt, wann er etwas zum Mobiliar sagen würde.

      »Es versteht sich natürlich von selbst, dass das Mobiliar nicht in der von mir genannten Summe enthalten ist. Und ohne das Mobiliar verkaufe ich nicht. Das kann ich schließlich schlecht mit nach Spanien nehmen. Ich schätze das Mobiliar auf 100 000 Kronen.«

      Es gab Zeiten, in denen ich versucht habe, den Staatsminister von seinen verrückten Kaufvorhaben abzubringen. Das tue ich inzwischen nicht mehr. Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass Geschäftsabschlüsse darin bestehen, dass einer den anderen über den Tisch zieht. Und dass es in jedem Fall besser ist, wenn derjenige über den Tisch gezogen wird, der es sich leisten kann.

      Damit näherte sich auch dieses Geschäft seinem Abschluss. Der Staatsminister sagte, dass das mit dem Mobiliar völlig in Ordnung sei. Ihm sei nur wichtig, dass er so schnell wie möglich Zutritt zum Haus bekomme, am besten schon im Herbst. Kommissar Wallman lehnte sich über den Schreibtisch und lächelte beinahe, als er versicherte, dass dem nichts im Wege stehe, da er innerhalb der nächsten Monate in den Süden umzuziehen gedenke. Sein Haus auf der Kanarischen Insel sei bereits bezugsfertig ...

      5

      »Ich habe das Gefühl, aus einem Gefängnis zu kommen«, sagte der Staatsminister, nachdem die Haushälterin uns aus dem Eingangstor gelassen hatte und wir hinter uns die Riegel rasseln hörten. »Aber wart’s nur ab, wenn die Mauer erst abgerissen und das Gestrüpp im Park abgeholzt wurde! Dann ist es das reinste Paradies für Kinder! Ich frage mich schon die ganze Zeit, wieso der Kerl sich derart einmauert? Das müssen wir unbedingt Johan Åkerblom fragen. So, das andere Haus schaffen wir auch noch vor dem Mittagessen. Frau und Fräulein Silfverlod haben gesagt, sie wären den ganzen Tag zu Hause. Hier dürfte es sein!«

      Wir waren der breiten Landstraße zurück in Richtung Präsidentengut gefolgt und bogen nun auf einen schmalen, von Fichten und Föhren gesäumten Waldweg ab, der kaum mehr als ein Pfad war. Ein Eichhörnchen keckerte, ein Vogel schrie, und kurz darauf standen wir vor einem offenen Grundstücksgatter.

      »Zwei Türme, Kupferdach und Wintergarten«, murmelte der Staatsminister. »Das ist es.«

      Es war ein großes Haus. Und ein hässliches Haus. Nicht unähnlich dem des Staatsministers auf Lindö. Ich ahnte, dass es ihn bereits in seinen Bann zog. Auch das Grundstück schien eine deutliche Faszination auf ihn auszuüben; er zeigte auf eine wild wuchernde Wiese und meinte, dass man dort nach dem Roden ein klasse Badmintonfeld anlegen könne. Ich sah nur wucherndes Gestrüpp, ein verfallenes Gartenhäuschen und diverse unordentliche, ins Kraut geschossene Pflanzeninseln, auffallend ähnlich denen in Kommissar Wallmans Park.

      »Die Klingel tut’s nicht«, sagte der Staatsminister und klopfte an die Tür. Was für ein wohltuender Kontrast zu den extrem gut funktionierenden Klingeln des Kommissars.

      Eine Frau, die sich uns als Fräulein Silfverlod vorstellte, öffnete die Tür und führte uns in einen Salon mit Flügel und abgewetztem Bauernrokoko, wo wir mit Madeira und Kuchen bewirtet wurden.

      »Erstaunlich, dass Sie auf Anhieb zu uns gefunden haben! Die meisten Leute gehen an unserem kleinen Weg vorbei, ohne ihn zu sehen. Wir wollen schon so lange ein Schild aufstellen, aber es ist bei dem Vorsatz geblieben.«

      Fräulein Silfverlod hatte ein sehr angenehmes Wesen und war so um die vierzig. Ich hatte noch nie eine Schwäche für moderne, gertenschlanke Frauen in langen Hosen mit einer Zigarette zwischen den Fingern. Fräulein Silfverlod war weich und altmodisch und ein bisschen rundlich, sie trug einen Faltenrock und eine an Hals und Handgelenken entzückend geraffte Bluse, und im ganzen Raum war nicht ein Aschenbecher zu entdecken. Sie sprach mit kleinen, lebhaften Gesten, die Temperament und Engagement verrieten, und ihre Augen waren dunkel, wach, vom gleichen Ton wie ihre Haare.

      »Ja, als ich Ihre Anzeige sah, habe ich sofort zu Mama gesagt, dass das doch die Gelegenheit für uns wäre! Ach du meine Güte, ich habe Mama ja völlig vergessen!«

      Sie entschwand durch eine Doppeltür in den Garten, und der Staatsminister nutzte die Gelegenheit, mit beiden Füßen auf den Boden zu hüpfen und mit der geballten Faust gegen die Wand zu schlagen, offenbar, um den Zustand des Hauses zu prüfen.

      Da betrat Frau Silfverlod die Bühne. Sie ging sehr, sehr langsam, liebevoll gestützt von ihrer Tochter.

      »Mama liebt die Sonne, und wenn das Wetter gut ist, setze ich sie immer in den Windschatten hinter dem Gartenhäuschen. So, Mama, begrüß den Herrn Staatsminister und Studienrat Persson!«

      Frau Silfverlod streckte uns gehorsam eine Hand aus ihren Schals entgegen. Sie fühlte sich trocken und fest an.

      »Und jetzt nehmen wir Mama die Decke und einen Schal ab, damit es nicht zu warm wird!«

      Fräulein Silfverlod beugte sich ergeben über ihre Mutter und befreite sie von einer Stofflage.

      »Du setzt dich am besten zwischen die beiden Herren, damit du auch