seiner Mutter und die Antwort eines Bischofs in betreff seiner Bekehrung.*
Ich kam nach Karthago52, und mich umbrandete von allen Seiten ein Höllenpfuhl schändlicher Leidenschaften. Noch liebte ich nicht; aber ich verlangte nach Liebe und zürnte mir, daß ich aus einem inneren Bedürfnisse heraus nicht liebebedürftig genügend sei. Ich suchte nach einem Gegenstand meiner Liebe; denn ich sehnte mich nach Liebe und haßte die zufriedene Sicherheit und einen Weg ohne Fallstricke. Zwar hast du selbst, o mein Gott, du Seelenspeise, mir Hunger nach dir eingeflößt, aber diesen Hunger spürte ich nicht, sondern ich begehrte gar nicht nach unvergänglicher Speise; nicht als ob sie mich bereits gesättigt hätte, im Gegenteil: je leerer ich war, desto mehr Widerwillen empfand ich vor ihr, Und darum war meine Seele krank und stürzte sich, mit Eiterbeulen bedeckt, auf die Außenwelt, begierig nach jämmerlichen Anreizen durch die Berührung mit dem Sinnlichen. Und doch - hätte dieses keine Seele, man würde es fürwahr nicht lieben. Liebe zu spenden und zu empfangen, war mir süß, süßer jedoch, wenn ich auch den Körper der Geliebten besitzen konnte. So besudelte ich den reinen Born der Freundschaft durch den Schlamm der sinnlichen Begier und verdunkelte ihren strahlenden Glanz durch höllische Wollust; trotzdem trachtete ich, abscheulich und unsittlich wie ich war, aus maßloser Selbstgefälligkeit darnach, für fein und gebildet zu gelten. So stürzte ich in ein Liebesverhältnis hinein, in dessen Fesseln ich verstrickt zu werden wünschte. Mein Gott, meine Barmherzigkeit, wieviel Galle hast du mir in deiner Güte auf jene Süßigkeit geträufelt. Ich wurde geliebt, gelangte zu sündhaftem Genusse, und mit Freuden ließ ich mich in jene unheilvollen Bande schlagen, so daß ich gegeißelt wurde mit den glühenden eisernen Rufen der Eifersucht, des Argwohns, der Furcht, des Zornes und des Haders.
2. Seine Leidenschaft für das Theater.
Mich rissen hin die Schauspiele, in denen ich meine Leiden und den Zündstoff für meine Leidenschaft wiederfand. Warum will doch der Mensch dort Szenen voll Trauer und Jammer anschauen, die er in Wirklichkeit nicht durchmachen möchte? Und doch will der Zuschauer schmerzlich gerührt werden, ja der Schmerz selbst ist seine Lust. Ist das nicht ein bedauernswerter Wahnsinn? Denn je mehr jemand unter solchen Affekten zu leiden hat, desto mehr wird er auch durch jene Darstellungen erschüttert; leidet man selbst, so nennt man es Leid, empfindet man mit andern, so nennt man es Mitleid. Wie aber kann bei Dichtungen und szenischen Darstellungen von Mitleid die Rede sein? Der Zuschauer wird ja nicht um Hilfe angegangen, sondern zum Schmerze eingeladen, und je mehr er Schmerz empfindet, desto höher schätzt er den Darsteller solcher Bilder. Und wenn jene tragischen Ereignisse aus dem Mythus des Altertums oder aus dem Kreise der Dichtung so aufgeführt würden, daß der Zuschauer keinen Schmerz empfände, so ginge er gelangweilt und unter Ausdrücken des Tadels von dannen; wird er aber schmerzlich ergriffen, so harrt er in gespannter Aufmerksamkeit aus und weint in seiner Freude.
Werden also auch Tränen und Schmerzen geliebt? Jeder Mensch strebt doch nach Freude. Oder werden etwa aus dem Grunde Schmerzen geliebt, weil, wenn man das Leid vermeidet, man doch gern Mitleid empfindet, dieses aber ohne Schmerz undenkbar ist? Auch dies entstammt wohl jener Quelle der Freundschaft? Aber wohin strömt sie? wo mündet sie? Warum strömt sie in jenen reißenden Strom siedenden Peches, in jene gewaltigen Brandungen schändlicher Lüste? Warum verwandelt und verkehrt sie sich in jene Brandungen, abgelenkt und hinabgestürzt durch eigene Willkür von himmlischer Wahrheit? Soll man also das Mitleid von sich zurückweisen? Keineswegs. Also muß man sich mitunter damit abfinden, die Schmerzen zu lieben. Doch hüte dich, meine Seele, vor der Unreinigkeit unter dem Schutze meines Gottes, des Gottes unserer Väter, der hoch gelobt und gepriesen in alle Ewigkeit – hüte dich vor der Unreinigkeit! Denn auch jetzt empfinde ich noch Mitleid; damals aber im Theater freute ich mich mit den Liebenden, wenn sie in Schande miteinander buhlten, wenn es auch nur zur Täuschung der Zuschauer auf der Bühne geschah, betrübte mich aber herzlich, wenn sie einander verloren; und doch erfreuten mich beide Situationen! Jetzt aber bemitleide ich mehr den, der in Wollüsten aufgeht, als den, der Schweres zu erdulden vermeint, wenn ihm verderbliche Lust entgeht und er ein jämmerliches Glück verliert. Da ist sicher das wahre Mitleid, aber dieser Schmerz kennt keine Freude. Denn wenn auch, wer einen Verirrten beklagt, das lohnende Bewußtsein erfüllter Liebespflicht hat, so möchte doch echtes Mitleid von vornherein auf solchen Schmerz verzichten. Wenn es nämlich übelwollendes Wohlwollen gäbe - was unmöglich ist! -, dann wäre der Fall denkbar, daß einer aus wahrhaftem und aufrichtigem Mitleidsgefühl heraus sich leidende Elende wünschte, nur um sie bemitleiden zu können. Und so kann man wohl einige Schmerzen billigen, keinen aber lieben. Weil du also, o Herr mein Gott, der du die Seelen liebst weit reiner und inniger als wir, von keinem Schmerze verwundet wirst, ist auch deine Erbarmung lauterer und dauernder. „Welcher Mensch aber ist dazu imstande?“53
Aber ich Elender liebte damals den Schmerz und suchte nach einer Ursache für meinen Schmerz, und umso mehr gefiel mir bei fremdem, unechtem Leide des Mimen Spiel, umso mehr lockte es mich an, je mehr Tränen es mir auspreßte. Was Wunder, wenn ich da als unglückliches Schaf, das weit von deiner Herde wegirrte und deiner Hut sich entzog, von schrecklichem Aussatze entstellt wurde? Daher kam also meine Lust am Schmerze, freilich nicht an solchem, der imstande war, mich tiefer zu verwunden - ich liebte es mehr, solche Schmerzen anzusehen als sie zu erdulden -, sondern ich wollte mich nur, wenn ich von solchen erdichteten Schmerzen hörte, oberflächlich rühren lassen; doch folgten auch solchem Tun wie beim Kratzen mit den Nägeln entzündete Geschwülste, Fäulnis und ekler Eiter. Konnte mein Leben unter diesen Umständen, o mein Gott, überhaupt noch Leben heißen?
3. Während seiner Studien hält er sich übrigens von dem wüsten Treiben der sogenannten Zerstörer fern.
Und von weitem umschwebte mich dein treues Erbarmen. Wie zerfloß ich in Ruchlosigkeiten, welch frevelhaftem Vorwitze folgte ich, der mich zum Abfalle verleitete und zum tiefsten Unglauben und zu trügerischem Teufelsdienste verführte! Brachte ich ihnen so meine bösen Taten als Opfer dar, so traf mich doch in allem deine Zuchtrute! Habe ich es doch sogar gewagt, bei der Feier deiner hochheiligen Feste, innerhalb der Mauern deiner Kirche, meinen sinnlichen Begierden nachzuhängen und mir den Genuß todbringender Frucht zu verschaffen. Daher hast du mich mit schwerer Strafe heimgesucht, die freilich nichts bedeutete im Verhältnis zu meiner Schuld, o du meine überaus große Barmherzigkeit, mein Gott, meine Zuflucht aus jenen verderblichen Schrecknissen, in denen ich mich allzu stolzen Hauptes herumtrieb, bereit, mich von dir weit zu entfernen , da ich meine Wege liebte und nicht die deinen, einem Trugbilde von Freiheit nachjagend.
Meine Studien, die ja für vornehm galten, waren zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Streithändel des Forums, in denen ich mich auszeichnen sollte; je kunstfertiger trügerische Rede, desto größer das Lob. So groß ist die Blindheit der Menschen, daß sie sich ihrer Blindheit noch rühmen, Schon war ich in des Rhetors Schule einer der ersten und freute mich dessen in stolzem Gefühle, aufgeblasen vom Hochmut, mochte ich auch sonst - du weißt es, o Herr - weit gesetzter sein und mich von all den Untaten der sogenannten Zerstörer fern halten (diesen unseligen, teuflischen Namen zu tragen, gilt gewissermaßen als ein Abzeichen feiner Bildung). Unter solchen Genossen also lebte ich, gepeinigt von schamloser Scham, ihnen nicht gleich zu sein. Mit ihnen verkehrte ich und hatte zu Zeiten auch an ihrer Freundschaft Gefallen, während ich doch immer vor ihren Taten Abscheu hatte, jene Untaten meine ich, womit sie frech der Einfalt Unerfahrener nachstellten, sie ohne Grund zum Gespötte hatten und in ihrer frevelhaften Lust sich daran weideten. Fürwahr solches Treiben gleicht dem höllischer Geister, und mit Fug und Recht erhielten sie jenen Namen; sind sie doch selbst vorher schon völlig umgeworfen und verworfen, indem trügerische Dämonen sie insgeheim verhöhnen und verführen, gerade in dem Punkte, in dem sie selbst so gern andere täuschen und verführen möchten.
4. Ciceros Hortensius erweckt in ihm die Liebe zur Philosophie.
Unter solchen Freunden studierte ich damals, in meiner leicht verführbaren Jugend, die Lehrbücher der Beredsamkeit, in der ich glänzen