Bekenntnisse. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659813
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Sinnlichkeit erfüllt, da zeigte er dies frohlockend meiner Mutter an, gleich - als ob er schon von jetzt an auf Enkel rechnete. Er frohlockte in jenem Freudenrausche, in dem diese Welt dich, ihren Herrn, vergißt und statt deiner das Geschöpf liebt, ein Freudenrausch, der von dem unsichtbaren Weine ihres verkehrten, nur auf das Niedrigste gerichteten Willens kommt. Aber in der Mutter Herz hattest du schon den Bau deines Tempels begonnen, den Anfang deiner heiligen Wohnung, während jener noch Katechumen und das auch erst seit kurzem war. Daher erbebte auch die Mutter, fromm wie sie war, in Zittern und Schrecken und fürchtete für mich, obwohl ich noch nicht gläubig war, dennoch die krummen Pfade, die alle die wandeln, die „dir den Rücken zukehren und nicht das Angesicht“45.

      Wehe mir! Und darf ich wirklich sagen, o mein Gott, du habest geschwiegen, da ich mich immer weiter von dir entfernte? Wärest du denn wirklich mir damals stumm gewesen? Waren es nicht deine Worte, die du mir durch meine Mutter, deine Magd, ins Ohr geflüstert? Doch ohne Erfolg drangen die Worte mir ins Herz. Denn sie wollte es so, und ich erinnere mich, wie sie insgeheim inständig warnte, Unzucht zu treiben und vor allem irgend jemandes Frau zu verführen. Diese Ermahnungen kamen mir weibisch vor, und ich hätte mich geschämt, ihnen nachzugehen. Doch sie stammten von dir, ohne daß ich es wußte, und ich meinte, daß du schwiegest und jene spräche; obwohl du also für mich nicht stumm warst, wurdest du in ihr von mir verachtet von mir, ihrem Sohne, dem „Sohne deiner Magd, deinem Knechte“46. Doch ich wußte es nicht und stürmte in solch blinder Leidenschaft vorwärts, daß ich mich unter meinen Altersgenossen schämte, wenn das Maß meiner Schändlichkeit geringer war; hörte ich sie doch mit ihren schimpflichen Handlungen prahlen und sich umso mehr rühmen, je verworfener sie waren. So gelüstete auch mich nach solchem Tun, nicht nur aus Lust nach der Tat, sondern auch nach dem Lobe. Gibt es nun außer dem Laster noch etwas Tadelnswertes? Nein! Ich stürzte mich aber, um nicht getadelt zu werden, in immer mehr Laster; und lag nichts vor, was mich meinen verworfenen Kameraden gleich gemacht hätte, so erlog ich Taten, die ich nicht begangen, um nicht etwa wegen zu großer Unschuld verächtlicher, wegen zu großer Keuschheit geringer dazustehen.

      Sieh, mit welchen Genossen ich da die Straßen Babylons durchwanderte und in seinem Kote mich wälzte, als sei es Zimt und köstliche Salbe. Und damit ich umso fester an ihm hinge, spornte mich der unsichtbare Feind und verführte mich, da ich ja leicht zu verführen war. Meine leibliche Mutter nämlich, die schon aus Babylons Mitte geflohen war, in seiner Umgebung aber noch zögernden Schrittes sich aufhielt, machte sich nicht in gleichem Maße, wie sie mich zur Keuschheit ermahnte, so auch Sorgen inbetreff dessen, was sie von ihrem Manne gehört hatte; sie erachtete es als ebenso verderblich und für meine Zukunft gefährlich, meine Sinnlichkeit durch das Band der Ehe zu zügeln, wenn sie nicht ganz und gar ausgebrannt werden könnte. Sie machte sich keine Sorgen, weil sie fürchtete, die Fessel der Ehe könnte meinen Hoffnungen ein Hemmnis sein nicht jener Hoffnung des zukünftigen Lebens, die sie auf dich setzte, sondern der Hoffnung auf wissenschaftliche Ausbildung, die ich mir nach beider Eltern Willen in übertriebener Weise aneignen sollte; wünschte es doch der Vater, weil er an dich fast gar nicht, an mich aber nur aus Eitelkeit dachte, die Mutter, weil sie jene Kenntnisse nicht nur für nicht schädlich, sondern, um zu dir zu gelangen, eher für förderlich hielt. So vermute ich wenigstens, wenn ich mir, soweit es geht, den Charakter meiner Eltern vergegenwärtige. Auch ließ man mir zum Spielen die Zügel weit über das rechte Maß der Strenge hinaus schießen, so daß sich verschiedene ausgelassene Neigungen entwickelten. Und bei allem verhüllte Finsternis, o mein Gott, das helle Licht deiner Wahrheit, „und es sproß hervor wie aus fettem Boden meine Bosheit“47.

      4. Augustinus berichtet von einem Diebstahle, den er mit seinen Genossen begangen.

      Bekannt ist, daß dein Gesetz, o Herr, den Diebstahl bestraft, und zwar sogar das in die Herzen der Menschen eingegrabene Naturgesetz, das nicht einmal ihre Bosheit auszulöschen vermag. Denn welcher Dieb ertrüge, auch wenn er begütert ist, gleichmütig den Diebstahl eines, den Not dazu treibt? ich aber wollte einen Diebstahl begehen und habe ihn auch begangen, nicht durch irgendwelche Notwendigkeit veranlaßt: an Gerechtigkeit fehlte es mir, ja ich hatte Ekel vor ihr, und vor Bosheit erstickte ich. Denn ich stahl, was ich im Überfluß, ja noch viel besser besaß. Auch wollte ich nicht, was der Diebstahl mir verschaffte, genießen, sondern den Diebstahl selbst und die Sünde. Nahe unserm Weinberg stand ein Birnbaum mit zwar zahlreichen, jedoch häßlichen und unschmackhaften Früchten. Diese abzuschütteln und hinwegzuschleppen, machten wir jungen Leute uns ohne Scham- und Ehrgefühl bei tiefer Nacht auf - so lange hatten wir unser verderbliches Spiel auf dem Platze getrieben - und trugen gewaltige Lasten von dort hinweg, nicht um sie zu essen, sondern um sie den Schweinen vorzuwerfen. Und wenn wir auch eine Kleinigkeit davon aßen, so geschah es nur deshalb, weil wir damit etwas Unerlaubtes tun konnten. Sieh mein Herz, o mein Gott, sieh mein Herz, dessen du dich erbarmt hast in der Tiefe seiner Bosheit. Sieh, mein Herz soll dir nun sagen, was es dort suchte, daß ich nämlich ohne jeden Grund böse und meiner Bosheit Grund nur die Bosheit selbst war. Abscheulich war sie, und trotzdem liebte ich sie, liebte mein Verderben, liebte meinen Fehltritt. Nicht den Gegenstand, der mir zum Falle wurde, nein, den Fall selbst liebte ich; als ich in der Verworfenheit meines Gemütes. mich von deiner Grundfeste ins Verderben stürzte, da begehrte ich nicht schimpflich irgendeinen Gegenstand, sondern die Schande selbst.

      5. Niemand sündigt ohne Grund.

      Wie schöne Körper, Gold, Silber usw. das Auge reizen, wie auf den Gefühlssinn harmonische Anpassung äußerst wohltuend wirkt, so findet auch jeder der übrigen Sinne gewisse, ihm zusagende Eigenschaften der Körperwelt. Auch zeitliche Ehre und die Macht des Herrschers und des Siegers haben ihren Wert, dem auch die Begierde nach Freiheit entspringt. Dennoch darf man, um dies alles zu erlangen sich nicht von dir, o Herr, entfernen und dein Gesetz übertreten. Auch unser irdisches Leben hat seinen Reiz wegen einer ganz eigenartigen Schönheit und wegen seiner Harmonie mit all dem Schönen hier auf Erden. Auch die Freundschaft der Menschen mit ihrem Liebesband ist süß wegen der Einheit der Herzen. Dies alles und Ähnliches gibt aber Veranlassung zur Sünde, wenn man in ungeordneter Zuneigung zu ihnen, die doch nur niedere Güter sind, die besseren und höheren, dich, o Herr, mein Gott, deine Wahrheit und dein Gesetz preisgibt. Zwar gewähren auch jene niederen Güter Freude, doch nicht so große wie du, mein Gott, der alles geschaffen: bist du doch selbst die Freude des Gerechten, du die Wonne derer, die rechten Herzens sind.

      Wird also die Frage nach dem Beweggrunde einer Sünde gestellt, so schenkt man in der Regel der Antwort erst dann Glauben, wenn das Verlangen klar zutage tritt, eines jener erwähnten niederen Güter zu gewinnen, oder aber die Furcht, es zu verlieren. Denn sie sind schön und reizend, wenn auch im Vergleiche mit den höheren und eigentlich beseligenden verächtlich und niedrig. Jemand hat einen Mord begangen. Warum? Er liebte die Gattin oder das Gut des Ermordeten oder wollte sich durch Raub Lebensunterhalt erwerben oder er fürchtete, daß der andere ein ähnliches Verbrechen an ihm begehen würde, oder er glühte vor Rache wegen irgendeiner Beleidigung. Hätte er wohl aus bloßer Lust am Morde selbst die Sünde begangen? Wer würde das glauben? Wenn auch der Geschichtschreiber von einem sinnlos grausamen Manne berichtet, daß er um nichts schlecht und grausam gewesen sei, so hat er doch vorher den Grund angegeben; er fürchtete nämlich, „daß Hände oder Geist in der Ruhe erschlafften“48. Und warum dies? Was bestimmte ihn dann zu seinen Freveltaten? Durch die stete Übung in Verbrechen geschult, wollte er sich der Stadt bemächtigen, dann Ehren, Herrschaft, Reichtum erwerben und so, befreit von der peinlichen Lage der Vermögenslosigkeit und vom Bewußtsein seiner Verbrechen, der Gesetze hohnlachen dürfen. Selbst ein Catilina also liebte nicht seine Verbrechen, sondern nur die Zwecke, die er durch sie erreichen wollte.

      6. Alles, was uns unter dem Scheine des Guten zum Bösen verlockt, ist trügerisch; bei Gott aber ist es wahrhaft und vollkommen gut.

      Was habe also ich Elender an dir, Diebstahl, geliebt, du nächtlicher Frevel meines sechzehnten Lebensjahres? Schön warst du ja nicht, da du Diebstahl warst. Oder bist du überhaupt etwas, daß ich meine Worte an dich richte? Schön war wohl das Obst, das wir stahlen: denn du hattest es geschaffen, Schönster von allem, Schöpfer von allem, guter Gott, Gott mein höchstes und mein einziges Gut; schön war jenes Obst, aber meine