Bekenntnisse. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659813
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um Nüsse, Kugeln und Sperlinge oder als Mann Präfekten und Könige um Geld, Landgüter und Sklaven betrügt - nur folgen später der Rute schwerere Strafen. Der Demut Bild hast du also, unser König, in der kindlichen Gestalt uns vorgehalten, als du sagtest: „Ihrer ist das Himmelreich“39.

      20. Augustinus dankt für das Gute, das ihm schon in der Kindheit zuteil geworden.

      Und dennoch Dank dir, o Herr, dir, dem erhabensten und besten Schöpfer und Lenker des Weltalls, dir, unserm Gotte Dank, auch wenn ich nach deinem Willen nur das Alter eines Knaben gelebt hätte. Denn auch damals lebte ich und existierte und empfand und trug Sorge für die Unversehrtheit meines Herzens, des Nachbildes der geheimnisvollen Einheit, die mich geschaffen. Mein inneres Empfinden wache über die Gesundheit meiner Sinne, und selbst bei geringfügigen Ursachen und beim Nachdenken über Unbedeutendes hatte ich meine Freude an der Wahrheit. Betrug haßte ich, über ein treffliches Gedächtnis verfügte ich, an Sprachfertigkeit nahm ich zu, Freundschaft tat mir wohl, Schmerz, wegwerfende Behandlung, Unwissenheit floh ich. Was ist doch nicht alles an so einem Lebewesen wunderbar und preiswürdig? Aber das alles sind Geschenke meines Gottes, nicht ich habe sie mir gegeben: ewige Güter sind es, die mein Ich ausmachen. Gut ist also auch der, der mich geschaffen; er selbst ist mein Gut, und ihm juble ich zu wegen all der Güter, die er schon dem Knaben verliehen. Darin bestand ja meine Sünde, daß ich nicht in ihm selbst, sondern in seinen Geschöpfen mich und was es sonst an Freude, Größe und Wahrheit gibt, suchte; so mußte ich in Schmerz, Beschämung und Irrtum verwickelt werden. Dank dir, meine Süßigkeit, meine Ehre und meine Zuversicht, Dank dir für deine Geschenke, mein Gott; aber erhalte sie mir auch! Denn so wirst du auch mich erhalten, und deine Güter werden vermehrt und vervollkommnet werden, und ich selbst werde bei dir sein, da ich ja auch mein Sein dir verdanke.

      Zweites Buch

      1. Er erinnert sich seiner Jugend und ihrer Fehler.

      

       Inhaltsübersicht.

       Augustinus beweint sein sechzehntes Lebensjahr, in welchem er nach dem Abgang von der Schule zu Madaura während seines Aufenthaltes zu Hause sich in einen Abgrund von Sinnlichkeit, in ein völlig zügelloses Leben gestürzt hat. Mit besonderer Strenge beurteilt er dabei einen damals gemeinsam mit Kameraden begangenen Diebstahl.

      Ich will die schimpflichen Taten meiner Jünglingsjahre und die fleischlichen Verirrungen meiner Seele mir in die Erinnerung zurückrufen, nicht weil ich sie liebe, sondern damit ich dich, mein Gott, umso mehr liebe. Nur aus Liebe zu deiner Liebe tue ich es, wenn ich in der Bitterkeit des Wiedergedenkens jene überaus nichtswürdigen Wege noch einmal wandle, damit ich deine Süßigkeit schmecke, du nie trügende Süßigkeit, du glückselige, sichere Süßigkeit und mich sammle aus der Zerstreuung, in die ich Schritt um Schritt geraten bin da ich mich von dir, dem Einen, abwandte und in vieles verlor. Denn einst, in meiner Jugend, glühte ich vor Begierde, mich an den niedrigsten Genüssen zu sättigen; verwildern ließ ich mich in wechselnden und lichtscheuen Liebeleien, so daß meine Schönheit schwand und ich zur Eiterbeule in deinen Augen wurde, während ich doch mir selbst gefiel und den Augen der Menschen zu gefallen bestrebt war.

      2. Das sechzehnte Lebensjahr verfließt in glühender Sinnlichkeit.

      Und was anderes erfreute mich da, als zu lieben und geliebt zu werden? Aber nicht Seelenbande im lichtvollen Reiche der Freundschaft hielten mich; nein, aus der sumpfigen Begierde des Fleisches und dem Strom der Sinnlichkeit stiegen Nebel auf, die mein Herz so umwölkten und verfinsterten, daß es nicht mehr den hellen Glanz der Liebe von der Dunkelheit der Sinnenlust unterscheiden konnte. Wirr wogte beides in mir, riß meine widerstandsunfähige Jugend durch die Abgründe der Leidenschaften und versenkte sie in einen Strudel von Schandtaten. Mächtig schwebte dein Zorn über mir, ohne daß ich es wußte. Taub war ich geworden infolge des Kettengeklirres meiner Sterblichkeit; das war die Strafe für die Hoffart meiner Seele. Doch immer weiter entfernte ich mich von dir, ohne daß du mir ein Ziel setztest; hin- und hergeschleudert wurde ich, ich schwelgte, ich zerfloß und wallte über in meinen sinnlichen Ausschweifungen, und du schwiegst dazu, o meine späte Freude! Damals schwiegst du, und immer weiter entfernte ich mich von dir, und immer neue Saaten der Schmerzen entsprossen ohne Frucht meiner stolzen Verworfenheit und ruhelosen Ermattung.

      Wer hätte auch meine Zerrissenheit endigen, wer dem flüchtigen Reiz, den jede neue Erscheinung hervorrief, ein festes Ziel setzen, wer ihrem süßen Zauber Einhalt tun sollen, daß die unruhigen Wogen meiner Jugendzeit im Hafen der Ehe sich brachen und ich mit dem Zwecke, Kinder zu erzeugen, so wie dein Gesetz, o Herr, es vorschreibt, zufrieden war? Du lässest ja unserem dem Tode verfallenen Geschlechte Samen erwachsen, wie du auch mit sanfter Hand die Dornenqualen, die dein Paradies nicht kennt, milderst. Denn deine Allmacht ist nicht fern von uns, auch wenn wir von dir entfernt sind. Oder hätte ich wenigstens genauer auf die Stimme geachtet, die aus deinen Wolken drang: „Den Stachel des Fleisches werden solche haben; ich aber schone euer“40 und: „Es ist gut für den Menschen, kein Weib zu berühren“41, ferner: „Wer kein Weib hat, sorgt für das, was Gottes ist, wie er nämlich Gott gefalle; wer aber durch die Ehe gebunden ist, sorgt für das, was der Welt ist, wie er dem Weibe gefallen möge“42. Hätte ich also wachsamer auf solche Stimmen geachtet, dann würde ich jetzt als „ein Verschnittener um des Himmelreichs willen“43- glücklicher deinen Umarmungen entgegenharren.

      Doch als ich meinem ungezügelten Triebe folgte und dich verließ, entbrannte ich Unglückseliger und überschritt alle von dir gesetzten Schranken des Erlaubten, ohne jedoch deiner Züchtigung zu entgehen; wer von den Sterblichen vermöchte dies auch? Denn immer warst du mir nahe mit deinem erbarmungsvollen Zorne; alle meine unerlaubten Freuden übergossest du mit gar bitterem Weh, auf daß ich es lernte, Freuden ohne Schmerzen zu suchen, und dann nichts fände außer dir, o Herr, außer dir, der du uns „den Schmerz zum Lehrmeister gesetzt hast“44, der du schlägst, um zu heilen, tötest, damit wir dir leben. Wo war ich, wie weit verbannt von der Freude deines Hauses in jenem sechzehnten Jahre meines Lebens, als die Wollust Gewalt über mich erhielt und ich mich völlig der Sinnenlust auslieferte, die zwar wegen der schimpflichen Nachsicht der Menschen sich alle Freiheiten herausnimmt, aber trotzdem vor deinem Gesetze verboten ist? Und da sorgten noch nicht einmal die Meinigen, mich auf meinem abschüssigen Wege durch die Ehe aufzuhalten; ihre Sorge war es lediglich, wie ich es lernte, eine möglichst gute Rede auszuarbeiten und durch meinen Vortrag meine Zuhörer zu gewinnen.

      3. Die Pläne der Eltern Augustins.

      In jenem Jahre erfuhren meine Studien eine Unterbrechung, als mir nach meiner Rückkehr aus dem nahen Madaura, wo ich mich bereits zum Studium der Grammatik und Rhetorik aufgehalten hatte, die Mittel für einen längeren Aufenthalt in Karthago bereitgestellt wurden; das allerdings entsprach mehr dem Ehrgeiz als dem Vermögen meines Vaters, eines immerhin nur bescheidenen Bürgers von Tagaste. Doch wem erzähle ich dies? Doch nicht dir, mein Gott, sondern vor deinem Angesichte erzähle ich dies meinem Geschlechte, dem Menschengeschlechte, mag auch die Zahl derer, die je auf diese meine Schrift geraten, nur gering sein. Und warum tue ich dies? Doch nur deshalb, damit ich und alle Leser erkennen, aus welch großer Tiefe wir zu dir rufen dürfen. Und wem neigt sich dein Ohr lieber als einem reuigen Herzen und einem Leben im Glauben? Denn wer erhob damals nicht jenen Mann, meinen Vater, mit Lobsprüchen, daß er über sein Vermögen hinaus alles, was man für einen Studienaufenthalt in der Ferne braucht, auf seinen Sohn aufwenden wollte? Dachten doch viele weit besser gestellte Bürger nicht daran, ihren Kindern ein solches Opfer zu bringen. Dabei aber kümmerte es meinen Vater gar nicht, welche Entwicklung ich vor dir nahm oder wie keusch ich war, wenn ich nur beredt war; in Wirklichkeit aber war ich verwildert, da ich fern von deiner Pflege war, o Gott, der du der einzige wahre und gute Herr deines Ackers, meines Herzens, bist.

      Als aber in jenem meinem sechzehnten Lebensjahre wegen der häuslichen Verhältnisse eine Unterbrechung der Studien eintrat und ich bei den Eltern weilte, da wuchsen die Dornen der Lüste über mein Haupt, ohne daß