Mein Umweg zum Glück. Cathy Hummels. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cathy Hummels
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783710951176
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mich daran, dass die Wände dünn waren und unser Haus insgesamt recht hellhörig. Bei geschlossener Tür hörte ich, wenn mein Vater Musik machte oder mein Bruder Fernsehen schaute.

      Hinter dem Haus gab es einen Garten, wo ich mit meiner damaligen und heute immer noch besten Freundin Steffi spielen konnte. Wir waren Nachbarskinder und lernten uns im Alter von drei Jahren kennen. Wahnsinn, wenn man sich das überlegt. Ich kenne ein Leben ohne sie überhaupt nicht. Und vor Kurzem wurde auch sie Mutter. Steffi arbeitet für eine Eventagentur und unterstützt mich manchmal bei meinen Projekten. Privates und Berufliches überschneiden sich bei uns bisweilen, und wir helfen uns gegenseitig in jeder Lebenslage. Steffi war auch meine Trauzeugin.

      Ich habe nicht viele Freunde aus meiner Kindheit, aber die wenigen, die übrig geblieben sind, bedeuten mir unglaublich viel. Neben Steffi zählen auch noch Jessica, Maria und meine Schwester zu meinem Inner Circle. Jessica kenne ich jetzt auch schon seit acht Jahren, und Maria lernte ich vor gut zehn Jahren kennen. Unser aller Kontakt ist eng, auch wenn wir uns nicht jeden Tag sehen können. Aber wir telefonieren viel, schreiben uns über WhatsApp, schicken uns Fotos und Sprachnachrichten. Wenn die Zeit es zulässt, verreisen wir auch gerne gemeinsam. Für sie würde ich meine Hand ins Feuer legen, und ich bin mir sicher, umgekehrt gilt das ebenso.

      In Sachen Freundschaft bin ich eine treue Seele, ich mag es, Menschen um mich zu haben, die mich bis aufs Mark kennen und denen ich mich nicht erklären muss. Darin besteht der Kern dessen, was Freundschaft auszeichnet. Immer füreinander da zu sein, den anderen genauso zu lassen, wie er ist, ihn zu akzeptieren und vor allem die Gewissheit zu haben, dass der andere da ist, auch wenn man mal ein paar Tage nichts voneinander hört. Es gibt Zeiten, in denen ich wegen Ludwig oder aus beruflichen Gründen für eine Weile abtauche und mich nicht melden kann. Keine von meinen Freundinnen würde in solchen Fällen beleidigt reagieren. Und selbst wenn wir uns mal für ein paar Monate nicht sehen, fühlt es sich beim nächsten Mal so an, als sei das letzte Treffen erst gestern gewesen.

      Grundsätzlich war ich immer jemand, der schnell anderen sein Herz öffnet, ich glaube an das Gute im Menschen. Mittlerweile brauche ich ein bisschen Zeit, bis ich einem Menschen mein Vertrauen schenke. Das habe ich mir mit der Zeit angewöhnt. Auch aus Selbstschutz. Ich würde von mir behaupten, eine ganz gute Menschenkenntnis zu besitzen, trotzdem bin ich vorsichtig geworden. Ich musste auf die harte Tour lernen, dass es da draußen nicht nur Leute gibt, die es gut mit einem meinen. Wenn mich das Gefühl beschleicht, ein Kontakt könnte in die falsche Richtung abdriften, nehme ich schnell Abstand. So musste ich beispielsweise erst lernen, manche Journalisten richtig einzuordnen und nicht gleich wie Freunde zu behandeln. Ich erkannte nicht, dass ihre angeblich vertraute Art, ihre Späße und das nette Miteinander einzig beruflichen Zielen dienten. Ich möchte gar nicht alle Journalisten über einen Kamm scheren, mit den meisten komme ich gut zurecht. Aber es gibt eine gewisse Klientel unter ihnen, die sich gerne angesprochen fühlen dürfen.

      Wir, die Fischers, zählten zu dem, was man als klassische Mittelschicht bezeichnen würde. Meine Eltern hatten ein gutes Auskommen, aber mit drei Kindern konnten sie auch keine allzu großen Sprünge machen. Dennoch hat es uns nie an etwas gemangelt, auch wenn am Ende des Monats nicht viel übrig blieb. Als Letztes gespart hätten unsere Eltern an unserer schulischen Bildung. Da machten sie wirklich alles möglich, um uns den bestmöglichen Start ins Leben zu verschaffen. Mein Bruder und ich gingen für ein Austauschjahr nach Amerika, und meine kleine Schwester besuchte eine Privatschule.

      Werde ich gefragt, ob ich ein Mutter- oder Vaterkind war, fällt die Antwort differenziert aus. Momentan bin ich eher ein Vaterkind. Was daran liegt, dass mein Vater bedingungslos alles liebt, was ich derzeit mache. Er zeigt mir, wie stolz er ist, indem er sich für meine Aktivitäten interessiert und jeden Beitrag oder Medienbericht sammelt und aufbewahrt. Er verfolgt auch, was ich tagtäglich bei Instagram poste. Dazu muss ich sagen, dass er auch mehr Zeit hat als meine Mutter, die mich natürlich ebenso unterstützt, wo es nur geht. Aber sie steht noch komplett im Berufsleben, mein Vater hingegen geht bald in den Ruhestand.

      Wir ähneln uns in vielen Dingen, können sehr gut ohne Halligalli auskommen, ziehen die Ruhe gerne mal dem Feiern vor und müssen nicht ständig im Austausch mit anderen sein. Das mag jetzt vielleicht überraschen, wenn man sieht, wo ich überall beruflich herumturne, was ich poste und wie viel ich von mir offenbare. Aber das gehört zum Job, den ich sehr genieße. Genauso wie die stillen Momente, wenn ich für mich bin, wenn ich Yoga mache, wenn ich abends das Handy weglege. In der Hinsicht sprechen mein Vater und ich also die gleiche Sprache. Ich habe aber auch viel von meiner Mutter mitbekommen. Mein Ehrgeiz zum Beispiel kommt eindeutig von ihr. Das Kämpferische, das Getriebene, das Perfektionistische – hier zeigt sich die genetische Handschrift meiner Mutter. Es ist schon interessant, wenn man mit der Zeit beginnt, Gemeinsamkeiten zwischen sich und seinen Eltern auszumachen, und merkt: Aha, da reagiere ich wie die Mama, das mache ich genau wie der Papa. Spannend und schön.

      Um zu verdeutlichen, wer ich bin und warum ich bin, wie ich bin, möchte ich im Stammbaum meiner Familie noch ein wenig weiter zurückschauen. Meine Großeltern, sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits, hatten auf ganz unterschiedliche Weise Einfluss auf mich. Von der großbürgerlichen Herkunft meines Vaters habe ich schon berichtet. Die Eltern meiner Mutter hatten einen ganz anderen Hintergrund. Meine Großmutter, Annemarie Wald, kam 1935 in Ungarn zur Welt. Die Walds waren sogenannte Donauschwaben, sie gehörten der deutschstämmigen Minderheit in Ungarn an. Sie lebten in Majs, einem Nachbarort von Lippó nahe der serbischen Grenze. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs floh die Familie vor dem Einmarsch der Roten Armee in den Westen. Fast alle Dorfbewohner – Frauen, Kinder und die Männer, die nicht im Krieg waren – machten sich auf den beschwerlichen Weg nach Deutschland. Annemaries Vater war zu dem Zeitpunkt in Frankreich an der Front. Viele Ungarndeutsche kehrten später in ihre Heimat zurück, nicht aber die Familie meiner Großmutter. Mein Urgroßvater, Johann Wald, hielt es für klüger, in Deutschland zu bleiben. In Ungarn waren sie wohlhabende Bauern gewesen, angesehene Leute, die auf einem großen Anwesen lebten. Nach dem Krieg hatte man sie, wie viele andere, enteignet. Von dem Besitz war ihnen nichts geblieben außer zwei Pferden, die sie mit auf die Flucht genommen hatten. Annemaries Familie wurde zunächst in Niederbayern sesshaft, in Osterhofen im Landkreis Deggendorf. Ein Bauer gab ihnen eine Unterkunft und stellte ihnen zur Bewirtschaftung ein Stück Feld zur Verfügung, im Gegenzug halfen sie auf dem Hof mit. Mein Urgroßvater, der in französische Kriegsgefangenschaft geraten war, stieß erst hier wieder zum Rest der Familie dazu. Die Wiedersehensfreude nach den Jahren der Trennung und der Ungewissheit kann man sich kaum vorstellen.

      Lange blieben die Walds aber nicht in Osterhofen, denn Johann fand in der Gegend keine Arbeit. Deswegen ging er zunächst allein nach München, wo man händeringend Männer suchte, die beim Wiederaufbau mitanpackten. Mit seinem Lohn und etwas geliehenem Geld erwarb er schon bald ein kleines Grundstück in Unterschleißheim und holte die Familie nach. Annemarie machte dort in einem Kloster eine Hauswirtschaftslehre. Zwei Jahre blieb sie bei den Klosterschwestern und wurde zur perfekten Hausfrau ausgebildet. Mit siebzehn fing sie an, in der Weberei Alexander Pachmann in Unterschleißheim als angelernte Weberin zu arbeiten. Dort stellte man Textilprodukte her, die in die ganze Welt verkauft wurden.

      Mein Großvater, Albert Messmann, stammte aus Burglengenfeld in der Oberpfalz und wurde, wie Annemarie, im Jahr 1935 geboren. Er war ein sehr talentierter, sehr leidenschaftlicher Fußballspieler, der im Nachkriegsdeutschland vielleicht Karriere als Profi hätte machen können. Zumindest machte man ihm einmal ein konkretes Angebot. Aber mein Großvater lehnte ab. Niemand aus seinem Umfeld konnte das nachvollziehen. »Warum machst du das nicht?«, fragten alle kopfschüttelnd. »Wie kannst du dir so eine Chance entgehen lassen?« Er hatte andere Prioritäten: die Familie. Er wollte nicht weg aus der Heimat, er wollte nah bei seiner Mutter bleiben. Später zog es ihn auf der Suche nach Arbeit dann doch in Richtung München, und so landete er in Unterschleißheim, wo er meine Großmutter kennenlernte. Albert wurde Heizungsmonteur und arbeitete in diesem Beruf bis zur Rente.

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       Opa Albert (li.) auf dem Fußballplatz

      In der Freizeit spielte mein Großvater weiterhin Fußball, aber nur dann, wenn ihm der Sinn danach stand. Da war er ganz konsequent und