Mein Umweg zum Glück. Cathy Hummels. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cathy Hummels
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783710951176
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also nicht aufs Gymnasium wechseln, eine weiterführende Schule ließ sie sich aber nicht verbieten und bewarb sich heimlich an der Realschule. Dafür benötigte sie die Unterschrift ihrer Eltern, und die bekam sie auch, aber das ganze Prozedere hat sie letztlich allein durchgezogen.

      Ich bewundere sie dafür, wie sie ihr Ding gemacht hat. Meine Mutter war schon immer eine taffe Frau. Dem Realschulabschluss folgte eine Banklehre, anschließend erwarb sie an der BOS die fachgebundene Hochschulreife, um an der LMU in München Steuerrecht und Revisions- und Treuhandwesen studieren zu können. Als Studienschwerpunkt entschied sie sich für Steuerrecht, um sich später mit eigenem Büro niederlassen zu können. Denn zu dem Zeitpunkt war die Familiengründung in vollem Gange. Mein großer Bruder Sebastian war schon auf der Welt, und meine Mutter nahm ihn gelegentlich mit zu den Vorlesungen. Nach der Uni machte sie wie geplant ihren Steuerberater und ging in die Selbstständigkeit.

      Die Entscheidung für Familie plus Karriere, sagt sie heute, sei goldrichtig gewesen, und sie würde es jederzeit genauso wieder machen. In dieser Beziehung ist meine Mutter Vorbild für mich. »Nur« den Haushalt zu managen, wäre für sie auch schon deswegen nie infrage gekommen, da sie der Meinung war, der Job einer Hausfrau und Mutter werde gesellschaftlich zu wenig wertgeschätzt. Schon als Kind hatte sie sich in den Kopf gesetzt, sich nicht mit den typischen Mädchen-Dingen abspeisen zu lassen. Dass die Jungs in der Schule werken und basteln durften, während die Mädchen stricken mussten, das sah die kleine Marion nicht ein. Sie bestand darauf, das zu tun, was sie tun wollte, und nicht das, was andere für sie entschieden hatten. Zum Beispiel wollte sie auch Fußball spielen – und natürlich durfte sie auch das nicht. Für Mädchen gab es damals noch nicht mal einen Fußballverein!

      Alfred Fischer, mein Vater, ist ein waschechter Münchner. Von Beruf Bauingenieur, aus Berufung Musiker. Seine Kindheit unterschied sich fundamental von der meiner Mutter. Hier die Messmanns, eine eher kleinbürgerliche Handwerkerfamilie in Unterschleißheim, dort die großbürgerliche, wohlhabende, aber auch – vor allem für damalige Zeiten – eher unkonventionelle Familie Fischer/Sieber in München.

      Seine Mutter, meine Oma Hildegard Fischer, war Modedesignerin, und ihr Mann, Großvater Ludwig Sieber, ein bekannter Architekt in Nürnberg und München. Die beiden waren nie verheiratet und zum Zeitpunkt von Papas Geburt auch längst schon kein Paar mehr, vermutlich passte ein Kind auch gar nicht in ihr Leben. Ich mag darüber nicht urteilen, nachvollziehen kann ich ihre Entscheidung, das eigene Kind nicht selbst großzuziehen, sondern wegzugeben, nicht.

      Mein Großvater arbeitete in den USA, als mein Vater – ein klassischer »Betriebsunfall« – in München zur Welt kam. Sein Beruf als Architekt brachte es mit sich, dass er mal hier, mal da lebte und Häuser für eine sehr reiche Klientel entwarf. Mein Vater war fast zwei Jahre alt, als sein Vater nach Deutschland zurückkehrte. Weil auch meine Oma berufstätig war, verbrachte der Kleine sein erstes Lebensjahr bei den Eltern seiner Mutter. Als gelernte Schneiderin und Schnittdirektrice hatte sich Hildegard im Modedesign spezialisiert. Sie arbeitete mit angesehenen Geschäftsleuten ihrer Branche zusammen und war beispielsweise mit Willy Bogner befreundet. Sie liebte die Modewelt und führte ein modebewusstes Leben. Für ihren Sohn hatte sie in jungen Jahren wenig Zeit. Damals hatte man es als ledige Mutter aber auch alles andere als leicht. Sie musste sich selbst durchs Leben schlagen. Schließlich wurde mein Vater krank. Vielleicht lag es an einer zu einseitigen Ernährung, das weiß niemand mehr so genau, die Ärzte diagnostizierten Tuberkulose bei ihm. Er brauchte professionelle Hilfe und kam für ein Jahr in ein Sanatorium in den Bergen, nach Achatswies. Man überlegte hin und her, wie man nach der Genesung des Kindes weiter vorgehen würde und ob es nicht das Beste wäre, ihn in ein Heim zu geben. Gott sei Dank kam es anders. Der Vater seines Vaters sprach ein Machtwort und er kam zu seinen Großeltern väterlicherseits. Jetzt hatte er endlich und zum ersten Mal ein richtiges Zuhause und blühte auf. Leider starb der Großvater, kurz bevor mein Vater eingeschult wurde. Danach war seine Oma die alleinige Erziehungsberechtigte. Seinen Großeltern ist er bis heute unendlich dankbar, nur durch sie sei etwas aus ihm geworden.

      Trotzdem waren diese Kindheitsjahre sicherlich keine leichten für meinen Vater, er hat sich aber nie beklagt, für ihn war es »normal«. Im Alter von elf oder zwölf Jahren bekam er seine erste eigene Gitarre und fing an, Musik zu machen. Die Musik war seine Rettung, sein Weg, sich zu emanzipieren. Das finde ich ganz stark von ihm, und darauf kann er stolz sein. Er ist Autodidakt, brachte sich alles selbst bei. Unterricht war damals leider keine Option, obwohl er ihn sehr gern genommen hätte. Er war durchaus erfolgreich, spielte in München in einer Band, mit der er auf Veranstaltungen, Familienfesten und Hochzeiten auftrat. Mit der Musik verdiente er sein erstes eigenes Geld – er war ein richtiger Rock ’n’ Roller und tanzte auch gern Rock ’n’ Roll. Und dennoch entschied er sich, auf ein anderes Pferd zu setzen als nur auf die Musik, und studierte parallel Ingenieurwesen. Für diese Stärke und seine lebensbejahende Art bewundere ich meinen Vater.

      Die Musik begleitet ihn bis heute. So ganz hat sie ihn nie losgelassen, und das ist auch gut so. Vor etwa zwei Jahren fing er wieder an, mehr zu spielen, und tat sich mit einem Akkordeonspieler zusammen. Gemeinsam treten die beiden auf, ihr Repertoire reicht von volkstümlicher Musik über Rock ’n’ Roll bis hin zu Schlagern. Eigentlich spielen sie alles, was die Leute hören möchten. Besonders hat mich gefreut, als mein Vater bei meiner Hochzeit spielte. Das hatte ich mir gewünscht. Gemeinsam mit seinem Freund Harry, der Keyboard spielt, übte er im Vorfeld wie wild, da die Songs nicht zu ihrem üblichen Repertoire zählten. Als wir nach dem Standesamt auf der Dachterrasse des Bayerischen Hofs ankamen, spielten sie »In the Mood« von Glenn Miller. Und kurz darauf »Ganz in Weiß« (das war der Vorschlag meiner Mutter, mein Vater hat es ja eher mit Rock ’n’ Roll und Swing). »Das hast du aber schön gedichtet«, meinte ich zu meinem singenden Vater. Meine Mutter musste lachen: »Schön wär’s, dann hätten wir ausgesorgt.« »Swinging Safari«, »Que Sera« oder »Mamor, Stein und Eisen bricht« – ihre Darbietungen verliehen der Feier einen persönlichen Touch. Später kam dann auch noch eine professionelle Band zum Einsatz.

      Ich muss mir ein wenig auf die eigene Schulter klopfen, denn nachdem ich meinen Vater zum Spielen auf unserer Hochzeit animiert hatte, entflammte das Musikfieber wieder in ihm und er begann, seine große Leidenschaft zu reaktivieren. Bis heute hält die Spielfreude an, was ich natürlich toll finde.

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       Meine Eltern – frisch verliebt!

      Meine Eltern lernten sich sehr jung kennen. Mama war achtzehn, Papa zweiundzwanzig Jahre alt. Sie lebte in Unterschleißheim, ging in Freising auf die Realschule und sehnte sich als Dorfkind nach dem Duft der großen weiten Welt. Sie wollte partout keinen Freund aus Unterschleißheim, lieber einen aus München oder von noch weiter weg. Jemanden, der ihren Horizont erweitern konnte. Eines Tages nahm eine Freundin sie mit zu einer Party, zu der auch Jungs aus München kommen sollten. An diesem Abend lernte sie meinen Vater kennen. Er war der Auserkorene und nach kurzer Zeit wurden die beiden ein Paar.

      Die beiden studierten noch eine Zeit lang parallel, wobei Papas Ingenieursstudium schon weiter fortgeschritten war. In den Semesterferien nahm er Jobs an, um Geld für die junge Familie zu verdienen, während meine Mutter mit meinem Bruder zu Hause blieb. In dieser Zeit war sie dann »nur« Hausfrau. Bis heute betont sie, wie sehr sie diese Zeit genossen hat, wohlwissend, dass sie nach zwei, drei Monaten zurück an die Uni gehen und wieder etwas lernen würde. Wenn sie eine Klausurphase hinter sich gebracht hatte, freute sie sich wiederum auf ihre Familienzeit. Es waren zwei Leben, die sie nebeneinander führte und die ihr beide gleich wichtig waren. Sie sagte immer: »Wenn irgendwas im Job passiert, wird die Familie da sein und Halt geben.« Heute leitet sie ein eigenes Steuerbüro und ist auch mir beruflich eine große Hilfe. Wenn sie in ihrer Kanzlei einen komplizierten oder besonders herausfordernden Fall abgeschlossen hatte, berichtete sie uns zu Hause stolz von ihrem Erfolgserlebnis. Gleichzeitig wäre das ohne die Familie für sie nur halb so viel wert.

      Nach dem Studium an der TU München arbeitete mein Vater kurz bei einer bekannten Münchner Bauunternehmung, um dann sein Referendariat beim Freistaat Bayern abzuleisten. Schlussendlich landete er bei einem Münchner Unfallversicherungsträger und arbeitete dort als Technischer Aufsichtsbeamter. Ein festes Grundeinkommen