Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659820
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      Ja sie scheinen ihnen sogar zur Befriedigung ihrer Begierden behilflich gewesen zu sein, jedenfalls haben sie deren Zügelung nicht zu ihrer Sache gemacht; standen sie doch dem Marius, einem politischen Neuling von obskurer Herkunft, dem blutrünstigen Urheber und Leiter von Bürgerkriegen, bei, daß er siebenmal Konsul wurde und in seinem siebenten Konsulate hochbetagt starb, ehe er in die Hände Sullas fiel, der bald hernach als Sieger auftrat. Haben ihm nämlich die Götter dazu nicht verholfen, so ist das ja ein köstliches Eingeständnis; denn dann kann auch ohne die Gunst ihrer Götter dem Menschen ein so großes zeitliches Glück, das ihnen nur zu sehr am Herzen liegt, zuteil werden; Menschen wie ein Marius können dem Zorn der Götter zum Trotz in den Vollgenuß des Wohlergehens, der Kraft, der Macht, der Ehren, des Ansehens und der Langlebigkeit gelangen und darin bis ans Ende verbleiben, und Menschen wie ein Regulus können trotz der Freundschaft der Götter durch Gefangenschaft, Sklaverei, Mangel, Schlaflosigkeit und Schmerzen gepeinigt und zu Tode gemartert werden. Wenn sie das zugeben, so gestehen sie damit schlankweg, daß die Götter nichts nützen und es überflüssig ist, sie zu verehren. Denn wenn die Götter hinsichtlich der seelischen Tugenden und der Rechtschaffenheit des Lebens, wofür der Lohn nach dem Tode zu erwarten steht, eher abträgliche Einrichtungen dem Volke darboten und wenn sie nun auch hinsichtlich der vergänglichen und zeitlichen Güter ihren Feinden nicht zu schaden und ihren Freunden nicht zu nützen vermögen, was verehrt man sie dann, was fordert man so stürmisch, daß man sie verehren solle? Warum murrt man in bedrängten und schlimmen Zeiten, als hätten sie sich beleidigt zurückgezogen, und schleudert ihretwegen wider die christliche Religion die empörendsten Schmähungen? Haben sie aber Gewalt, in derlei Dingen Gutes und Schlimmes zu erweisen, warum standen sie dann hierin dem ruchlosen Marius zur Seite, während sie den wackeren Regulus im Stiche ließen? Sieht man hieran nicht, daß sie höchst ungerecht und böse sind? Wenn man aber meint, daß sie gerade deshalb zu fürchten und zu verehren seien, so tut man ihnen abermals der Ehre zuviel an; denn Regulus hat sie offenbar nicht weniger verehrt als Marius. Auch darf man darum nicht meinen, daß man sich nur für ein möglichst schlechtes Leben zu entscheiden brauche, da die Götter angeblich dem Marius günstiger waren als dem Regulus. Denn einer der trefflichsten unter den Römern, Metellus, der fünf Söhne von konsularischem Rang hatte, war auch in zeitlichen Gütern mit Glück gesegnet, der ruchlose Catilina dagegen, der in der drückendsten Armut lebte und in dem durch seinen Frevel veranlaßten Kriege fiel, hatte in zeitlichen Dingen Unglück, und des allein wahrhaften und sicheren Glückes erfreuen sich nur die Guten, die Gott verehren, der allein solches Glück verleihen kann. Als demnach jenes Gemeinwesen an Sittenverderbnis zugrunde ging, haben ihre Götter nichts getan zur Lenkung oder Besserung der Sitten, um dem Untergang vorzubeugen; im Gegenteil, sie haben durch Verschlechterung und Verderbung der Sitten dazu beigetragen, den Untergang zu beschleunigen. Auch sollen sie sich ja nicht in den Tugendmantel hüllen, als hätten sie sich zurückgezogen, gleichsam beleidigt durch die Schlechtigkeit der Bürger. Nein, nein, sie waren da; sie verraten sich, sie werden überführt; sie vermochten freilich nicht durch Vorschriften Abhilfe zu schaffen, aber auch nicht durch Schweigen sich verborgen zu halten. Ich will nicht daran erinnern, daß Marius von den mitleidigen Minturnensern der Göttin Marica[117] in ihrem Haine empfohlen ward, es möge ihm alles gut gelingen, und siehe da, er, der eben noch am Rande des Abgrundes stand, kehrte unversehrt und blutgierig an der Spitze eines blutgierigen Heeres in die Stadt zurück; wie blutig dort sein Sieg war, wie unbürgerlich, unmenschlicher als ein Feindessieg, das mag man bei den Geschichtsschreibern nachlesen. Doch, wie gesagt, ich will das übergehen und schreibe auch dieses bluttriefende Glück des Marius nicht einer Marica zu, sondern vielmehr der geheimen Vorsehung Gottes, die denen den Mund schließen und Befreiung vom Irrtum gewähren wollte, welche sich nicht von Voreingenommenheit leiten lassen, sondern mit klarem Blick darauf achten, daß die Dämonen, wenn sie auch in dieser Hinsicht irgend etwas vermögen, doch nur soviel vermögen, als ihnen nach dem geheimen Ratschluß des Allmächtigen gestattet ist, damit wir das irdische Glück nicht überschätzen, das ja auch den bösen Menschen, wie eben dem Marius, in der Regel zuteil wird, aber es auch anderseits nicht für verwerflich halten, da sich dessen, wie wir sehen, auch viele fromme und gute Verehrer des einen wahren Gottes wider den Willen der Dämonen in hohem Grade zu erfreuen hatten, und damit wir nicht gar wegen eben dieser zeitlichen Güter oder Übel die unreinen Geister günstig stimmen oder fürchten zu sollen glauben, da sie ebenso wie die bösen Menschen auf Erden nicht alles, was sie wollen, zu tun vermögen, sondern nur soviel, als nach der Fügung Gottes zugelassen wird, dessen Gerichte niemand völlig begreift, niemand mit Recht begeifert.

      

       24. Ganz offen zeigten sich die Dämonen als Helfershelfer Sullas.

      

      Jedenfalls waren dem Sulla seinerseits, dessen Zeiten der Art waren, daß man sich nach den eben vorangegangenen sehnte, von denen er die Welt zu befreien vorgab, bei seinem Zug nach der Stadt wider Marius[118] , wie Livius berichtet, die Vorzeichen in den Eingeweiden der Opfertiere so günstig, daß der Opferschauer Posturnius erklärte, er wolle sich in die Haft begeben und der Todesstrafe gewärtig sein, wenn Sulla seine Absichten nicht mit Hilfe der Götter durchführe. Da haben wir's ja: die Götter hatten ihre Tempel und Altäre nicht verlassen und sich zurückgezogen, da sie doch über den Ausgang der Sache eine Vorhersagung machten, ohne sich freilich um die Besserung Sullas zu kümmern. Sie verhießen in einer Prophezeiung ein großes Glück, aber der bösen Gier setzten sie keinerlei Drohung entgegen. Ferner, da er in Asien den Krieg gegen Mithridates führte, ließ ihm Jupiter durch Lucius Titius verkünden, daß er den Mithridates besiegen werde, wie es auch der Fall war. Und als er sich dann später anschickte, in die Stadt zurückzukehren und das ihm und seinen Freunden zugefügte Unrecht mit Bürgerblut zu sühnen, ward ihm abermals von demselben Jupiter durch einen Soldaten der sechsten Legion verkündet, er habe vordem den Sieg über Mithridates vorhergesagt und nun verheiße er, die Macht zu verleihen, den Feinden die Regierung nicht ohne großes Blutvergießen wieder zu entreißen. Darauf ließ sich Sulla von dem Soldaten die Gestalt beschreiben, die ihm erschienen war, und erinnerte sich, daß es dieselbe sei, wie die, von der ihm der Überbringer der Verkündung des Sieges über Mithridates berichtet hatte. Was läßt sich da auf die Frage erwidern, weshalb sich die Götter angelegen sein ließen, jenes scheinbare Glück zu verkünden, während sich keiner von ihnen angelegen sein ließ, durch Warnung den Sulla zu bessern, der im Begriffe stand, auf dem verbrecherischen Weg des Bürgerkrieges ein Unheil anzustiften, dergleichen den Staat nicht nur entwürdigte, sondern in seiner ganzen Existenz vernichtete? Hier sieht man eben, daß die Dämonen, wie ich oft gesagt habe und wie uns aus der heiligen Schrift bekannt ist und die Tatsachen selbst es hinreichend erweisen, ihr eigenes Geschäft besorgen, damit sie als Götter betrachtet und verehrt werden, damit ihnen Ehren erwiesen werden, durch die die Verehrer sich ihnen zugesellen und gemeinsam mit ihnen ein und dieselbe äußerst schlimme Lage im Gerichte Gottes haben sollen.

       Als hernach Sulla nach Tarent kam und dort den Göttern opferte, sah er auf dem oberen Teil einer Kalbsleber das Bild einer goldenen Krone. Das deutete der Opferschauer Postumius auf einen glänzenden Sieg und hieß ihn diesen Teil der Eingeweide selbst zu essen. Kurz darauf rief ein Sklave eines gewissen Lucius Pontius in seherischem Geiste aus: ,,Von Bellona[119] komme ich als Bote; der Sieg ist dein, Sulla“. Er fügte noch bei, das Kapitol werde in Brand geraten. Mit diesen Worten stürmte er aus dem Lager und kam tags darauf noch aufgeregter zurück mit der Meldung, das Kapitol sei in Brand geraten. So war es auch. Dies vorauszusehen und eiligst zu verkünden, war einem Dämon leicht. Doch man beachte, auf was es hier hauptsächlich ankommt, nämlich welche Götter sich die als Herren wünschen, die den Erlöser schmähen, daß er den Willen der Gläubigen von der Herrschaft der Dämonen befreit. Jener Mann rief in seherischem Geiste: „Der Sieg ist dein, Sulla,“ und um den Glauben zu erwecken, daß er dies in göttlichem Geiste rufe, verkündete er zugleich etwas, was unmittelbar bevorstand und auch alsbald eintrat, wovon aber der, durch den der Geist sprach, räumlich weit entfernt war; dagegen rief er nicht: „Hüte dich vor Verbrechen, Sulla!“ da doch Sulla damals deren als Sieger so entsetzliche beging, er, dem eine goldene Krone als strahlendes Zeichen des Sieges an der Leber eines Kalbes erschien. Wären es wahre Götter und nicht Dämonen, die solche Zeichen zu geben pflegen, so würden