Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659820
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Gemeinschaft schon solche Menschen zu haben dich schämtest, so gibt es in jener Gemeinschaft noch viel weniger solche Götter. Wenn du dich also sehnst, zur seligen Gemeinde zu gelangen, so meide die Gemeinschaft mit den Dämonen. Unwürdig der Verehrung der Rechtschaffenen sind die, die Versöhnung durch Ehrlose entgegennehmen. Wie die Schauspieler durch zensorische Rüge von deinem Ehrenstand ausgeschlossen worden sind, so sollen die Götter durch die christliche Reinigung vor deiner Verehrung ausgeschlossen werden.

       Hier will ich mit diesem Buche Schluß machen. Wir werden weiterhin sehen, daß die Dämonen auch über die Güter der niederen Sphäre, die einzigen, die den Bösen begehrenswert erscheinen, nicht die Gewalt haben, die man ihnen beimißt [und wenn sie sie hätten, so müssten wir eben lieber auch diese Dinge verachten als um ihretwillen die Dämonen verehren und uns dadurch den Weg versperren zu den Gütern, die sie uns mißgönnen], daß sie also hierin nicht die Macht haben, wie sie ihnen von denen zugeschrieben wird, die um solcher Dinge willen die Verehrung der Dämonen zur Pflicht machen wollen.

      3. Buch

      

       1. Die Widerwärtigkeiten, die allein die Furcht der Bösen zu erregen vermögen, hat die Welt, als sie die Götter verehrte, zu allen Zeiten zu erdulden gehabt.

      

      Hinsichtlich der Schäden an Sitte und Gesinnung, die man vor allem hintanzuhalten hat, glaube ich nunmehr hinreichend erwiesen zu haben, daß die falschen Götter sich durchaus nicht bemüht haben, dem sie verehrenden Volke beizuspringen, damit es nicht unter der Last solcher Schäden erdrückt werde, sondern daß sie im Gegenteil darauf hinarbeiteten, es möglichst tief hineingeraten zu lassen. Jetzt sehe ich mich veranlaßt, von den Übeln zu sprechen, die die einzigen sind, von denen die Heiden nicht betroffen werden wollen, wie Hungersnot, Krankheit, Krieg, Plünderung, Gefangenschaft, Niedermetzelung und was ich sonst dergleichen schon im ersten Buch erwähnt habe. Derlei nämlich halten die Schlimmen für das einzig Schlimme, obwohl es nicht schlimm macht; und sie schämen sich nicht, mitten unter den Gütern, die sie rühmen, selbst schlecht zu sein, und mehr Ärger bereitet ihnen ihr Meierhof, wenn er schlecht bestellt ist, als ihr schlechtes Leben, gleich als wäre es das höchste Gut des Menschen, all das Seine in gutem Stand zu haben und nur sich selbst nicht. Indes auch solche Übel, die allein ihre Furcht erwecken, haben ihre Götter, als sie noch ohne Hindernis von ihnen verehrt wurden, nicht ferngehalten von ihnen. Denn zu der Zeit, da vor der Ankunft unseres Erlösers das Menschengeschlecht bald da bald dort und wiederholt von unzähligen und selbst unglaublichen Heimsuchungen erschüttert wurde, da verehrte die Welt keine andern Götter, nur das jüdische Volk ausgenommen und einige außerhalb desselben überall da, wo es nach dem ebenso geheimen als gerechten Urteil Gottes solche gab, die der göttlichen Gnade würdig waren. Um jedoch nicht zu sehr ins weite zu schweifen, werde ich von den schweren Leiden, die andere Völker allenthalben trafen, nichts erwähnen und mich in meinen Ausführungen auf Rom und das römische Reich beschränken, d. h. auf das, was die Stadt selbst und die Länder, die mit ihr durch Bundesgenossenschaft vereint oder ihr durch Vertrag unterstellt sind, vor der Ankunft Christi, aber nach ihrer Angliederung an den römischen Staatskörper, zu erdulden hatten.

      

       2. Haben die Götter, die von den Römern ebenso wie von den Griechen verehrt wurden, ihre Gründe gehabt, Ilion der Zerstörung preiszugeben?

      

      Zuerst von Troja oder Ilion selbst, wo die Wiege des römischen Volkes stand und wo man [ich habe dies schon im ersten Buche berührt[126] und man darf es nicht übergehen oder übersehen] die gleichen Götter hatte und verehrte: warum wurde die Stadt von den Griechen überwunden, erobert und zerstört? Man erwidert: „Priamus mußte für den Meineid seines Vaters Laomedon büßen“[127] . Demnach verhält es sich wirklich so, daß Apollo und Neptun dem Laomedon Taglöhnerdienste geleistet hatten? Denn eben diesen beiden soll er Lohn zugesagt und dann den Eid gebrochen haben. Wie merkwürdig! Apollo, den man den Seher nennt, mühte sich mit so schwerer Arbeit und wußte nicht, daß Laomedon sein Versprechen nicht halten würde. Freilich steht es auch seinem Oheim Neptun, dem Bruder des Jupiter, dem Beherrscher des Meeres, schlecht genug an, keine Kenntnis der Zukunft zu haben. Denn diesen läßt Homer[128] , der doch vor der Gründung Roms gelebt haben soll, über die Nachkommenschaft des Äneas, des Stammvaters der Gründer Roms, eine wichtige Prophezeiung aussprechen; auch entriß Neptun den Äneas, wie Homer erzählt, in einer Wolke der mörderischen Hand des Achilles, „obgleich er“, wie er bei Vergil[129] bekennt,

      „das eidschwurbrüchige Troja

       Das er selber erbaut, von Grund aus zu tilgen bereit war“.

      Es war also so erhabenen Göttern wie Neptun und Apollo verborgen, daß ihnen Laomedon den Lohn vorenthalten würde, und sie führten, ohne Lohn oder Dank zu ernten, den Bau der Mauern von Troja. Da weiß man doch eigentlich nicht, was ärger ist, an solche Götter zu glauben oder solchen Göttern meineidig zu werden. Hat ja Homer selbst diese Fabel schwerlich geglaubt; denn er läßt zwar Neptun gegen die Trojaner, Apollo aber für sie kämpfen, während doch nach der Fabel beide durch den Eidbruch gereizt waren. Wenn sie also an die Fabeln glauben, so müssen sie sich der Verehrung solcher Gottheiten schämen; wenn sie an die Fabeln nicht glauben, dann dürfen sie sich auch nicht auf den Eidbruch der Trojaner berufen, oder sie müssen es recht sonderbar finden, daß die Götter den Eidbruch bei den Trojanern straften, bei den Römern dagegen ganz gerne sahen. Wie wäre es sonst möglich gewesen, daß sich „in dem großen und sehr herabgekommenen Staat“ um Catilina bei seiner Verschwörung auch eine Masse von Leuten scharte, „denen Hand und Zunge durch Eidbruch oder Bürgerblut den Lebensunterhalt verschaffte“[130] ? Wodurch sonst als durch Meineid sündigten die Senatoren, wenn sie sich beim Rechtsprechen, sündigten die Bürger, wenn sie sich bei Wahlen oder sonstigen Anlässen, welche Bürgerversammlungen beschäftigten, unzähligemal bestechen ließen? Denn wenn bei der allgemeinen Sittenverderbnis der alte Brauch der Eidesleistung beibehalten wurde, so geschah das nicht, um durch religiöse Scheu von Verbrechen abzuhalten, sondern um zu den übrigen Verbrechen auch noch Meineide zu häufen.

      

       3. Auch der Ehebruch des Paris kann den Zorn der Götter nicht erregt haben, da sie ja selbst miteinander Ehebruch begingen.

      

      Es ist also keine Berechtigung zu der Annahme vorhanden, daß die Götter, die angeblichen „Stützen des Reiches“[131] , als sie der Übermacht der Griechen erlagen, den Trojanern ob ihrer Eidbrüchigkeit gezürnt hätten. Ebensowenig hat der Ehebruch des Paris[132] , wie manche zur Entschuldigung der Götter vorbringen, ihren Groll erregt und sie bestimmt, Troja im Stich zu lassen. Liegt es ihnen doch viel näher, zu Sünden anzureizen und anzuleiten als sie zu strafen. „Die Stadt Rom“, sagt Sallust[133] , „wurde, wie ich vernommen habe, erstmals gegründet und besetzt von den Trojanern, die als Flüchtlinge unter Anführung des Äneas ohne festen Sitz umherirrten“. Hätten also die Götter den Ehebruch des Paris strafen zu sollen geglaubt, so hätten sie für dieselbe Schandtat noch mehr oder doch auch die Römer strafen müssen, weil die Mutter des Äneas[134] einen solchen beging. Aber wie hätten sie an Paris eine Schandtat verabscheuen sollen, die sie an ihrer Genossin Venus nicht verabscheuten, den Ehebruch meine ich [um mich auf dieses eine zu beschränken], den sie mit Anchises beging und dessen Frucht Äneas war? Etwa deshalb, weil sich Menelaos über jene Schandtat entrüstete, während zu dieser Vulcanus ein Auge zudrückte? Die Götter sind nämlich, denke ich, nicht eifersüchtig auf ihre Gemahlinnen, so wenig, daß sie sich nichts daraus machen, sie auch mit Menschen zu teilen. Aber vielleicht macht man geltend, es seien nur Fabeln, gegen die ich meinen Spott kehre, und ich behandle eine so gewichtige Sache nicht ernst genug. Gut, so wollen wir annehmen, wenn es beliebt, Äneas sei nicht der Sohn der Venus. Ich bin damit einverstanden, nur darf