Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Augustinus von Hippo
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659820
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forderten und über dessen Vorenthaltung sie gezürnt hätten, auf Anmahnung der Götter hin kennen lernten? zumal da Labeo[94] , den sie als den besten Kenner in diesen Dingen rühmen, die guten Gottheiten von den bösen auch durch die Art der Verehrung in der Weise unterscheidet, daß er die bösen durch blutige Opfer und düsteren Gebetsdienst günstig gestimmt werden läßt, die guten dagegen durch heitere und fröhliche Feiern, zum Beispiel, wie er selbst sagt, durch Spiele, Gastmähler, Polsterfeste[95] . Was es mit all dem für eine Bewandtnis hat, werden wir mit Gottes Beistand später erörtern. Ob nun auch allen Göttern als guten Göttern alle diese Arten von Verehrung unterschiedslos zugewendet werden [denn es soll doch keine bösen Götter geben, obwohl vielmehr alle böse sind, weil sie unreine Geister sind], oder ob, wie Labeo meinte, mit Unterschied den einen diese, den andern jene Feiern zukommen, jedenfalls haben in der vorwürfigen Frage die Griechen völlig zutreffend geurteilt, indem sie sowohl die Priester, die den Opferdienst versehen, als auch die Schauspieler, die die Spiele aufführen, für ehrenwert erachten, damit sie nicht allen ihren Göttern, falls die Spiele allen genehm sind, oder, was noch unpassender wäre, den vermeintlich guten Göttern, falls die Spiele diesen allein zusagen, offenbares Unrecht täten.

      

       12. Die Römer haben es mit sich besser gemeint als mit ihren Göttern, da sie den Dichtern die Freiheit gegenüber den Menschen unterbanden.

      

      Die Römer indes wollten ihren Wandel und ihren Ruf, wie in dem angeführten Werk über den Staat Scipio rühmt, nicht den Anwürfen und Beleidigungen von Dichtern preisgegeben wissen und setzten sogar die Todesstrafe darauf, wenn jemand ein solches Gedicht zu verfassen sich herausnähme. Diese Bestimmung zeugt zwar hinsichtlich ihrer selbst von schönem Ehrgefühl, in bezug auf ihre Götter aber von Hochmut und Unehrerbietigkeit; da sie nämlich wußten, daß sich die Götter nicht nur geduldig, sondern selbst mit Vergnügen durch die Anwürfe und Schmähungen von Dichtern herabsetzen lassen, so erachteten sie eben solche Unbilden nicht für ihre Götter, wohl aber für sich selbst als unpassend und schützten sich davor sogar durch ein Gesetz, Schmähungen ihrer Götter dagegen reihten sie sogar unter die heiligen Feiern ein. Du rühmst also wirklich, Scipio, die Unterbindung der Freiheit römischer Dichter, auch nur einem einzigen Römer eine Schmach anzuheften, während sie, wie du siehst, nicht einen einzigen von euren Göttern verschont haben? Mehr also gilt dir der gute Ruf eurer Kurie als der des Kapitols, ja der der einzigen Stadt Rom mehr als der des ganzen Himmels, so daß den Dichtern sogar gesetzlich verboten war, die Lästerzunge wider die Bürger zu spitzen, während sie wider deine Götter ruhig und unbehelligt vom Senat und vom Zensoramt, von weltlicher und geistlicher Obrigkeit solche Schmähungen schleudern durften? Wäre es denn empörend gewesen, wenn Plautus oder Nävius auf Publius und Gn. Scipio oder Cäcilius auf M. Cato geschmäht hätte, und daß euer Terenz durch die Schandtat des besten und größten Jupiter die böse Lust der Jugend reizte, war ganz in der Ordnung?

      

       13. Die Römer hätten einsehen sollen, daß ihre Götter, die eine Verehrung durch schändliche Spiele heischten, keine göttlichen Ehren verdienten.

      

      Aber Scipio würde mir vielleicht, wenn er noch lebte, erwidern: Wie hätten wir das unter Strafe stellen sollen, was die Götter selbst als eine Form der Verehrung bestimmten, indem sie die Bühnenspiele, bei denen derlei gefeiert, gesprochen und gemimt wird, in Rom heimisch machten und zu ihren Ehren zu weihen und aufzuführen befahlen? Warum hat man dann daraus nicht vielmehr den Schluß gezogen, daß sie keine wahren Götter seien, noch irgend würdig, daß ihnen jener Staat göttliche Ehren erweise? Denn hätte man sie gewiß nicht verehren dürfen und müssen, wenn sie Spiele zur Schmach der Römer geheischt hätten, wie konnte man doch, ich bitte euch, auf den Gedanken kommen sie zu verehren, wie konnte man verkennen, daß es sich um verabscheuungswürdige Geister handle, da sie aus Freude an Lug und Trug verlangten, daß man zu ihren Ehren auch ihre Schandtaten feiere? Zudem haben die Römer, obwohl bereits in dem heillosen Aberglauben befangen, sie müßten als Götter die verehren, die sich schändliche Theaterstücke weihen ließen, wie männiglich sah, doch wieder auf ihre Würde und Ehrbarkeit soviel gehalten, daß sie die Mimen solcher Stücke keineswegs, wie die Griechen, ehrten, sondern nach Scipios Worten bei Cicero[96] , „da sie die Schauspielkunst und das ganze Bühnenwesen für schimpflich hielten, dieser Klasse von Menschen nicht nur an der Ehre der übrigen Bürger keinen Anteil gewähren, sondern sie aus ihrer Zunft durch zensorische Rüge ausgestoßen wissen wollten“. Wirklich eine außerordentliche Klugheit und einer der schönsten Züge des Römertums; aber sie sollten konsequent und sich treu bleiben. Es war ja gewiß richtig, jedem römischen Bürger, der sich für den Beruf eines Schauspielers entschied, nicht nur die Erlangung von Ehrenstellen unmöglich zu machen, sondern ihm auch durch Rüge des Zensors die eigene Zunft zu versperren. Eine Gesinnung, eifersüchtig auf die Ehre des Staates und echt römisch! Aber man erkläre mir doch, wo da die Konsequenz bleibt, wenn man die Schauspieler aller Ehre entkleidet und auf der andern Seite die Schauspiele unter die göttlichen Ehren aufnimmt. Die Römer in ihrer guten Zeit haben lange diese Theaterkünste nicht gekannt; hätten die Menschen danach verlangt zur Befriedigung der Lust, so hätten sie sich durch den Verfall der menschlichen Sitten eingeschlichen; die Götter waren es, die deren Aufführung für sich heischten; warum also stoßt man den Schauspieler aus, durch den der Gott verehrt wird? und wie darf man es wagen, den Darsteller der Bühnenschändlichkeiten zu brandmarken, wenn man ihren Urheber anbetet? Diese Streitfrage mögen die Griechen und die Römer unter sich ausmachen. Die Griechen sind der Ansicht, daß sie mit Recht die Schauspieler in Ehren halten, weil diese die Götter verehren, die Forderer der Schauspiele; die Römer dagegen wollen durch die Schauspieler nicht einmal eine plebeische Zunft, geschweige denn die Kurie der Senatoren entehren lassen. In dieser Kontroverse löst den Kernpunkt der Frage folgender Schluß: Die Griechen stellen den Vordersatz auf: „Wenn man solche Götter verehren muß, so muß man natürlich auch solche Menschen in Ehren halten“. Dazu geben die Römer den Untersatz; „Solche Menschen aber hat man durchaus nicht in Ehren zu halten“. Und die Christen ziehen daraus die Schlußfolgerung: „Also braucht man solche Götter durchaus nicht zu verehren“.

      

       14. Plato, der den Dichtern in seinem Musterstaat keinen Platz gewährte, war besser als diese Götter, die sich durch Schauspiele verehren ließen.

      

      Sodann stellen wir die Frage, warum denn die Dichter, denen durch das Zwölftafelgesetz die Verunglimpfung von Bürgern verboten ist, als die Verfasser solcher Bühnenstücke, in welchen schimpfliche Lästerungen wider die Götter geschleudert werden, nicht ebenso wie die Schauspieler für unehrlich gelten. Wie läßt es sich rechtfertigen, daß die Mimen poetischer Fabeleien und schandbarer Götter in Verruf erklärt und die Dichter in Ehren gehalten werden? Oder hat man vielleicht dem Griechen Plato die Palme zu reichen, der, als er das Ideal eines Staatswesens im Geiste entwarf, die Dichter als Feinde der Wahrheit aus dem Staate vertrieben wissen wollte? Er war eben entrüstet über die Schmähung der Götter und mochte es nicht leiden, daß der Sinn der Bürger durch Fabeleien auf Abwege geführt und verdorben werde. Und nun stelle man den Menschen Plato, der die Dichter aus dem Staate vertreiben will, damit sie nicht die Bürger betrügen, neben die Götter, die zu ihren Ehren Bühnenspiele heischen! Der eine riet, wenn er auch durch seine Ausführungen nicht zu überreden vermochte, den leichtsinnigen und ausgelassenen Griechen, derlei gar nicht schreiben zu lassen; die andern zwangen durch ihren Befehl die ernsten und ehrbaren Römer, derlei sogar aufführen zu lassen. Und sie begnügten sich nicht mit der Aufführung, sie ließen sich derlei auch noch widmen, sich weihen, sich feierlich darbringen. Wem doch würde der Staat mit mehr Schicklichkeit göttliche Ehren zuerkennen, dem Plato, der solch schändliche und sündliche Dinge zu hindern suchte, oder den Dämonen, die sich über diese Berückung von Menschen freuen, welche jener von der Wahrheit nicht zu überzeugen vermochte?

       Diesen Plato glaubte Labeo zu den Halbgöttern zählen zu sollen wie einen Herkules