Der Ritt in die Sonne. Paul Rosenhayn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Rosenhayn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711592632
Скачать книгу
kommt nicht wieder. Der ist froh, wenn ich es behalte.“

      „Gibt’s denn so was auf der Welt? Ein Mensch kommt zur Tür herein und fleht dich an, du sollst ihm eine Million abnehmen? Und rückt aus, weil er Angst hat, du könntest ihm die Million an den Kopf werfen? Ist denn die Welt verrückt, oder bin ich bloss so dumm?“

      „Die Welt ist verrückt, Jonny. Sie läuft denen nach, die Erfolg haben. Und sie tritt die mit Füssen, die unten sind. Nun sag’ mal selbst, hättest du das Geld zurückgewiesen?“

      „Das war doch gar nicht möglich. Ich glaube, der Mann hätte sich vor unseren Augen erschossen. Du hättest sagen können, was du wolltest — er hätte sich die Ohren zugehalten und wär hinausgelaufen. Nein, Fritze, das Geld gehört dir, das kann ich beschwören.“

      „Ja, was machen wir denn nun damit?“

      „Wir ist gut. Du bist der Besitzer.“

      „Wir gehören zusammen.“

      „Ich will dir mal was sagen, mein Junge: sei nicht dumm. Vor allem sei nicht leichtsinnig. Es ist gut von dir gemeint, und wenn du willst, so bleiben wir auch beisammen. Aber das Geld gehört dir. Wenn wir gemeinsam mit diesem Geld vielleicht mal neues Geld verdienen, dann kannst du mich dran beteiligen.“

      „Auf alle Fälle bleiben wir beisammen. Du hast es selbst gesagt: wenn wir beide gemeinsam den Kampf aufnehmen, muss es gelingen.“

      „Du hast jetzt nicht mehr nötig zu kämpfen.“

      Fritz zog eine von den Banknoten aus dem Häufchen und betrachtete sie wohlgefällig. „Es kann ebenso schnell wieder vorbei sein, wie es gekommen ist. Und dann geht die Hetze los.“

      „Ich habe hier im Hause eine Bar gesehen. Mit zwei Reihen Flaschen, weisst du? Und einen Mixer und solche Sachen. Wenn wir eine Stunde in dieser Bar gesessen und ein bisschen herumprobiert haben, werden uns die Dinge viel einfacher erscheinen.“

      „Das ist eine gute Idee.“

      Während sie die Treppe heruntergingen, bemerkte Jonny schüchtern: „Ich möchte Hieronimy holen.“

      „Der hat uns doch im Stich gelassen.“

      „Er hat’s eben mit der Angst gekriegt. Das kann man ihm schliesslich nicht übelnehmen.“

      „Weisst du denn, wo er ist?“

      „Ja“

      „Also geh’ schon und hol’ ihn.“ — — —

      Der Mixer kam mit der Karte. „Vielleicht einen Martini?“

      „Einen Martini.“

      Vandergult hatte kaum das Stückchen Zitronenschale vom Glasrand entfernt, als neuer Besuch erschien: Herr Oskar Richwald, der Filmdirektor, begleitet von Bianca Bell.

      „Grüss Gott. Hier sind meine Verträge. Mit Gaumont-Paris und hier: mit Laemmle-New York. Die ganze Produktion abgeschlossen. Und nun, klipp und klar, wollen Sie sich beteiligen?“

      „Wieviel brauchen Sie?“ sagte Vandergult vornehm.

      „Fünfzigtausend Dollars.“

      „Gut. Ich beteilige mich.“

      „Famos,“ sagte Herr Richwald erfreut. „Das ist ein Wort. Wie sagtest du, Bianca?“

      „Ich sagte nichts.“

      „Was glauben Sie, was für ein Relief uns das gibt: das Haus Vandergult als Kommanditist meiner Filmfabrik!“

      „Das wäre mir weniger erwünscht, Herr Richwald,“ sagte Vandergult erschrocken. „Im Gegenteil, ich muss Sie bitten, die Tatsache meiner Beteiligung diskret zu behandeln.“

      Herr Richwald machte ein völlig verständnisloses Gesicht.

      „Ich liebe es nicht, in der Öffentlichkeit genannt zu werden,“ fügte Vandergult erklärend hinzu.

      Herr Richwald zog eine Zeitung. „Aber Ihr Name steht doch fettgedruckt als Äberschrift im Abendblatt.“

      „Um Gottes willen!“

      Herr Richwald lächelte bewundernd. „Wahrer Reichtum ist doch immer bescheiden.“

      „Was steht denn in der Zeitung über mich?“ erkundigte sich Vandergult.

      „Nun: die Redaktion meldet, dass es dem Bankhaus J. C. Rothermel gelungen ist, eine Interessengemeinschaft mit dem Haus Cornelius Vandergult in New York einzugehen. Die Meldung macht natürlich grosses Aufsehen. Das bedeutet für dieses unscheinbare Bankhaus“ — Herr Richwald konnte sich nicht enthalten, ein wenig vorwurfsvoll dreinzublicken — „natürlich einen Aufstieg zu ungeahnten Höhen.“

      „Soso,“ murmelte Vandergult. „Zu ungeahnten Höhen.“

      Eben kamen Reimers und Hieronimy. Reimers hielt das Blatt in der Hand und deutete verstohlen auf die fettgedruckte Äberschrift; ebenso verstohlen nickte Vandergult ihm zu, zum Zeichen, dass er bereits wisse. „Und nun müssen Sie mich entschuldigen, Herr Richwald, ich habe mit diesen Herren noch zu sprechen.“

      „Das ist schade,“ bedauerte der Filmdirektor. „Es ist hier so behaglich; wir hätten eigentlich ... Wie sagtest du, Bianca?“

      „Ich sagte nichts.“

      Aber der glühende Blick, der Herrn Vandergult traf, als Bianca mit ihrem Gatten an ihm vorüberrauschte, liess erkennen, dass sie, wenn auch vielleicht nichts gesagt, so doch zum mindesten allerhand gedacht hatte.

      „Dein Name steht mitten über der Zeitung.“

      „Ich weiss schon.“

      „Du, das ist gefährlich.“

      Hieronimy mischte sich ins Gespräch. „Ich hab’ im Vorbeigehen den Portier nach den Zügen gefragt: London Punkt 9 Uhr vom Bahnhof Friedrichstrasse. Paris 11 Uhr 22 Minuten vom Anhalter Bahnhof.“

      „Also London,“ entschied Vandergult. „Ich möchte zahlen.“

      „Die Anzüge,“ erinnerte Reimers.

      „Richtig. Wir werden uns in London neue kaufen und sie zurückschicken. Oder noch einfacher, wir gehen jetzt in irgendeinen Laden in der Friedrichstrasse und equipieren uns. Das Geschäft kann dann die Rücksendung ...“

      „Am einfachsten ist es, wir schmeissen die Anzüge ins Wasser,“ riet Hieronimy.

      Aber die beiden andern stimmten für gewissenhafte Erfüllung des Paktes.

      Neunzehn Pferde lagen im Endspurt. In Epsom, dem klassischen Rennplatz Englands. Neunzehn Pferde; und der Favorit hiess „Minnehaha“.

      Die Stute „Minnehaha“ gehörte dem Stall Vandergult.

      Die drei sassen atemlos, erdrückt von der vieltausendköpfigen Menge, mitgerissen in den Rhythmus des ungeheuren Ringens. Sie schrien mit. Sie tobten mit. Sie fuchtelten mit. Am meisten schrie, tobte und fuchtelte Fritz Jacobsen. Denn, so ist der Mensch, er hatte sich völlig in die Vorstellung hineingelebt, Vandergult zu sein — und der Besitzer dieser Stute „Minnehaha“ zu sein.

      Richtig: „Minnehaha“ siegte.

      Während das Johlen und Toben und Trampeln wie eine irrsinnige Sinfonie zum Himmel stieg, wand sich ein Boy mit der Mütze „Cecil Hotel“ durch die Gruppen. Er hielt ein kleines Kuvert in der Hand: ein Telegramm. Und er rief unausgesetzt irgend etwas, was im allgemeinen Toben völlig verloren ging.

      Dann, als das Geschrei ein wenig abflaute — sozusagen in einer akustischen Lücke, die plötzlich entstand — vernahm man deutlich, was der Junge schrie:

      „Ein Telegramm für Mr. Vandergult!“

      Fritz Jacobsen stand auf und winkte mit der Hand. A tempo hatte ihn der smarte Junge erkannt: „Hier, Mr. Vandergult, ein Telegramm für Sie!“

      Das war das Signal für