Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: James Fenimore Cooper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027209774
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Unmittelbar unter ihnen lag eine weiße Ebene, scheinbar ununterbrochen und ganz von Bergen umschlossen. Diese waren hauptsächlich gegen den Talgrund hin abschüssig und mit Wald bedeckt. Lange Einschnitte in das Gebirge unterbrachen hin und wieder die Gleichförmigkeit der Umrisse, während an anderen Stellen Vorsprünge in das lange und weite Schneefeld hereinragten, welches ohne Haus, Baum oder einen sonstigen augenfälligen Gegenstand einer fleckenlosen Wolke ähnelte, die über der Erde lagerte. Nur einige dunkle bewegliche Punkte ließen sich auf der ebenen Fläche unterscheiden, die Elisabeths scharfes Auge als ebenso viele Schlitten erkannte, welche zu dem Dorfe hin-oder von ihm fortfuhren. An dem westlichen Rand des Talgrundes war das Gebirge – obschon gleich hoch – doch weniger schroff und hatte unregelmäßige Taleinschnitte, Terrassenbildungen und Vertiefungen, die anbaufähig waren. Obgleich das Immergrün der Nadelhölzer noch auf vielen der Berge, die sich auf dieser Seite des Tales erhoben, vorherrschend war, so boten doch die wellenförmigen Umrisse des mit Buchen-und Ahornwäldern bedeckten ferneren Gebirges dem Auge einen angenehmen Wechsel und ließen einen milderen Boden vermuten. Hin und wieder waren mitten in den Forsten der gegenüberliegenden Berge weiße Stellen zu sehen, welche durch den Rauch, der über den Spitzen der Bäume emporwirbelte, kundtaten, daß dort Menschen wohnten und der Feldbau seinen Anfang nähme. Diese Stellen waren bisweilen durch gemeinsame Arbeit erweitert und zu einem Umfang gediehen, den man eine Ansiedlung zu nennen pflegt; wie denn überhaupt der Wechsel, den die ausdauernde Anstrengung von Menschen hervorbrachte, die sich von dem Erfolg ihres Unternehmens ihr ganzes Glück versprachen, so überraschend schnell weiter griff, daß es Elisabeths Einbildungskraft nicht schwer wurde, sich vorzustellen, die Veränderungen, welche die kurze Frist von einigen Jahren in dem Aussehen dieses Landstriches geschaffen, nähmen unter ihren Augen zu, während sie dieselben mit stummer Verwunderung betrachtete. Die Grenzvorsprünge auf der Westseite der merkwürdigen Fläche, auf der keine Pflanze Wurzel gefaßt hatte, waren weit größer und zahlreicher als die im Osten, und besonders einer davon schob sich in einer Weise vor, daß er auf jeder Seite schöne, gekrümmte Schneebuchten bildete. An seinem äußersten Ende breitete eine herrliche Eiche ihre Zweige aus, als wolle sie mit ihrer Krone eine Stelle überschatten, aus der ihre Wurzeln keine Nahrung holen durften. Sie stand frei und von dem Joch gesondert da, das ein Nachwuchs von Jahrhunderten den Ästen der benachbarten Bäume aufgelegt, und streckte ihre knorrigen Arme phantastisch hinaus in die wilde Freiheit. Nur ein dunkler Fleck – wenige Morgen im Umfang – am südlichen Ende dieser schönen Ebene, der unmittelbar unter den Füßen unserer Reisenden lag, zeigte durch seine gekräuselte Oberfläche und die Dünste, welche davon ausgingen, daß das, was anfangs als ebener Grund erschienen, einer von den Bergseen in seinem Wintergewande war. Ein schmaler Strom brach an der erwähnten offenen Stelle hervor und ließ sich meilenweit in seinem Lauf nach Süden durch den eigentlichen Talgrund an den Schierlingstannen und Fichten, die seine Ufer umsäumten, wie auch an den feuchten Dünsten erkennen, die sich von seiner wärmeren Oberfläche in die kältere Atmosphäre der Berge erhoben. Die Ufer dieses einsamen Beckens waren an dem Ausfluß des Stroms oder an seinem südlichen Ende zwar abschüssig, aber nicht hoch, und in derselben Richtung fort, soweit das Auge reichen konnte, bildete der Boden ein schmales, anmutiges Tal, in dem die Ansiedler ihre bescheidenen Wohnungen in einer Anzahl aufgeschlagen hatten, die am besten für die Vortrefflichkeit des Grundes und für die verhältnismäßige Leichtigkeit des Verkehrs Zeugnis ablegte. Hart an dem Ufer des Sees und seines Dammes lag das Dorf Templeton. Es bestand im ganzen aus ungefähr fünfzig, meist aus Holz gebauten Häusern, deren Architektur keinen besonders gewählten Geschmack verriet, sondern im Gegenteil schon durch das unvollendete Äußere der Wohnungen die Raschheit bekundete, womit sie aufgeführt worden waren. Dem Auge bot sich bei dieser Gelegenheit eine große Mannigfaltigkeit der Farben dar. Einige der Häuser waren vorn und hinten weiß angestrichen, andere aber trugen diese kostspielige Farbe nur an der Vorderseite, indem ihre weniger ehrgeizigen, aber sparsameren Besitzer die übrigen mit einem schmutzigen Rot übertüncht hatten. Ein paar hatten allmählich das Nußbraune des Alters angenommen; aber die unbeworfenen Balken, die sich durch die zerbrochenen Fenster in den Gelassen des zweiten Stockes blicken ließen, bewiesen, daß entweder der Geschmack oder die Eitelkeit ihre Eigentümer zu einem Unternehmen veranlaßt hatte, das sie nicht zu vollenden imstande waren. Die Gruppierung des Ganzen war eine Nachäffung der Straßen einer Stadt, wobei man augenscheinlich die Anleitung eines Mannes befolgt hatte, dem es mehr um die Bedürfnisse der Nachkommen als um die Bequemlichkeit der gegenwärtigen Generation zu tun gewesen war. Drei oder vier bessere Gebäude mit einem gleichförmigen Anstrich waren mit grünen Jalousien versehen, welche, in dieser Jahreszeit wenigstens, seltsam gegen den frostigen Anblick des Sees, der Berge, der Wälder und des weiten Schneegefildes abstachen. Vor den Türen dieser anspruchsvolleren Wohnungen standen einige junge Bäume, die – entweder zweiglos oder doch nur mit den schwachen Schößlingen einiger Sommer – wie ebenso viele Grenadiere aussahen, die an dem Portal eines Fürstenbaus Wache stehen. In der Tat waren diese Gebäude auch der Sitz des Adels von Templeton, dessen König Marmaduke war. Es wohnten da zwei rechtskundige junge Männer, eine gleiche Anzahl von Krämern, die unter dem Titel von Kaufleuten für die Bedürfnisse der Gemeinde sorgten, und ein Schüler des Äskulap, der sich des seltenen Glücks erfreute, mehr Menschen in die Welt als aus der Welt befördert zu haben. In der Mitte dieser wunderlichen Häusergruppe erhob sich der Wohnsitz des Richters, alle seine Nachbarn bei weitem überragend und von einem mehrere Morgen großen eingezäunten Obstgarten umgeben. Dessen Bäume stammten noch zum Teil von den Indianern her und bildeten deshalb in ihrer Hinfälligkeit und mit ihren moosbewachsenen Rinden einen merkwürdigen Gegensatz zu den jugendlichen Anpflanzungen, die im Dorf fast über jeden Pfahlzaun blickten. Neben dieser Zurschaustellung von Kultur säumten zwei Reihen junger lombardischer Pappeln (einer erst neuerdings in Amerika eingeführten Baumart) die Seiten eines Fußpfads, der von der Straßentür des Gutes zu der Vordertür des Wohnhauses führte. Das letztere war ganz unter der Leitung eines gewissen Richard Jones gebaut worden – eines Mannes, den wir bereits erwähnten. Er verdankte seiner Gewandtheit in den kleineren Angelegenheiten des Haushalts, wie auch der Bereitwilligkeit, womit er seine Talente in Anspruch nehmen ließ, und schließlich dem Umstand, daß er Geschwisterkind Marmaduke Temples war, das Amt der Aufsicht über die untergeordneten Zweige in seines Vetters Hauswesen. Richard sprach gerne von diesem Kind seines erfinderischen Geistes und meinte, es habe wie eine Predigt seine zwei Teile, deren einen er im ersten Jahr ihres dortigen Aufenthalts in der Form eines hohen, schmalen, mit dem Giebel nach der Straße blickenden Blockhauses ausgeführt habe. Unter diesem Obdach – denn anders konnte man es nicht nennen – hauste die Familie drei Jahre, nach deren Ablauf Richard mit seinem zweiten Teil zustande gekommen war. Er hatte bei diesem schwierigen Unterfangen die Erfahrungen eines wandernden europäischen Zimmergesellen benutzt, der ihm ein paar besudelte architektonische Zeichnungen aus England vorgelegt und so gelehrt von Friesen, Getäfeln und zumal von der zusammengesetzten Ordnung gesprochen hatte, daß er einen sehr ungebührlichen Einfluß auf Richards Geschmack in allem, was zu diesem Zweig der bildenden Künste gehört, geübt hatte. Zwar gab sich Herr Jones den Anschein, als betrachte er Hiram Doolittle als einen bloßen Empiriker in seiner Kunst, indem er dessen Abhandlungen über Architektur nur mit einer Art nachsichtigen Lächelns Gehör schenkte; gleichwohl unterwarf er sich stets, sei es, weil er seinem Gehilfen nichts Stichhaltiges aus dem Bereich seines eigenen Wissens entgegenzustellen wußte, oder weil er den Mann im stillen bewunderte, dessen Ansichten und Gründen. So hatten sie gemeinschaftlich nicht nur eine Wohnung für Marmaduke Temple errichtet, sondern auch den Ton für den Baustil der ganzen Umgegend angegeben. Herrn Doolittles zusammengesetzte Ordnung war ein Gemisch von vielen andern und wurde bald für die nützlichste von allen gehalten, weil sie alle Veränderungen gestattete, die aus Gründen der Bequemlichkeit oder durch sonstige Umstände gefordert wurden. Solchen Ansichten gab Richard natürlich seine Zustimmung; wenn wetteifernde Genies, die sich nicht nur auf die Anerkennung, sondern auch auf das Geld ihrer Umgebung ein Monopol sichern wollen, eines Sinnes sind, so sieht man sie nicht selten auch in ernsteren Dingen den Ton angeben. Im gegenwärtigen Falle wurde das Schloß, wie man Richter Temples Wohnung gewöhnlich nannte, in der einen oder der anderen seiner zahlreichen Vollkommenheiten ein Modell für jedes anständigere Gebäude auf zwanzig Meilen im Umkreis.

      Das Haus selbst oder der beste Teil von Richards so betitelter Predigt war aus Stein, groß, im Geviert gebaut und sehr bequem – vier Erfordernisse, auf denen Marmaduke mit etwas mehr als gewöhnlicher Hartnäckigkeit