Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: James Fenimore Cooper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027209774
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die Pferde des andern Sleighs lenkte, veränderte seine Farbe zu einem schmutzigen Weiß.

      In diesem bedenklichen Augenblick sprang der Jäger, der während der gegenseitigen Begrüßungen in stummem Schweigen dagesessen, aus Marmadukes Schlitten und eilte zu den widerspenstigen Grauschimmeln. Die Pferde, auf welche Richard noch immer unbarmherzig und unverständig lospeitschte, drängten noch immer zurück und drohten, der Quälerei ein schleuniges und schreckliches Ende zu machen. Der Jüngling versetzte denselben einen kräftigen Schlag vor den Kopf, daß sie zur Seite prallten und wieder in den früheren Weg einbogen. Der Sleigh wurde dadurch zwar seiner gefährlichen Lage entrissen, schlug aber nichtsdestoweniger um, so daß der Deutsche und der Geistliche ohne viele Umstände, jedoch auch ohne Gefährdung ihrer Knochen, auf die Landstraße geworfen wurden. Richard beschrieb ein Kreissegment durch die Luft, von dem die Zügel die Radien bildeten, und langte in einer Entfernung von ungefähr fünfzehn Fuß mit in die Höhe gestreckten Beinen auf demselben Schneedamme an, vor dem die Pferde gescheut hatten. Da er bei dieser Luftfahrt, wie Ertrinkende den Strohhalm, instinktiv die Zügel festgehalten hatte, so wirkte er auf bewunderungswürdige Weise wie ein Anker. Der Franzose, der sich in dem Schlitten sprungfertig gemacht hatte, kam fast in der Stellung der Knaben, wenn sie Laubfrosch spielen, gleichfalls zum Fliegen, geriet in die Tangente zur Bogenlinie seiner Flugbahn und fuhr mit seinem Kopf in den Schneedamm, wo er liegenblieb und seine dünnen Beine wie eine im Kornfeld stehende Vogelscheuche in die Höhe reckte. Major Hartmann, der während des ganzen Vorganges seine Geistesgegenwart auf eine bewundernswürdige Weise bewahrt hatte, war der erste in der Gesellschaft, der wieder auf seine Beine und zum Gebrauch seiner Stimme kam.

      »Den Teufel, Richard!« rief er in halb ernstem, halb komischem Ton, »Ihr habt da eine saubere Methode, Euern Schlitten auszuladen!«

      Es ist zweifelhaft, ob die Lage, in welcher Herr Grant einen Augenblick nach seinem Umsturz verblieb, eine Folge des stattgehabten Unfalls oder eine freiwillig angenommene war, um sich vor der Macht, die er verehrte, zu beugen und ihr für seine Rettung zu danken. Als er sich aber von seinen Knien erhob, begann er ängstlich und am ganzen Leibe bebend, um sich zu blicken, um sich von dem Zustand seiner Gefährten zu überzeugen. Auch Herrn Jones’ Geistesvermögen war in einiger Verwirrung; als sich aber der Nebel vor seinen Blicken allmählich klärte und er gewahr wurde, daß niemand Schaden genommen hatte, rief er mit großer Selbstzufriedenheit aus:

      »Nun, wir sind doch ordentlich davongekommen. Es war ein glücklicher Gedanke von mir, die Zügel nicht fahren zu lassen, sonst wären die wilden Teufel schon lange den Berg hinuntergerumpelt. Habe ich mich nicht wacker gehalten, Duke? Im nächsten Augenblicke wäre es zu spät gewesen; aber ich wußte wohl den rechten Fleck, wo ich die Vorderpferde treffen mußte. Der Schlag in die rechte Seite und der plötzliche Ruck an den Zügeln brachte sie schnell wieder in Ordnung; das wird mir niemand streitig machen.«

      »Es hat sich was mit deinem Ruck und deinem Wackerhalten, Dick«, sagte der Richter. »Ohne jenen wackeren Jungen dort wäre weder von dir noch von deinen – oder vielmehr von meinen Pferden ein Stück ganz geblieben. Aber wo ist Monsieur Le Quoi?«

      » Oh! mon cher juge! Mon ami!« rief eine erstickte Stimme, »gottlob! ich leb’; well’ Sie, liebster Agamemnon, so gefällig sein, su komm ici und su helf mir auf die Bein?«

      Der Geistliche und der Neger ergriffen den mit Schnee bedeckten Gallier an den Füßen und zogen ihn aus dem drei Fuß tiefen Damm heraus, aus dem seine Stimme wie aus einem Grabe hervorgequollen war. Herrn Le Quois Gedanken unmittelbar nach seiner Befreiung waren nicht sehr gesammelt, und als er wieder ans Licht gelangte, schlug er zuerst seine Augen auf, um die Länge seines Fluges zu bemessen; seine gute Laune kehrte jedoch mit der Überzeugung, nicht beschädigt worden zu sein, zurück, obgleich es einige Zeit dauerte, ehe er darüber ins klare kam.

      »Wie, Monsieur?« sagte Richard, der dem Neger emsig beim Abspannen der Vorderpferde an die Hand ging, »sind Sie da? Ich dachte, ich hätte Sie eben gegen die Bergspitze hinauffliegen sehen.«

      »Gott Dank! daß ich nicht hinuntergeflog’ in der See«, entgegnete der Franzose mit einem Gesicht, in welchem sich ein Gemisch von Schmerz, veranlaßt durch ein paar schwere Schrammen, die sein Kopf beim Durchschlagen der Schneekruste erhalten, mit dem Ausdruck der Höflichkeit, die seinen schmiegsamen Zügen natürlich schien, aussprach: » Ah, mon cher Mister Dihk, was woll Sie anfang sunächst? Es ist nichts, was Sie nicht versuch.«

      »Das nächste, ich stehe dafür, wird sein, daß er fahren lernt«, erwiderte der Richter, indem er den Hirsch nebst mehreren Artikeln seines Gepäcks aus dem eigenen Sleigh in den Schnee warf. »Da sind Sitze für euch alle, meine Herren. Der Abend wird schneidend kalt, und die Stunde rückt heran, wo Herr Grant durch sein Amt in Anspruch genommen wird. Wir wollen es unserem Freund Jones überlassen, unter Agamemnons Beistand den Schaden wieder gutzumachen, und dem warmen Feuer zueilen. Da, Dick, ist einiges von Elisabeths Siebensachen, die du auf deinen Schlitten werfen kannst, wenn du ihn wieder in den gehörigen Stand gesetzt hast; auch werde ich es dir Dank wissen, wenn du diesen Hirsch, den ich geschossen, mitbringst. – Aggy! vergiß nicht, daß heute abend der Santaclaus einkehrt.«

      Der Schwarze grinste bei der Erwähnung des Lohnes, der ihm für sein Schweigen über den eigentlichen Erleger des Tieres in Aussicht gestellt wurde, während Richard, ohne im mindesten den Schluß von den Worten seines Vetters abzuwarten, seine Erwiderung begann:

      »Fahren lernen, sagst du, Vetter? Gibt es einen Menschen, der sich besser auf die Leitung der Pferde versteht als ich? Wer ritt das Fohlen zu, das niemand zu besteigen wagte? Dein Kutscher ist zwar anmaßend genug zu behaupten, er habe es vorher gezähmt, ehe ich es unter die Hände bekam; aber alle Welt konnte sehen, daß es erlogen war, denn wer kennt nicht Johns Lügenzunge? Was ist das – ein Hirsch?« – Richard verließ die Pferde und eilte zu der Stelle, wo Marmaduke das Tier abgeworfen hatte. »Wahrhaftig, ein Hirsch! Ja, da sind zwei Löcher; er hat zwei Läufe abgefeuert und ihn jedesmal getroffen. Tausend aller Welt, wie wird jetzt Marmaduke dicktun! Er zieht bei geringeren Anlässen schon die große Glocke – wie nicht erst jetzt, da er noch vor Weihnachten einen ausgewachsenen Bock geschossen! Nun ist vollends gar kein Auskommen mehr mit ihm. Es sind indessen ein paar schlechte Schüsse – reiner Zufall, reiner Zufall. Ich habe in meinem Leben nie zweimal nach einem Spalthüfler geschossen – entweder getroffen oder gefehlt – tot oder durchgebrannt. Ja, wenn es noch ein Bär oder eine wilde Katze gewesen wäre; da mag man wohl beide Läufe in Anwendung bringen. He, Aggy! wie weit stand der Richter ab, als er diesen Bock schoß?«

      »Ei, Massa Richard, mag sein gewesen zehn Ruten«, rief der Schwarze, indem er sich unter die Pferde beugte, als wolle er dort eine Schnalle befestigen, in der Tat aber, um das Grinsen zu verbergen, das ihm den Mund von einem Ohr bis zum andern verzog.

      »Zehn Ruten?« erwiderte der andere. »Aggy, der Hirsch, den ich letzten Winter schoß, war zwanzig – ja, eher dreißig als zwanzig entfernt. Ich möchte kein Tier schießen, das nur zehn Ruten von mir absteht; – außerdem, du weißt, Aggy, daß ich nur einmal feuerte.«

      »Ja, Massa Richard, weiß noch. Natty Bumppo feuern das andere Gewehr. Ihr wissen, Sir, alle Leute sagen, Natty ihn haben geschossen.«

      »Die Leute lügen, du schwarzer Schlingel«, rief Richard aufgebracht. »Ich habe in diesen vier Jahren nicht einmal ein graues Eichhörnchen schießen können, ohne daß dieser alte Schuft oder ein anderer für ihn Anspruch auf die Ehre gemacht hätte. Verwünschte neidische Welt, in der wir leben! Immer wollen die Leute von dem Ruhm, den einer verdient, etwas abfangen, damit er in ihre gemeine Sphäre herabgezogen werde. Da tragen sie sich im Patent mit einer Geschichte, daß Hiram Doolittle mir zu dem Plan des St. Pauls-Kirchturmes geholfen habe, obgleich Hiram weiß, daß es nicht wahr ist. Ich gebe zwar zu, daß ich den Riß des Paulsturms in London dabei benutzte, aber im wesentlichen ist er doch nur das Ergebnis meines eigenen Erfindungsgeistes.«

      »Ich nicht wissen, wo er herkommen«, sagte der Schwarze, indem er jeden Zug von Heiterkeit in einen Ausdruck von Bewunderung umwandelte. »Aber jedermann sagen, er wunderbar schön sein.«

      »Das darf man auch, Aggy«, rief Richard, indem er von dem Hirsch wegtrat und mit der Miene eines Mannes, in dem ein neues Interesse