»Das Dach«, räsonierte Richard, »ist ein Teil des Gebäudes, den die Alten gewöhnlich zu verbergen pflegten, weil er in der Architektonik ein Auswuchs ist, den man nur seines Nutzens wegen bestehen läßt. Außerdem«, fügte er scharfsinnig bei, »ist es ein Hauptverdienst für ein Gebäude, wenn es eine Front bietet, von welcher Seite aus man es auch ansehen mag. Da ferner das gegenwärtige nach allen Himmelsgegenden dem Auge zugänglich ist, so dürfen die Seiten nicht schmal sein, um der neidischen Tadelsucht der Nachbarn keinen Stoff zu bieten.« Es wurde daher entschieden, daß das Dach eine Plattform und vier Fassaden haben müsse. Dagegen hatte freilich Marmaduke einzuwenden, daß der Schnee, welcher die Erde nicht selten in einer Höhe von drei bis vier Fuß bedecke und monatelang liegen bleibe, durch seine Schwere nachteilig einwirken dürfe. Die Leichtigkeit, womit sich jedoch die zusammengesetzte Ordnung in alles zu fügen wußte, führte zu einem Vergleich, demgemäß die Dachränder verlängert wurden, um eine schiefe Ebene hervorzubringen, mittels derer das erstarrte Element in einiger Entfernung vom Hause abfallen könne. Unglücklicherweise war jedoch bei der Bemessung dieses wesentlichen Teils ein Mißgriff vorgekommen, dessen Wirkung man, da Hirams größter Vorzug in seiner Fähigkeit, das Winkelmaß zu handhaben, bestand, erst entdeckte, als das schwere Gebälk auf die vier Mauern des Gebäudes aufgesetzt wurde, wobei denn freilich alle Welt sah, daß jeder Regel zum Trotz das Dach bei weitem der augenfälligste Teil des ganzen Gebäudes geworden war. Richard und sein Gehilfe trösteten sich mit der Hoffnung, dieser Übelstand werde durch die Bedeckung versteckt werden; aber jede Schindel vermehrte das Unangenehme des Anblicks. Richard versuchte nun, durch Malerei den Schaden zu heilen, und legte eigenhändig vier verschiedene Farben auf. Die erste war himmelblau, wodurch man vergeblich das Auge täuschen und zu dem Glauben veranlassen wollte, der Himmel selbst hänge so ausdrucksvoll über Marmadukes Wohnung; dann wurde der Versuch mit einer sogenannten Wolkenfarbe gemacht, die indes nichts weiter als eine Nachahmung des Rauchs war; die dritte war eine Mischung, welche Richard als unsichtbares Grün bezeichnete – ein Experiment, das wegen des Hintergrundes der Wolken nicht gelang. So wurde denn die Hoffnung, die Sache zu bemänteln, aufgegeben, und die beiden Architekten boten nun ihren ganzen Erfindungsgeist auf, das, was sich nicht verbergen ließ, zu verschönern. Nach reiflicher Erwägung und einigen Versuchen bei Mondschein beendigte Richard die Angelegenheit durch eine kühne Bedeckung des Ganzen mit einer Farbe, die er ›Sonnenschein‹ taufte, eine wohlfeile Methode, wie er seinem Vetter, dem Richter, versicherte, immer schönes Wetter über dem Kopf zu haben. Die Plattform sowohl als die Dachrinnen wurden mit lustig bemalten Geländern umgeben, und Hirams hoher Geist übte sich in Anfertigung verschiedener Urnen und Simse, die reichlich an diesem Teil ihrer Arbeit angebracht wurden. Richard hatte gleich anfangs den schlauen Einfall gehabt, die Schornsteine so niedrig zu halten und so geschickt zu verteilen, daß sie zu den Ornamenten der Balustraden zu gehören schienen; aber die Bequemlichkeit forderte, daß sie sich mit dem Dach erhöhten, um gegen den Rauch sichern zu können, wodurch sie denn zu weithin in die Augen fallenden Türmchen angewachsen waren.
Da dieses Dach das erste wichtige architektonische Werk war, das Herr Jones je unternommen, so hatte dessen Mißlingen auch einen entsprechenden Grad von Verdruß zur Folge. Anfangs flüsterte er seinen Bekannten ins Ohr, der Grund liege in dem Umstand, daß Hiram mit dem Winkelmaß nicht umzugehen wisse; aber als sich sein Auge allmählich an den Anblick seines Werkes gewöhnte, da gefiel es ihm immer besser, und statt dessen Mängel zu entschuldigen, begann er die Schönheiten des Landhauses zu rühmen. Er gewann bald Anhänger, und da Reichtum und Wohlstand zu allen Zeiten Anbeter finden, so wurde das Schloß, wie bereits gesagt, ein Modell für Nachahmungen im kleinen. Ja, es dauerte kaum zwei Jahre, so hatte Ehren Richard das Vergnügen, von der hohen Plattform aus auf drei demütige Abbilder seines Meisterstücks hinunterzusehen. – So geht es immer mit der Mode, die sogar den Mängeln und Fehlern der vornehmen Welt Bewunderung verschafft.
Marmaduke ertrug die Mißgestalt seiner Wohnung mit großem Gleichmut und suchte ihr durch eigene Verbesserungen ein behagliches und den Rang ihres Besitzers bekundendes Äußere zu verschaffen. Gleichwohl fehlte es allenthalben an der gehörigen Harmonie; denn obgleich zur Verzierung der Wiesengründe Pappeln aus Europa bestellt worden waren und allmählich in der Nähe des Schlosses Weiden neben noch anderen Bäumen emporschossen, so deutete doch noch mancher Schneehaufen auf das Vorhandensein eines Tannenstumpfes, während hin und wieder die schwarzgebrannten Überreste der Bäume, dunklen Säulen gleich, zwanzig bis dreißig Fuß über das blendende Weiß des Schnees emporragten. An solchen Gegenständen, die man in der dortigen Gegend ›Stubben‹ nennt, wimmelte es auf den freien Feldern in der Umgebung des Dorfes, auf denen nur hin und wieder eine ihrer Reize beraubte Fichte oder Schierlingstanne eine Abwechslung bot, deren erstorbene Äste – Gerippe ihrer vormaligen Herrlichkeit – dürr im Winde rasselten. Aber diese und noch viele andere störende Beigaben der Szenerie wurden von der entzückten Elisabeth ganz übersehen, die während ihrer Fahrt an der Seite des Berges nach dem Tal hinunter für nichts ein Auge hatte als für die Häusergruppen, welche wie ein Teppich unter ihren Füßen lagen; für die Menge von Rauchsäulen, die aus dem Tal zu den Wolken aufstiegen; für den übereisten See, der zwischen immergrünen Bergen eingebettet und dessen weiße Oberfläche von den in der Abendsonne sich verlängernden Schatten riesiger Tannen anmutig umdunkelt war; für das dunkle Wasserband, das sich gegen die Mündung des Sees hinzog und sich nach dem fernen Chesapeake seinen gewundenen Weg bahnte – mit einem Wort: für die veränderten, aber doch noch wohlbekannten Tummelplätze ihrer Kinderjahre.
Fünf Jahre hatten größere Wandlungen hervorgebracht, als man in einem Land, wo Zeit und Mühe den Werken der Menschen Dauer verleihen, in einem Jahrhundert sieht. Für den jungen Jäger und den Richter hatte die Szene weniger Neues, obgleich wohl niemand aus den düsteren Forsten des Gebirges auftauchen und mit einem Male die herrliche Szenerie des Tales überschauen konnte, ohne ein inneres Entzücken zu fühlen. Der erstere ließ seinen Blick bewundernd von Norden nach Süden gleiten und senkte sein Antlitz wieder in die Falten seines Mantels, während der letztere mit philanthropischer Lust die Fortschritte des Wohlstands, die um ihn her sichtbar wurden, betrachtete. War doch alles die Folge seines Unternehmungsgeistes und viel davon die Frucht seines eigenen Fleißes.
Das lustige Klingeln von Schlittengeläute lockte jedoch plötzlich die Aufmerksamkeit der Reisenden an, und sein lebhafter Ton ließ auf einen rasch sich nähernden Sleigh schließen, dessen man übrigens des Gebüsches wegen, das die Straße säumte, erst ansichtig wurde, als beide Gespanne ganz nahe beieinander waren.
IV
Was soll’s? Wem fiel das Roß? Was gibt’s denn?
Falstaff
Endlich zeigte sich durch das laublose Gehege an der Seite der Straße ein großer Sleigh, der von vier Pferden – zwei Grauschimmeln vorn und zwei pechschwarzen Rossen an der Deichsel – gezogen wurde. Zahllose Schellen waren, so dicht sie nur Platz finden konnten, an den Geschirren angebracht, und die rasche Bewegung des Gespanns trotz der jähen Steigung zeigte, daß es dem Lenker vorzugsweise um die lustige Musik seines Geläutes zu tun war. Der erste Blick auf diese einzigartige Ausstattung ließ den Richter die im Sleigh sitzende Gesellschaft von vier Männern erkennen. Einer jener Stühle, die man gewöhnlich vor Schreibpulten braucht, war fest an die Vorderseite des Schlittens gebunden, und auf der Höhe dieses improvisierten Bocks saß ein kleiner Mann, der in einen großen mit Pelzwerk verbrämten Mantel gehüllt war und von seiner Gestalt weiter nichts als ein gleichmäßig rotes Gesicht blicken ließ. Die Augen dieses Herrn waren gewohnheitsmäßig aufwärts