Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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deine Herrlichkeit, nur dein Recht auf die Krone! Folge mir…»

      Da ward der Türvorhang des Zeltes zur Seite geschoben: Graf Teja trat ein. Zwei Gotenknaben mit ihm, in weißer Seide, festlich gekleidet.

      Sie trugen ein mit einem Schleier verhülltes Purpurkissen. Er trat bis an die Mitte des Zeltes und beugte das Knie vor Mataswinthen. Er trug, wie die Knaben, einen grünen Rautenzweig um den Helm. Aber sein Auge und seine Stimme waren düster, als er sprach: «Ich grüße dich, der Goten und Italier Königin!»

      Mit erstauntem Blick maß sie ihn. Teja erhob sich, trat zurück zu den Knaben, nahm von dem Kissen einen goldenen Reif und den grünen Rautenkranz und sprach: «Ich reiche dir den Brautkranz und die Krone, Mataswintha, und lade dich zur Hochzeit und zur Krönung – die Sänfte steht bereit.»

      Arahad griff ans Schwert.

      «Wer sendet dich?» fragte Mataswintha mit klopfendem Herzen, aber die Hand am Dolch. «Wer sonst, als Witichis, der Goten König.» Da leuchtete ein Strahl der Begeisterung aus Mataswinthens wunderbaren Augen: sie erhob beide Arme gen Himmel und sprach: «Dank, Himmel, deine Sterne lügen nicht, und nicht das treue Herz. Ich wußt’ es wohl.» Und mit beiden schimmernden Händen ergriff sie das bekränzte Diadem und drückte es fest auf das dunkelrote Haar. «Ich bin bereit. Geleite mich», sprach sie, «zu deinem Herrn und meinem». Und mit königlicher Wendung reichte sie Graf Teja die Linke, der sie ehrerbietig hinausführte.

      Arahad aber starrte der Verschwundenen nach, sprachlos, noch immer die Hand am Schwert. Da trat Eurich, einer seiner Gefolgen, zu ihm heran und legte ihm die Hand auf die Schulter: «Was nun?» fragte er, «die Rosse stehen und harren: wohin?» – «Wohin?» rief Arahad auffahrend. – «Wohin? Es gibt nur noch einen Weg, wir wollen ihn gehen. Wo stehen die Byzantiner und der Tod?»

      Zweites Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Am siebenten Tage nach diesen Ereignissen bereitete sich ein glanzvolles Fest auf der Fora und in dem Königspalast zu Ravenna.

      Die Bürger der Stadt und die Goten aller drei Parteien wogten in gemischten Scharen durch die Straßen und fuhren durch die Lagunenkanäle – denn Ravenna war damals eine Wasserstadt, fast, aber doch nicht ganz, wie heute Venedig – die riesigen Kränze, Blumenbogen und Fahnen zu bewundern, die von allen Zinnen und Dächern niederwehten: denn es galt, die Vermählung des gotischen Königspaares zu feiern.

      Am frühen Morgen hatte sich das ganze jetzt vereinigte Heer der Goten vor den Toren der Stadt zu feierlicher Volksversammlung geschart. Der König und die Königin erschienen auf milchweißen Rossen: abgestiegen waren sie vor allem Volk unter eine breitschattende Steineiche getreten: dort hatte Witichis seiner Braut die rechte Hand auf das Haupt gelegt; sie aber trat mit dem entblößtem linken Fuß in den Goldschuh des Königs.

      Damit war unter dem Zuruf der Tausenden die Ehe nach Volksrecht geschlossen. Darauf bestieg das Paar einen mit grünen Zweigen geschmückten Wagen, der von vier weißen Rindern gezogen ward; der König schwang die Geißel, und sie fuhren, gefolgt von dem Heere, in die Stadt. Dort schloß sich an die halb heidnische, germanische, eine zweite, die christliche Feier: der arianische Bischof erteilte seinen Segen über das Paar in der Basilika Sancti Vitalis und ließ es die Ringe wechseln.

      Rauthgundens wurde nicht gedacht.

      Noch war die Kirche nicht mächtig genug, ihre Forderung der Unauflöslichkeit einer kirchlich geschlossenen Ehe überall durchzusetzen; vornehme Römer und vollends Germanen verstießen noch häufig in voller Willkür ihre Frauen. Und wenn gar ein König aus Gründen des Staatswohls und ohne Einspruch der Gattin das Gleiche beschloß, erhob sich kein Widerstand. –

      Aus der Kirche ging der Zug nach dem Palast, in dessen Hallen und Gärten ein großes Festmahl gerüstet war.

      Das ganze Gotenheer und die ganze Bevölkerung der Stadt fand hier, dann auf der Fora des Herkules und des Honorins und in den nächsten Straßen und Kanälen auf Schiffen, an tausend Tischen reiche Bewirtung, während die Großen des Reiches und die Vornehmen der Stadt mit dem Königspaar in der Gartenrotunde oder in der weiten Trinkhalle, die Theoderich hatte in dem römischen Palast anbringen lassen, tafelten.

      So wenig die Lage des Landes und des Königs Stimmung zu rauschenden Festen passen mochten – es galt, die Ravennaten mit den Goten und die verschiedenen Parteien der Goten unter sich zu versöhnen; und man hoffte, in Strömen des Festweins die letzten feindseligen Erinnerungen hinwegzuspülen.

      Am besten übersah man den Königstisch und die festlichen Tafeln, die sich über den weiten Garten und Park verteilten, von dem zum Brautgemach Mataswinthens bestimmten kleinen Gelaß, dessen einziges Fenster auf die Rotunde vor dem Garten und, über den Garten hin, bis auf das Meer ausblicken ließ.

      In diesem Gemach drei Tage zuvor schon schmückend zu schalten und zu walten, hatte sich Aspa, die Numiderin, als Lohn treuer Dienste ausgebeten. «Denn diese ernsten, finstern Römer wissen ebensowenig wie die rauhen Goten, dem schönsten Weib der Erde das Brautbett zu bereiten: in Afrika, im Land der Wunder, lernt man das.»

      Und wohl war ihr’s gelungen, wenn auch im Sinn der schwülen, phantastischen Üppigkeit ihrer Heimat. Sie hatte das enge und niedre Gemach wie zu einem kleinen Zauberkistchen umgeschaffen! Wände und Decke waren von glänzend weißen Marmorplatten gefügt.

      Aber Aspa hatte den ganzen Raum mit drei-und vierfach aufeinandergelegten Gehängen von dunkelroter Seide verhüllt, die in schweren Falten von den Wänden niederfloß, sich über die Getäfeldecke wie ein Rundbogen wölbte und den Marmorbogen so dicht verhüllte, daß jeder Tritt lautlos drüber hinglitt und alles Geräusch sich im Entstehen brach. Nur an der Fensterbrüstung sah man den schimmernd weißen Marmor sich prachtvoll von der Glut der Seide heben.

      Das Fenster von weißem Frauenglas war mit einem Vorhang von mattgelber Seide verhangen, und alles Licht in dem kleinem Raum strömte aus von einer Ampel, die von der Mitte der Decke aus niederhing: eine Silbertaube mit goldnen Flügeln schwebte aus einem Füllhorn von Blumengewinden, in den Füßen trug sie eine flache Schale aus einem einzigen großen Karneol, der, ein Geschenk des Vandalenkönigs, in den aurassischen Bergen gefunden, als ein seltenes Wunder galt.

      Und in dieser Schale glühte ein rotes Flämmchen, genährt von stark duftendem Zedernöl. Ein gebrochenes, träumerisches Dämmerlicht ergoß sich von hier aus über das phantastische Doppelpfühl, das, halb von Blumen verschüttet, darunterstand. Aspa hatte sich das bräutliche Lager als die aufgeschlagenen Schalen einer Muschel gedacht, die an der inneren Seite zusammenhängen, zwei ovale, muschelförmige Klinen von Citrusholz erhoben sich nur wenig von dem Teppich des Bodens. Über die weißen Kissen und Teppiche hin war eine Linnendecke von orangegoldnem Glanz gegossen.

      Aber der eigenste Schmuck des Gelasses war die Fülle von Blumen, welche die Hand der Numiderin mit poesiereichem, wenn auch phantastischem Geschmack über das ganze Gemach verstreut und über die Wände, Decken, Vorhänge, die Türe und das Lager verteilt hatte.

      Ein Bogen von starkduftigen Geißblattranken überwölbte laubenartig die einzige Türe, den schmalen Eingang. Zwei mächtige Rosenbäume standen zu Häupten des Lagers und streuten ihre roten und weißen Blüten auf die Teppiche. Die Ampel hing, wie erwähnt, aus einem kunstvoll gewundnen Füllhorn von Blumen herab. Und überall sonst, wo eine Falte, eine Biegung der Teppiche das Auge zu verweilen lud, hatte Aspa eine seltene Blume glücklich angeschmiegt. Der Lorbeer und der Oleander Italiens, die sizilische Myrte, das schöne Rhododendron der Alpen und die glühenden Iriaceen Afrikas mit ihren reichen Kelchen: alle lauschten je am gelegensten Ort und doch, wie es schien, vom Zufall hingeworfen. –

      Schon standen die Sterne am Himmel.

      Es dämmerte draußen: im Gemach hatte Aspa die Flamme in der veilchendunkeln Schale entzündet und war nur noch beschäftigt, hier und da eine Falte zu glätten, indes sie eine römische Sklavin anwies, in den Silberkrügen auf dem Bronzekredenztisch den Palmwein mit Schnee zu kühlen, eine andre, das Gemach