Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felix Dahn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222049
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denn nicht empfunden, noch nicht, an dieser Urne nicht, wie ewig unsre Herzen eins? Was bin ich ohne deine Liebe? Reißt mir das Herz aus der Brust, setzt mir ein andres ein: dann etwa laß’ ich von dieser Seele. Ja, wahrlich», rief er den beiden Männern zu, «ihr wißt nicht, was ihr tut, und kennt euren Vorteil schlecht. Ihr wißt nicht, daß meine Liebe zu diesem Weib und dieses Weibes Liebe das Beste ist am armen Witichis. Sie ist mein guter Stern. Ihr wißt nicht, daß ihr zu danken ist, ihr allein, wenn etwas euch an mir gefällt. An sie denk’ ich im Getümmel der Schlacht, und ihr Bild stärkt meinen Arm. An sie denk’ ich, an ihre Seele, klar und ruhig, an ihre makellose Treu’, wenn’s gilt, im Rat das Edelste zu finden. – O dieses Weib ist meines Lebens Seele, nehmt sie hinweg, und ein Schatte ohne Glück und Kraft ist euer König.»

      Und in leidenschaftlicher Erregung schloß er Rauthgundis in die Arme. Sie war erstaunt, selig erschrocken. Noch nie hatte der stete, ruhige Mann, der sein Gefühl gern scheu in sich verschloß, so von ihr, von seiner Liebe gesprochen. Nicht, da er um sie warb, wie jetzt, da er sie lassen sollte.

      Aufs mächtigste erschüttert sank sie an seine Brust: «Dank, Dank Gott, für diese Schmerzensstunde», flüsterte sie, «ja, jetzt weiß ich, dein Herz, deine Seele sind ewig mein.»

      «Und bleiben dein», sagte Teja leise, «wenn auch eine andre seine Königin heißt, sie teilt nur seine Krone, nicht sein Herz.»

      Das schlug tief in Rauthgundis’ Seele. Sie sah, ergriffen von diesem Wort, mit großen Augen auf Teja.

      Hildebrand erkannte es wohl und sann darauf, jetzt seinen Hauptschlag zu führen.

      «Wer will, wer kann an eure Herzen rühren?» sprach er. «Ein Schatte ohne Glück und Kraft – das wirst du nur, wenn du mein Wort verwirfst und brichst deinen heiligen, heiligen Eid. Denn der Meineidige ist hohler als ein Schatte.»

      «Seinen Eid?» fragte Rauthgundis erbebend. «Was hast du geschworen?»

      Witichis aber sank auf den Sitz und sein Haupt auf seine Hände.

      «Was hat er geschworen?» wiederholte sie.

      Da sprach Hildebrand, langsam jedes Wort in die Seele der Gatten zielend. «Wenige Jahre sind’s. Da schloß ein Mann, in mitternächtiger Stunde, mit vier Freunden einen mächtigen Bund. Unter heiliger Eiche ward der Rasen geritzt, und er tat einen Eid bei der alten Erde, dem wallenden Wasser, dem flackernden Feuer und der leichten Luft. Und sie mischten ihr rotes Blut zu einem Bund von Brüdern auf immer und ewig und alle Tage.

      Sie schworen den schweren Schwur, zu opfern alles Eigen: Sohn und Sippe, Leib und Leben, Waffen und Weib dem Glück und Glanz des Geschlechtes der Goten. Und wer von den Brüdern sich wollte weigern, den Eid zu ehren mit allen Opfern, des rotes Blut sollte rinnen ungerecht wie dies Wasser unter dem Waldrasen. Auf sein Haupt solle die Himmelshalle niederdonnern und ihn erdrücken. Und wer vergißt dieses Eides, und wer sich weigerte alles zu opfern dem Volk der Goten, wenn die Not es gebeut und ein Bruder ihn mahnt, der soll verfallen sein auf immer den dunkeln Gewalten, die da hausen unter der Erde. Gute Menschen sollen mit Füßen schreiten über des Neidings Haupt und sein Andenken verschlungen sein spurlos in der Tiefe – oder wer seiner gedenkt, gedenke sein mit Fluchen, und verdammt soll sein seine Seele zu ewiger Qual. Und ehrlos soll sein Name, so weit Christenleute Glocken läuten und Heidenleute Opfer schlachten, so weit der Wind weht über die weite Welt.

      So ward geschworen in jener Nacht von fünf Männern: von Hildebrand und Hildebad, von Totila und Teja. Wer aber war der fünfte? Witichis, Waltaris Sohn.»

      Und – rasch streifte er dem König das Gewand über den linken Knöchel zurück. «Sieh her, Rauthgundis, noch ist die Narbe des Blutschnitts nicht verwischt. Aber der Schwur ist verwischt in seiner Seele. So schwor er damals, als er noch nicht König war.

      Und als ihn die Tausende von gotischen Männern auf dem Feld von Regeta auf den Schild erhoben, da tat er einen zweiten Schwur: ‹Mein Leben, mein Glück, mein alles, euch will ich’s weihn, dem Volk der Goten, das schwör’ ich euch beim höchsten Himmelsgott und bei meiner Treue.› Nun, Witichis, Waltaris Sohn, König der Goten, ich mahne dich an jenen doppelten Eid zu dieser Stunde. Ich frage dich, willst du opfern, wie du geschworen, dein alles, dein Glück und dein Weib, dem Volk der Goten? Siehe, auch ich habe drei Söhne verloren für dies Volk.

      Und habe meinen Enkel, den letzten Sproß meines Geschlechtes, geopfert, gerichtet für die Goten, ohne Zucken mit den Wimpern. Sprich, willst du das gleiche tun? Willst du halten deinen Eid, oder ihn brechen und ehrlos unter den Lebendigen, verflucht sein unter den Toten, willst du?»

      Witichis wand sich im Schmerz unter den Worten des furchtbaren Alten.

      Da erhob sich Rauthgundis. Die Linke auf ihres Mannes Herz gelegt, die Rechte wie abwehrend gegen Hildebrand ausstreckend, sprach sie: «Halt ein. Laß ab von ihm. Es ist genug, schon längst. Er tut, was du begehrst. Er wird nicht ehrlos und eidbrüchig an seinem Volke, um sein Weib.»

      Aber Witichis sprang auf und umfaßte sie, als wollte man ihm sein Weib sogleich entreißen.

      «Geht jetzt», sprach sie zu den Männern, «laßt mich allein mit ihm.»

      Teja wandte sich zum Ausgang, Hildebrand zögerte.

      «Geh nur, ich gelobe es dir», sprach sie, die Hand auf die Marmorurne legend, «bei der Asche meines Kindes: mit Sonnenaufgang ist er frei.»

      «Nein», sprach Witichis, «ich stoße mein Weib nicht von mir, nie.»

      «Das sollst du nicht. Nicht du vertreibst mich: ich wende mich von dir. Rauthgundis geht, ihr Volk zu retten und ihres Gatten Ehre. Du kannst dein Herz nie von mir lösen: ich weiß es, es bleibt mein, seit heute mehr denn je. Geht, was jetzt zwischen uns beiden zu reden ist, trägt keinen Zeugen.»

      Schweigend verließen die Männer das Zelt, schweigend gingen sie miteinander die Lagergasse hinab, an der Ecke hielt der Alte.

      «Gute Nacht, Teja», sagte er, «jetzt ist’s getan.»

      «Ja, doch wer weiß, ob wohlgetan. Ein edles Opfer, noch viele andre werden folgen, und mir ist, dort in den Sternen steht geschrieben: umsonst. Doch gilt’s die Ehre noch, wenn nicht den Sieg. Leb’ wohl.»

      Und er schlug den dunklen Mantel um die Schulter und verschwand wie ein Schatten in der Nacht.

      Achtzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Am andern Morgen noch vor Hahnenschrei ritt ein verhülltes Weib aus dem Gotenlager. Ein Mann im braunen Kriegermantel schritt neben ihr, das Roß am Zügel führend und immer wieder in ihr verschleiertes Antlitz schauend. Einen Pfeilschuß hinter ihnen ritt ein Knecht, ein Bündel hinter sich auf dem Sattel, an dem die schwere Streitaxt hing.

      Lange verfolgten sie schweigend ihren Weg.

      Endlich hatten sie eine Waldhöhe erreicht: hinter ihnen die breite Niederung, in der das Gotenlager und die Stadt Ravenna ruhten, vor ihnen die Straße, die nach der Villa Aemilia im Nordwesten führte.

      Da hielt das Weib den Zügel an.

      «Die Sonne steigt soeben auf: ich hab’s gelobt, daß sie dich frei und ledig findet. Leb’ wohl, mein Witichis.» – «Eile nicht so hinweg von mir», sagte er, ihre Hand drückend. – «Wort muß man halten, Freund, und bricht das Herz darob. Es muß sein.» – «Du gehst leichter, als ich bleibe.» Sie lächelte schmerzlich. «Ich lasse mein Leben hinter dieser Waldhöhe: Du hast noch ein Leben vor dir.» – «Was für ein Leben!» – «Das Leben eines Königs für sein Volk, wie dein Eid es gebeut.» – «Unseliger Eid.» – «Es war recht, ihn zu schwören: es ist Pflicht, ihn zu halten. Und du wirst mein gedenken in den Goldsälen von Rom, wie ich dein in meiner Hütte tief im Steingeklüft. Du wirst sie nicht vergessen, die zehn Jahre der Lieb’ und Treu, und unsern süßen Knaben.»

      «O mein Weib, mein Weib», rief der Gequälte und umschlang sie mit beiden Armen,