»Tim, rede keinen Quatsch«, wies ihn seine Schwester zurecht.
Sophia nahm den Jungen in Schutz.
»Das hoffe ich auch, und ich bin auf dem besten Wege, und deswegen kann die Angela auch bei euch schlafen, ich komme allein zurecht. Das wäre vor einiger Zeit noch nicht gegangen. Ihr mögt die Angela, nicht wahr?«
Beide nickten, und Tim sagte: »Es ist schade, dass die Angela schon so alt ist, sonst könnte sie ganz zu uns ziehen, und Papa wäre nicht mehr allein. Er ist manchmal ziemlich traurig, und kochen kann er auch nicht, immer nur Nudeln, Pizza und Sachen, die man nur aufwärmen muss. Das Ratatouille von der Angela, das war klasse. Das könnte ich glatt noch einmal essen.«
Sophia wollte gerade etwas sagen, als Angela nach Hause kam.
»Da bin ich wieder«, rief sie schon von der Diele her, »und ich kann …«
Sie brach ihren Satz ab, blickte von ihrer Mutter auf die beiden Kinder, alle saßen in friedlicher Eintracht beieinander.
»Was ist denn hier los?«
Tim war auf einmal viel redseliger als seine Schwester, er war so richtig aufgetaut, und ihm war anzusehen, wie wohl er sich fühlte. Vielleicht sah er in Sophia so etwas wie eine liebe Omi, die er nie kennengelernt hatte. Es gab keine Großeltern, nicht von ihrer Mamas Seite und auch nicht von der ihres Vaters.
»Wir wollten dich mal besuchen, und da hat die Sophia uns ins Haus gelassen, und von ihr haben wir Apfelsaft und Schokolade bekommen.«
Sophia?
Mit welcher Selbstverständlichkeit er das ausgesprochen hatte. Ein wenig irritiert schaute Angela zu ihrer Mutter, die ganz vergnügt lächelte, sie hatte ihren Spaß, sie war so richtig aufgelebt.
Was ging hier vor sich?
Angela hätte mit allem gerechnet, mit dem Besuch der beiden Kinder allerdings nicht, auch wenn sie sich gut miteinander verstanden hatten. Bei Kindern gab es oft die Devise – aus den Augen, aus dem Sinn. Sie freute sich auf jeden Fall, die beiden zu sehen, und als sie erfuhr, weswegen sie gekommen waren, da freute sie sich noch mehr. Es war etwas geschehen, zuerst war sie sauer auf die beiden gewesen, dann hatte sie Mitleid gehabt, und zum Schluss hatten sie einfach nur Spaß miteinander gehabt, viel Spaß.
Natürlich sagte Angela sofort zu, und sie versprach auch, sich direkt mit Peter Bredenbrock in Verbindung zu setzen.
Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile miteinander, Sophia forderte Maren und Tim auf, sehr bald wieder zu Besuch zu kommen.
»Ihr seid hier jederzeit herzlich willkommen«, sagte sie, »und das ist nicht nur so dahergesagt, ich meine es wirklich so. Unsere Tür steht jederzeit für euch offen.«
Maren und Tim freuten sich, und noch mehr freuten sie sich, als Sophia ihnen gewissermaßen als Wegzehrung noch eine Tafel Schokolade schenkte.
Angela hätte das nicht getan, das sah man an deren Blick, Sophia war auf jeden Fall viel cooler, und deswegen umarmten sie die alte Dame auch, als sie gingen, weil es an der Zeit war, wieder zu ihrem Vater zu gehen.
Als sie gegangen waren, war es richtig still im Haus.
»Angela, ich hatte mit den beiden unglaublich viel Spaß, ich habe all meine Sorgen und Probleme vergessen. Es sind sehr nette Kinder, die wegen der Trennung ihrer Eltern derzeit nur ein wenig den Boden unter den Füßen verloren haben. Doch das wird schon wieder, sie haben einen guten Kern. Der Kleine muss nur aufpassen, dass seine Schwester ihn nicht unterbuttert. Jetzt, da die Mutter nicht mehr da ist, glaubt sie wohl, ein wenig deren Rolle übernehmen zu dürfen.«
Sie begann plötzlich herzhaft zu lachen, und als sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte, sagte Sophia: »Maren und Tim würden dich sehr gern als die Frau an der Seite ihres Vaters sehen, sie mögen dich. Doch leider bist du zu alt.«
»Zu alt? Wie meinst du das, Mama?«
Sophia erzählte ihrer Tochter, was die Kinder gesagt hatten, und darüber musste Angela lachen.
Welch ein Glück, dass der Kelch an ihr vorübergegangen war. Sie mochte Peter Bredenbrock, sehr sogar. Doch auch wenn sie jünger wäre, käme er niemals als der Mann an ihrer Seite infrage. Als Freund konnte sie sich ihn vorstellen, mehr nicht, und das würde auch immer so sein.
Sie konnte ihm also unbefangen gegenübertreten, und es könnte sich zwischen ihnen eine wunderbare Freundschaft entwickeln, allein schon wegen der Kinder wäre das gut. Die hatte sie wirklich in ihr Herz geschlossen, und es war ganz offensichtlich, dass es ihrer Mutter nicht anders erging. Sie war so richtig aufgelebt, sie erinnerte sie an die Frau, die sie vor dem Unfall gewesen war.
»Mama, ich glaube, ich rufe jetzt Dr. Bredenbrock an und mache alles fest, es ist dir doch recht, oder?«
Welche Frage! Natürlich war es Sophia recht, und wie!
*
Die bevorstehende Taufe der kleinen Teresa war das Ereignis schlechthin. Besonders aufgeregt war Teresa von Roth, die Namensgeberin des Babys.
Eine Urenkelin, die ihren Namen trug!
Konnte es etwas Schöneres geben? Für Teresa nicht, es machte sie so stolz und glücklich. Und natürlich sollte das Baby etwas Besonderes als Erinnerung an diesen Tag bekommen. Es war nicht so einfach, Teresa hatte sich schon viele Gedanken gemacht, sie hatte sogar bereits Geschenke gekauft, um die dann wieder umzutauschen, weil sie für sie nicht das Richtige waren.
Eigentlich war Teresa unkompliziert, und sie wusste, was sie wollte. Es ging deswegen Magnus ganz schön auf die Nerven, weil seine Frau nun plötzlich so unentschlossen war.
Jetzt hatte sie eine Taufkette erstanden, und Magnus wünschte sich insgeheim, dass es diesmal auch dabei bleiben würde. Er brauchte seiner Frau allerdings nur ins Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass sie auch damit unzufrieden war.
Er tat so, als habe er das nicht bemerkt und sagte: »Die Kette ist wirklich sehr hübsch«, was ja auch stimmte. »Damit ist das Problem also vom Tisch, es ist ja auch kaum noch Zeit bis zur Taufe.«
»Eben, mein Lieber«, erwiderte Teresa, »aber die Kette ist es auch nicht.«
Oh nein!
Nicht das schon wieder!
Magnus entschloss sich, nichts zu sagen, mit Schweigen kam er bei seiner Teresa manchmal weiter.
Die hatte was auf dem Herzen, das war nicht zu übersehen. Sie packte die Taufkette wieder ein, erkundigte sich, ob er mit ihr einen Tee trinken wollte, sie stellte bereitwillig eine Schale mit seinen Lieblingskeksen auf den Tisch.
Man konnte daran riechen, dass es die Vorbereitungen waren zu etwas, über dessen Ausgang sie sich nicht sicher war. Er kannte seine Teresa. Es wäre ja auch schlimm, wenn es nicht so wäre.
Er hatte schon etwas von seinem Tee getrunken, als sie noch immer in der Tasse herumrührte.
Das war nervig, und deswegen entschloss er sich, etwas zu sagen: »Was ist los, meine Liebe? Du hast doch was auf dem Herzen.«
So, jetzt war es ausgesprochen, und das schien sogar in Teresas Sinn zu sein. Sie wirkte erleichtert.
»Magnus, kannst du dich an das kleine Kreuz erinnern, das seit Generationen im Familienbesitz derer von Roth ist?«
Und ob er das konnte.
Es war eines der wenigen Dinge, auf das sie damals, als sie sich auf den langen, beschwerlichen Weg hierher in ihre neue Heimat gemacht hatten, nicht verzichtet hatten, und sie waren sich beide sicher, dass es ihnen geholfen hatte, alles zu überstehen. An das Kreuz hatte er überhaupt nicht mehr gedacht, es lag immer unter Verschluss.
»Was ist damit?«, erkundigte er sich.
»Nun, eigentlich wäre irgendwann ja einmal unsere Tochter Inge an der Reihe, es zu