Cecile lachte.
»Vom Flughafen, eigentlich wollte ich ja direkt zu Ricky und Fabian fahren, aber dann dachte ich, dass ich einen kleinen Abstecher machen könnte, um dir Hallo zu sagen, Rosmarie.«
Cecile war ein so liebenswerter Mensch, sie war ihr so sehr ans Herz gewachsen, und jetzt war Rosmarie ganz gerührt. Ihretwegen hatte Cecile einen Umweg gemacht, um sie zu sehen. Dabei hätte sie nach allem, was sie ihr angetan und vorgeworfen hatte, einen weiten Bogen um sie machen müssen. Doch die Sympathie beruhte auf Gegenseitigkeit. Und es war schon verrückt, Heinz war der Vater, und er hatte sich für die plötzlich aufgetauchte Tochter beinahe ein Bein ausgerissen. Doch die Euphorie war verrauscht, Heinz machte wieder sein Ding, und sein Notariat, das Geld, das er damit machte, war ihm wichtiger als seine Familie, zu der Cecile ja nun auch gehörte.
»Eine großartige Idee, mein Kind, komm, setz dich, möchtest du einen Tee mit mir trinken?«
»Ein Kaffee wäre mir lieber, und hast du zufällig diesen wundervollen Käsesahnekuchen im Haus? Davon kann ich nicht genug bekommen.«
Rosmarie lachte.
»Du hast Glück, Meta hat erst heute einen gebacken, es ist fast so, als hätte sie geahnt, dass du kommst. Ach Kind, du glaubst nicht, wie sehr ich mich freue.«
Meta kam herein, nahm ihre Wünsche entgegen, Rosmarie wollte auch ein Stück Kuchen haben.
Aus dem Besuch in der Altenresidenz würde es nichts mehr werden, aber es wartete auch niemand auf sie, sie hatte sich spontan entschieden. Cecile war natürlich die bessere Alternative, keine Frage.
Kaffee und Kuchen wurden serviert.
Rosmarie erkundigte sich: »Soll ich deinen Vater anrufen? Er wird sich sicherlich freuen, dich zu sehen.«
Cecile winkte ab. »Nein, lass mal, ich werde ihn bei der Kindtaufe sehen. Das reicht«, sagte sie, und ihre Stimme klang dabei ein wenig kühl.
Als sie Rosmaries Blick bemerkter fuhr sie, leise fort: »Ich bin ein wenig von meinem Vater enttäuscht. Er war anfangs so sehr daran interessiert, etwas über mich zu erfahren, doch sein Interesse war sehr bald erloschen. Wir wissen doch kaum etwas voneinander, müsste er denn nicht erfahren wollen, wie all die vielen Jahre ohne ihn verlaufen sind? Über ihn weiß ich dank euch mehr, ich habe zu Fabian und Stella ein herzliches Verhältnis, auch zu deren Familie, und dich, Rosmarie, dich liebe ich. Du hast dich so verändert, du bist eine so tolle Frau geworden. Ich bin froh, dass es dich gibt.«
Rosmarie hatte Tränen in den Augen, sie konnte erst einmal nichts sagen, Ceciles Worte hatten sie sprachlos gemacht.
Aber sie und Heinz standen nicht im Wettbewerb um die Gunst von Cecile, sie sollte auch ein gutes Bild von ihrem Vater haben.
»Cecile, Heinz kann nicht anders, er ist wie er ist, aber glaub mir, er liebt dich sehr, und er ist glücklich und berührt, dass es aus der Beziehung zwischen Adrienne und ihm dich gibt. Sie haben sich ja geliebt, und sie haben sich durch unglückliche Umstände aus den Augen verloren. Soll ich Heinz nicht doch anrufen?«
Cecile schüttelte den Kopf.
»Nein, wirklich nicht. Ich habe nicht viel Zeit, Fabian und Stella warten auf mich. Es war mir einfach nur ein Bedürfnis, dich zu begrüßen.«
Das ging herunter wie Öl.
»Es ist schön, dass Fabian dich als Patentante für die kleine Teresa haben möchte. Darüber freust du dich doch sehr, oder?«
»Ich bin stolz und glücklich, aber Rosmarie, dass ich Patentante werde, das habe ich in erster Linie Ricky zu verdanken. Die wollte es um jeden Preis, und Fabian hat ja gesagt, er wäre aber nicht auf den Gedanken gekommen, mich zu fragen. Jetzt ist er auch glücklich darüber, und er ärgert sich ein wenig, weil er nicht selbst auf die Idee gekommen ist.«
»Ach weißt du, Cecile, die Ricky ist eine Auerbach, und die treffen ihre Entscheidungen spontan aus dem Herzen, das haben sie von ihrer Mutter. Meine Kinder sind gefühlsmäßig da etwas gebremst, das Beste, was ihnen passieren konnte, die Auerbach-Sprösslinge zu heiraten.«
»Ricky und Jörg sind wunderbare Menschen, ja, ich finde, sie passen zu Fabian und Stella. Geschwister heiraten Geschwister, das kommt auch nicht alle Tage vor. Es sollte wohl so sein, eine Fügung des Himmels. Ich freue mich jetzt auf die Taufe, und es macht mich sehr stolz, dass das kleine Mädchen Teresa Cecile heißen soll, nach mir. Das bringt mich der Familie noch ein Stückchen näher, denn natürlich werde ich das mit der Patenschaft sehr ernst nehmen, ich will nicht nur eine Patentante auf dem Papier sein.«
So war sie, die Cecile, und von ihrem Wesen passte sie zu den Auerbach-Kindern, sie war herzlich, offen, und sie kehrte durch nichts heraus, dass hinter ihr ein riesiges Vermögen stand. Dagegen waren die Rückerts arme Leute, und die hatten dank Heinz schließlich auch eine ganze Menge Vermögen angesammelt.
Cecile wollte noch etwas von dem Kuchen haben, was Meta erfreute, und Rosmarie sprach aus, was sie augenblicklich bewegte. »Ach, Cecile, wenn das Verhältnis zwischen Fabian, Stella und mir nur annähernd so gut wäre wie zwischen uns. Ich bereue es so sehr, mich früher eher um mich als um meine Kinder gekümmert zu haben. Jetzt habe ich die Quittung. Es geschieht mir recht.«
Cecile widersprach sofort.
»Was Stella denkt, dazu kann ich nichts sagen, Es ist schade, dass sie nicht zur Taufe kommen wird, obwohl sie und Familie eingeladen sind. Aber Fabian, der hat eine gute Meinung von dir, Rosmarie. Das hat er mir selbst gesagt, es gefällt ihm sehr, dass du dazu beiträgst, den alten Leuten im Heim ein wenig mehr Lebensqualität zu geben. Er hätte nicht geglaubt, dass du so etwas tun würdest.«
Jetzt war Rosmarie ein wenig erstaunt.
»Das hat er wirklich gesagt, Cecile?«
»Ja, Rosmarie, das hat er. Ich finde, ihr seid auf einem guten Weg. Ihr bewegt euch aufeinander zu. Du musst Geduld haben. Ein Haus steht auch nicht plötzlich da, sondern es wird Stein um Stein gebaut.«
Rosmarie spürte, wie eine Woge des Glücks, des Wohlbehagens, sie erfasste. So hatte sie sich niemals gefühlt, auch nicht, wenn sie diese teure Designertasche ergattern konnte, auf die man normalerweise viele Monate warten musste. Auch nicht, wenn sie sich teure, dicke Klunker gekauft hatte, die blitzten wie der Schmuck an einem Christbaum.
Das musste in einem anderen Leben gewesen sein!
Warum hatte sie früher nicht begriffen, dass man für das, was das Leben wirklich ausmachte, kein Geld brauchte?
Dann wäre alles anders gekommen, doch leider ließ sich das Rad nicht zurückdrehen. Sie musste kleine Schrittchen in die richtige Richtung machen, und sie durfte keine zu große Erwartungshaltung haben. Vertrauen, Zuneigung, Liebe, das alles konnte man sich nicht kaufen.
Als Meta erneut hereinkam, um sich nach ihren Wünschen zu erkundigen, kam wie aus dem Nichts Beauty in den Raum gerannt, sie sprang an Cecile hoch, um sie zu begrüßen, lief schwanzwedelnd zu Rosmarie, ganz so, als wolle sie ihr sagen, dich habe ich auch nicht vergessen. Dann war wieder Cecile an der Reihe.
Beauty …
Wenn man so wollte, hatte es mit ihr angefangen, mit der hübschen, kleinen Beagledame. Nein, Teresa von Roth hatte sie einfach mit ins Tierheim genommen, das sie zuvor nie von innen gesehen hatte, und dann war es so gekommen, dass Rosmarie sich für das Tierheim eingebracht hatte, sie hatte Spenden gesammelt, sogar viel von ihrem teuren Schmuck verkauft, zum Schluss edle Designeroutfits, alles für das Tierheim. Und die kleine Beauty, die war quasi die Belohnung für alles. Rosmaries Leben war so viel reicher geworden, und selbst Heinz war in Beauty verliebt, und das bedeutete schon etwas.
Cecile verstand es auf wunderbare Weise, Beauty so richtig zu bespaßen, und wer weiß, wie lange es noch so weitergegangen wäre, hätte Cecile nicht zufällig auf ihre Uhr geblickt. Sie sprang ganz erschrocken auf.
»Mon dieu, so spät ist es schon? Die Zeit hier ist wie im Fluge vergangen, und es war ganz herrlich. Aber jetzt muss ich los, ehe Ricky und Fabian noch eine Vermisstenmeldung