»Mein Name ist Moss«, sagte Margaret. »Ich hatte einen Termin vereinbart.«
Die junge Frau musterte sie einen Moment lang, dann sagte sie, daß sie nachsehen werde. Sie holte ein protokollartiges Buch hervor und ließ einen Finger mit langen, silberfarbenen Nägeln über die Seiten laufen.
Peee-viiieeer! gellte es wieder durch die Rezeption, und Margaret Moss wechselte von einem Fuß auf den anderen und fühlte sich in ihrem Wintermantel zu warm angezogen.
Die junge Frau warf einen konzentrierten Blick über Margarets Schulter, dann lächelte sie richtig nett und sagte, ja sicher, klar wäre ein Termin vorgesehen, hier seien ein Handtuch und ein Bademantel, dort drüben sei der Umkleideraum, und dann Kabine sieben, ganz hinten im Flur!
Margaret nahm die Sachen in Empfang, drehte sich um und lief einem Mann in die Arme, der direkt hinter ihr stand. Er war klein und stämmig, trug ein T-Shirt und Jeans, die sich unter seinem Bierbauch an die Hüften klammerten. Er hatte eine Trittleiter in der Hand, ein Goldkettchen um den Hals und einen Zigarettenstummel im Mundwinkel. Er blickte sie mit einem unergründlichen Blick an, dann sah er zu dem Mädchen hinüber und fragte: »Hast du Schrauben gekauft?«
Der Umkleideraum war leer. Braune Schränke mit Rolltüren, in denen reihenweise Kleiderbügel an Stangen hingen. Margaret zog sich aus und wickelte sich so schnell wie möglich in den Bademantel. Es war ihr unangenehm, daß es keine Tür gab, nur ein Vorhang trennte den Umkleideraum vom Flur, aber vielleicht war heute Frauentag? Dann trabte sie den Flur hinunter, auf der Suche nach Kabine sieben.
Die befand sich ganz richtig am Ende des Gangs, und sie war leer. Es roch nach Massageöl, eine prosaische Bank mit einer frotteebezogenen Schaumstoffmatratze stand mitten im Raum, ansonsten war wenig Platz für andere Dinge. An drei Wänden entlang verlief ein Regal, in dem es Ölflaschen, eine große Rolle Haushaltspapier und ein vergessenes Haarband aus hellblauer Seide gab. Kein Fenster, ein riesiges Plakat mit einem Sonnenuntergang und Palmen sollte die Illusion von Licht und Raum vermitteln. Margaret zögerte, sich den Bademantel auszuziehen, sie fühlte sich merkwürdig verunsichert.
Die Frau, die schließlich hineinkam, war klein und zierlich und trug einen hellrosa Baumwollpullover, der ihr ständig die Schulter hinunterrutschte, und dünne Baumwolleggings aus demselben Material. »Hallo«, sagte sie leise und streckte Margaret die Hand entgegen. »Ich bin Nina. Ziehen Sie sich aus, dann fangen wir an. Sie können sich selbst ein Öl aussuchen. Lavendel wirkt beruhigend.«
»Dann nehmen wir das«, sagte Moss.
Sie lag auf dem Bauch und fühlte sich unbehaglich. Teils, weil sie sich noch nie – nicht einmal nach all den Jahren am Theater – unbekleidet in Gesellschaft fremder Menschen wohlgefühlt hatte, gleichgültig, welchen Geschlechts, teils, weil es auf der Massagebank anders als bei Physiotherapeuten und Chiropraktikern keine Aussparungen fürs Gesicht gab. Wenn sie bei einer Massage den Nacken verdrehen mußte, war das Ganze wirklich vergebliche Liebesmüh.
Nach einer Weile sagte sie in die Papierschicht hinein, die das Mädchen auf der Massagebank drapiert hatte: »Sie könnten nicht vielleicht ein bißchen härter zupacken?«
»Ich kann’s versuchen«, antwortete es gehorsam hinter ihr, und die kleinen Finger glitten mit ein wenig mehr Kraft über ihren Rücken.
»Wie nennt man das?« fragte Moss im Konversationston.
»Entspannungsmassage«, sagte die junge Frau, die Nina hieß.
Es wurde wieder still. Irgendwo knallte eine Tür, und im Radio lief noch immer P4, aber jetzt weiter entfernt.
»Ich habe Probleme mit dem Nacken«, sagte Moss.
»Ja, das haben viele Leute«, sagte die dünne Stimme. Dann zögerte sie etwas und fuhr fort: »Es könnte sein, daß Sie eigentlich eine richtige Behandlung brauchen, wissen Sie, medizinische Massage, aber das machen wir hier nicht.«
»Ach so«, sagte Moss. »Sie kennen nicht zufällig ein Mädchen, das Bente heißt?«
Die junge Frau mit Namen Nina hielt inne.
»Nein«, sagte sie.
»Ich hätte so gerne mit ihr geredet«, sagte Moss. »Ich hab gehört, sie soll hier arbeiten.«
Noch immer keine Fortsetzung der Massage.
»Wir sind ziemlich viele, und einige von uns arbeiten auch in Schichten«, sagte die Stimme schließlich. »Aber ich weiß nichts von einer Bente. Ich kann aber mal für Sie nachfragen. Sie sind jetzt fertig.«
Aha.
Moss blieb nichts anderes übrig, als wieder auf die Beine zu kommen. Sie stand im Bademantel da und fühlte sich klebrig und nach Lavendel stinkend, als Nina zurückkam. »Nein, hier gibt’s keine, die so heißt«, sagte sie, begann die Ölflaschen zu sortieren und das Papier wegzuwerfen, auf dem Margaret gelegen hatte.
Moss zuckte die Schultern. »Okay«, sagte sie. »Wo kann ich duschen?«
Das Mädchen blickte sie mit großen, dunkelblauen Augen an. »Wenn Sie aus dem Umkleideraum kommen, links«, sagte sie und zog ihren Pullover zurecht, der wieder hinuntergerutscht war.
Dann ging sie.
Der Duschraum war ganz in Ordnung, mit vier Duschen in jeweils einer eigenen Nische, die Wände und der Fußboden waren weiß gefliest. Moss zog den Bademantel aus, bevor sie sich unter eine der Duschen stellte. Sie mühte sich ein bißchen ab, bevor sie die richtige Temperatur eingestellt hatte. Dann nahm sie sich Seife aus einer Seifenschale an der Wand und dachte, daß Behälter mit Flüssigseife hygienischer wären als diese kleinen, glitschigen Seifenstücke, und sie drehte den Hahn auf, um das Wasser in Gang zu bekommen. Als sie sich schließlich umdrehte und die Augen öffnete, stand dort ein Mann.
Ein dicker, nackter Mann mit schwarzem Haar und Stielaugen. Er blickte sie direkt an, weder neugierig noch erschrocken, er sah sie nur an, bevor er quer durch den Raum ging und durch eine Tür auf der entgegengesetzten Seite verschwand.
»Was zum Teufel ...«, sagte Margaret laut, drehte die Dusche ab und schlüpfte in den Bademantel. Dann platschte sie barfuß in den Umkleideraum und beeilte sich so, die Kleider auf den noch nassen Körper zu ziehen, daß der Träger von ihrem schönsten Spitzenunterhemd abriß. Mit nassen Haaren und Mörderblick ging sie, den Bademantel über dem Arm, zur Rezeption.
Der Sender P4 war offenbar der Meinung, daß es Zeit für etwas Geräuschkulisse sei, und es erklang ein schmetternder Song in einer solchen Lautstärke, daß das blonde Mädchen hinter dem Tresen sie zuerst gar nicht bemerkte, doch dann hob sie den Blick von der Zeitschrift auf ihrem Schoß, stand auf und kam zum Tresen hinüber.
»Hören Sie«, sagte Margaret Moss so ruhig sie konnte. »Da ist doch tatsächlich ein Mann reingekommen, als ich gerade duschte!«
»O Mann, gerade neulich hab ich einen Zettel an die Tür gemacht, aber es gibt Leute, die sehen das einfach nicht«, sagte das Mädchen und kratzte sich mit einem langen Fingernagel im Haar. »Das macht dreihundert Kronen.«
Moss hätte nicht übel Lust gehabt, eine Menge zu sagen, doch sie hielt den Mund und holte das Geld heraus. »Arbeitet hier eine, die Bente heißt?« fragte sie nur. Es konnte nicht schaden, noch einmal nachzufragen.
»Nein«, antwortete die junge Frau und schob die Schublade zu, in der die Kasse lag. »Hier gibt’s keine Bente.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür hinter ihr, und ein Mann kam heraus. Nicht der Dicke von vorhin, dieser hier war groß und dünn und trug einen Anzug und einen großen Aktenordner. Er musterte Moss. Mit einem konzentrierten und langen Blick. Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg, und ging schnell hinaus.
Erst