Watch Dogs: Legion – Tag Null. Josh Reynolds. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Josh Reynolds
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966584173
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Sorgen machen.«

      »Das hab ich nicht, aber jetzt schon.« Sie starrte ihn unbeirrt weiter an.

      Er starrte zurück und plötzlich fiel ihm die Parole wieder ein. Peinlich berührt griff er sich an den Kopf. »Ach ja. Die Rote Königin sagt: ›Ab mit ihrem Kopf.‹«

      »Das kommt ein bisschen spät«, sagte sie misstrauisch.

      Er konnte es ihr nicht verübeln, dennoch war er genervt. Es war nicht seine Schuld, oder? Er war nicht derjenige, der sich in einer dunklen Hintergasse hatte treffen wollen wie in einem schlechten Film. Er war nicht derjenige, der auf dämlichen Kennwörtern bestanden hatte, wenn sie sich auch einfach verschlüsselte Pings an ihre Optiks hätten schicken können.

      »Ich hatte es vergessen«, erklärte er trotzig. Als sie nicht antwortete, drehte er sein Rad herum. »Dann fahre ich wohl einfach wieder, ja?« Er versuchte, gleichgültig zu klingen. »Mich juckt das nicht.« Was nicht ganz stimmte. Aber das musste sie ja nicht wissen.

      »Warten Sie«, sagte sie schnell. Er blieb stumm. Nach einem Moment seufzte sie. »Hier.«

      Sie hielt ihm einen gefalteten A5-Umschlag hin. Darin befand sich etwas Kleines. Wahrscheinlich ein USB-Stick, dachte er. Aber er war nicht so grün hinter den Ohren, dass er den Umschlag aufmachen und nachsehen würde. Nicht vor ihr. Dennoch zögerte er. Er kannte sich mit diesen Angelegenheiten gut genug aus, um zu wissen, dass es wahrscheinlich ein Risiko für sie war, sich so mit ihm zu treffen. »Ihnen ist klar, dass Sie dadurch in große Schwierigkeiten geraten könnten.«

      »Nur wenn Sie erwischt werden«, erwiderte sie leise. »Also, um unser beider Willen, lassen Sie sich nicht erwischen.«

      »Hatte ich nicht vor.« Er steckte den Umschlag in seine Jacke. »Danke, Süße. Bis dann.« Einen Moment später war er bereits wieder auf seinem Fahrrad und drei Sekunden danach weg.

      Er blickte nicht zurück.

      Hannah Shah marschierte Richtung Whitechapel und überflog im Gehen wichtige E-Mails auf ihrem Optik-Display. Es war zwar Sonntag, doch das bedeutete nicht, dass keine Arbeit mehr reinkam. Außerdem war es eine gute Ablenkung.

      Ein Polizeiauto fuhr mit heulenden Sirenen an ihr vorbei. Auf den Straßen waren mehr Polizisten unterwegs, als sie jemals gesehen hatte. Irgendwas lag in der Luft. Vielleicht hatte es mit der TOAN-Konferenz in ein paar Tagen zu tun. Die Abkürzung stand für Technology for All Nations und war eine Riesensache. Ein Zeichen für Londons Wiederauferstehung, wie manche behaupteten. Insgeheim hatte Hannah ihre Zweifel daran.

      Um sie herum erstreckten sich Boutiquen und Hipster-Cafés, so weit das Auge reichte. In Tower Hamlets bekriegte sich Tradition mit Gentrifizierung und Letztere war am Gewinnen. Es gab heutzutage kaum noch Geld für irgendwas, dennoch wurde etwas getan, hauptsächlich von ausländischen Konzernen. London rutschte seit Jahren in die internationale Bedeutungslosigkeit, aber niemand wollte es zugeben. Und wenn das bedeutete, gewisse Elemente einzuladen … dann war das eben so.

      Elemente wie Albion.

      Ihr war immer noch komisch zumute, die Informationen weitergegeben zu haben. Krish hatte sich für den Kurier verbürgt und er hatte zum Profil ihres Gesichtserkennungsprogramms gepasst, aber nur gerade so. Es war, als hätte er niemals soziale Medien genutzt oder sich fotografieren lassen. Abgesehen von einem Fahndungsfoto, das sie auf eigene Faust ausgegraben hatte. Die Ähnlichkeit war nicht sehr groß, aber es reichte. Der Verdächtige hatte sich kurz in die Systeme einiger neu entwickelter automatischer Auffüllroboter eines gehobenen Supermarkts gehackt und sie in Diebe verwandelt – zwei fürs Regal, einen für den Roboter. Es gab nicht genug Informationen darüber, was mit den gestohlenen Waren passiert war, auch wenn in einer angehängten Notiz angedeutet wurde, dass sie anonym an örtliche Lebensmitteltafeln gespendet worden waren.

      Oliver Soames – Olly für seine Freunde – war im Zuge der Ermittlungen befragt worden, doch es war nichts dabei herausgekommen. Das war das ganze Ausmaß seiner Geschichte: eine kurze Erwähnung in einer inzwischen geschlossenen und vergessenen Polizeiakte.

      Hannah konnte die Industriebleiche praktisch riechen. Jemand hatte Olly aus dem System geschrubbt. Es war dieser Mangel an Informationen, der sie letztendlich überzeugt hatte. Wenn Olly Soames nicht zu DedSec gehörte, ließ er es auf jeden Fall verdammt so aussehen.

      In einem plötzlichen Anflug von Nervosität richtete sie ihren Hidschab. Vielleicht gehörte er doch nicht zu DedSec. Vielleicht war er ein Albion-Spitzel. Ein illegales Tracker-Programm machte sie auf die Anwesenheit diverser Sicherheitsdrohnen über ihr aufmerksam. Mehr, als man einem Sonntagmorgen für gewöhnlich sah. Vielleicht gingen sie gegen Verkaufsstände ohne Gewerbeschein vor – oder sie folgten ihr.

      Sie schlängelte sich durch den Markt und ging den Drohnen aus dem Weg, so gut sie konnte. Ihre Akte war tadellos, doch sie wollte kein weiteres Risiko eingehen. Besonders wenn jemand herausfand, was sie getan hatte. Es war ein kalkuliertes Risiko gewesen, aber was hätte sie sonst tun sollen? Albion war gefährlich.

      Nicht alle teilten ihre Meinung. Zum Beispiel ihre Chefin. Sie sah Albion als »Chance«. Darum hatte sie Hannah damit beauftragt, ein komplettes Dossier über die Firma anzufertigen – alles, von ihrer Personalpolitik bis zu ihren Finanzdaten. Was immer sie finden konnte, wie unwichtig es auch wirkte. Leider war nicht viel zu finden gewesen. Aber das, was sie gefunden hatte, war erschreckend.

      Als eines der weltweit führenden privaten Sicherheits- und Militärunternehmen wollte Albion nun in den privatisierten Strafverfolgungssektor expandieren. Und das Vereinigte Königreich sollte als Testmarkt für langfristige städtische Einsätze und Befriedung fungieren, beginnend mit London. Wenn es Albion gelang, dort Fuß zu fassen, kam das einem Messer an der Kehle des restlichen Landes gleich.

      Wenn es ihnen gelang, den Vertrag zu bekommen, würden sie praktisch niemandem Rechenschaft schuldig sein. Eine paramilitärische Macht, die das, was vom Vereinigten Königreich übrig war, besetzt hielt. Der Gedanke war nicht besonders erfreulich.

      Glücklicherweise war DedSec ihrer Meinung. Oder zumindest hoffte sie, dass sie das waren. Es war von außen schwer zu sagen, was DedSec tatsächlich wollte. Zuerst hatte Hannah sie nur für ein weiteres Hackerkollektiv gehalten, das Ärger machen wollte. Doch inzwischen wusste sie es besser.

      DedSec hatte einen Plan. Wie dieser Plan aussah, wusste sie nicht, abgesehen davon, dass er darauf abzielte, das Leben für alle ein bisschen besser zu machen. Und das beinhaltete, Albion davon abzuhalten, sich in London breitzumachen. Oder zumindest hatte Krish ihr das versichert.

      Sie lächelte bei dem Gedanken. Als sie ihn kennengelernt hatte, war er nur ein junger Rapper auf der Suche nach Gigs gewesen. Jetzt war er … was? Ein Hacktivist? Ein Mitglied des Widerstands, alle Macht dem Volke, die ganze Leier.

      Und ab heute war sie das auch.

      Der Annäherungsalarm ihres Optiks ging los und sie sah auf. Nachrichtendrohnen kreisten in der Luft wie Aasgeier. Whitechapel war in letzter Zeit ein Interessenschwerpunkt geworden. Man hatte Albion gestattet, in Tower Hamlets probeweise ihr Ding zu machen, während die Regierung über die Verlängerung und Ausweitung ihres gegenwärtigen Vertrags debattierte.

      Das hatte die Einwohner ziemlich verstört. Besonders seit bekannt geworden war, dass Albion Immobilien aufkaufen wollte, um sie in Einsatzzentren ihrer Londoner Speerspitze umzuwandeln.

      Die Sozialwohnungen von Whitechapel standen seit Jahren kurz vor dem Abriss – einschließlich Lister House, wo ihre Chefin heute ihre Rede halten würde und das als Erstes von Albion aufgekauft werden sollte. Lister House war im Laufe der Zeit mehr als einmal den Gentrifizierungsplänen des Stadtrats entkommen und man konnte quasi die Uhr nach den Protesten stellen. Hannah konnte es den Bewohnern nicht verübeln. Falls das Gebäude abgerissen wurde, konnten sie nirgendwo mehr hin.

      Unglücklicherweise war das Sarah Lincoln trotz ihres öffentlichen Images vollkommen egal. Tatsächlich vermutete Hannah, dass sie ihren derzeitigen Wahlbezirk nur allzu gern gegen einen schickeren, finanzstärkeren eintauschen würde. Sarah hätte das mit Sicherheit bestritten, doch nach Jahren der Zusammenarbeit wusste Hannah, wie Sarah tickte.