Ferryman – Die Verstoßenen (Bd. 3). Claire McFall. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claire McFall
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783038801375
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zweiter Dämon nutzte ihre Abgelenktheit, krallte sich in ihr Haar, verbiss sich in ihren Nacken und schlitzte ihr die Kopfhaut auf. Der Schmerz schoss ihr durch den Schädel und sie schrie laut auf.

      Dann brannte plötzlich ihr Schenkel wie Feuer und ein weiterer Dämon fegte an ihr vorbei, um die nächste Attacke zu fliegen. Sie schloss die Augen, ignorierte für einen Moment den Dämon, der auf ihren Kopf einhackte, und den anderen, der wie ein Blutegel an ihrem Arm hing. Du stirbst nicht, rief sie sich in Erinnerung. Sie können dich nicht töten. Es tut nur weh.

       Im selben Moment warf sich etwas viel Größeres auf sie und sie stürzte beinahe zu Boden. Als sie die Augen aufriss, war Jack da, der mit grimmiger Miene seine kräftigen Finger um ihren freien Arm schlang.

       »Ich kann sie nicht anfassen!«, rief er verzweifelt, aber seine Stimme ging im Zischen und Kreischen der Monster unter. »Wir müssen wegrennen!«

       Wie sollten sie wegrennen, solange die beiden Monster an ihr klebten und andere an ihren Beinen zerrten? Aber Jack zog sie bereits wild entschlossen mit sich, ohne die Dämonen zu beachten, die sich auf ihn stürzten, sodass ihr keine Wahl blieb. Schritt für Schritt, Meter für Meter kämpfte er sich voran, mit seiner Seelenfahrerin im Schlepptau, die er mehr trug als zog, bis endlich das Schutzhaus, ein einstöckiger Steinbau, vor ihnen aufragte. Ihre Zuflucht, ihre Oase in der Wüste des Niemandslands.

       Mit Jacks Hilfe schaffte Susanna es, sich von den beiden Kreaturen loszureißen, die tiefe, blutige Wunden in ihrem Fleisch hinterließen. Dann stürzte sie mit ihm durch die Tür.

       Stille. Gesegnete Ruhe. Einen langen Augenblick lagen sie keuchend auf dem kalten, harten Steinboden. Susanna starrte noch eine Sekunde zur Tür, um sich wie üblich zu überzeugen, dass die Barriere standhielt, dann erst ließ sie den Kopf zurückfallen, schloss die Augen und erlaubte sich ein Schluchzen.

       Aber nur ganz kurz.

       Sie spürte, wie Jack von ihr zurückwich und sich aufrichtete.

       »Du blutest«, bemerkte er.

       Richtig. Sie spürte die Wunde an ihrem Schenkel und ihr rechter Unterarm brannte und pochte, als hätte ihn eine Dogge zerfleischt – was im Grunde nicht weit von der Wahrheit entfernt war. Die Schnitte in ihrer Kopfhaut waren nicht weiter schlimm, das wusste sie, aber Kopfwunden bluteten immer besonders stark.

       »Ich weiß«, seufzte sie. »Aber das macht nichts. Heilt alles wieder. Wir haben es geschafft und das ist die Hauptsache.« Mühsam zwängte sie ihre Augen auf, blinzelte ein paar Blutstropfen weg, die ihr vom Scheitel herunterrannen. Ohne sich weiter darum zu kümmern, wandte sie sich Jack zu, der fast schon beschützend über ihr kauerte. »Danke«, krächzte sie. Ihr Mund war trocken vor Angst und die glühende Luft des wahren Niemandslands verbrannte ihr die Kehle. »Danke, dass du mir geholfen hast.«

       Jack reagierte nicht darauf. Schaute nur weg und zuckte mit den Schultern. Die Dämonen, die vor der offenen Tür herumschwärmten, nahmen seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. »Was machen wir jetzt?«

       Sie folgte seinem Blick. Es waren mindestens hundert, ein Schwarm, der nur darauf wartete, sie zu zerfetzen und Jack nach unten zu ziehen, damit er einer der Ihren wurde.

       Sie hatte keine Antwort auf seine Frage.

      »Susanna!« Jacks Stimme drang leise, aber beschwörend an ihr Ohr. »Susanna!« Er schüttelte sie leicht und sie zuckte zusammen, hob ihren Kopf und blickte sich mit trüben Augen um.

      »Was ist?«, fragte sie benommen. »Was ist los?«

      Die Hütte war stockfinster, das Feuer erloschen. Alles Licht, das sonst vielleicht vom Nachthimmel nach drinnen gesickert wäre, wurde von dem Dämonenschwarm verschluckt, der wie immer sein Bestes gab, um ihnen die langen Stunden der Dunkelheit zur Hölle zu machen.

      »Du hast gezittert«, sagte Jack, einen besorgten Unterton in der Stimme. »Hattest du wieder einen Albtraum?«

      »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nicht schlafe«, erwiderte sie mechanisch.

      Jack schnaubte leise, seine starken Arme waren noch immer schützend um sie geschlungen und sie genoss die tröstliche Wärme. »Nenn es, wie du willst«, sagte er. »Du hast geträumt.«

      Das konnte sie nicht abstreiten, denn die Wunden, die ihr an diesem Tag zugefügt worden waren, brannten noch immer wie ein Phantomschmerz unter ihrer Haut.

      »War’s schlimm?«, murmelte Jack.

      »Es war … es war der Tag, an dem wir hierhergekommen sind.« Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Die ersten schrecklichen Momente, als der Inquisitor sie kurzerhand im wahren Niemandsland abgesetzt hatte, mussten in Jacks Erinnerung noch viel lebendiger sein als in ihrer. Im Gegensatz zu ihm hatte Susanna zumindest eine vage Vorstellung davon, wo sie waren und was mit ihnen geschah.

      Jack schwieg lange.

      »Davon hast du schon lange nicht mehr geträumt.«

      Das stimmte. Anfangs war sie Nacht für Nacht von dieser Erinnerung heimgesucht worden – was umso schrecklicher war, als sie keine Ahnung hatte, was diese Visionen bedeuteten. Als Seelenfahrerin schlief und träumte sie nicht, aber inzwischen hatte sie sich wohl oder übel damit abgefunden, dass ihre Erinnerungen sie einholten – auch wenn es dadurch nicht leichter wurde. Doch Jack hatte recht, es war tatsächlich lange her, seit diese Horrorvision sie zum ersten Mal erschreckt hatte.

      Man musste kein Genie sein, um zu begreifen, warum.

      »Also, wegen morgen …«, riss Jack sie aus ihren Gedanken.

      »Ja?«, sagte sie.

      »Ich meine, du kennst die Gegend hier besser als ich. Wie ist es hier denn so?«

      Susanna atmete tief durch die Nase ein und ließ die Luft langsam wieder entweichen.

      »Ich reise sonst nicht durch das wahre Niemandsland«, antwortete sie. »Das ist nicht unser Job. Wir holen eine Seele ab und führen sie durch ihr eigenes Niemandsland, dann werden wir sofort zur nächsten weitergeleitet.«

      »Du hast also keine Ahnung?«, stieß Jack mit harter, enttäuschter Stimme hervor. Sie hatten viel zusammen durchgemacht; doch trotz der Freundschaft, die ganz allmählich, in kleinen, schmerzhaften Schritten zwischen ihnen entstanden war, schaffte Jack es nicht, seine dicht unter der Oberfläche lauernde Aggressivität in den Griff zu bekommen, sobald es einmal nicht nach seinem Willen ging. Entweder er fluchte und brüllte, warf irgendwelche Sachen herum oder er reagierte kalt und hart. Manchmal auch grausam.

      Susanna wusste natürlich, warum – er hatte Angst, war frustriert –, was es aber nicht leichter für sie machte.

      »So ist es auch nicht«, antwortete sie geduldig. »Ich habe zumindest eine gewisse Vorstellung. Ich konnte schon immer das wahre Niemandsland sehen. Ich musste lediglich den Schleier wegreißen und einen Blick darauf werfen. Aber ich habe das nur gemacht, wenn ich in einem Schutzhaus war – sonst wäre es viel zu gefährlich gewesen.«

      Jack grummelte vor sich hin, also fuhr sie fort: »Wahrscheinlich ist es, als würde man nachts durch das Niemandsland reisen. Dämonen fürchten das Sonnenlicht und bleiben normalerweise im Schatten, was ihre Chancen, tagsüber anzugreifen, erheblich einschränkt. Es sei denn, eine Seele lässt sich so sehr von ihrer Verzweiflung überwältigen, dass der Himmel stockfinster wird und die Kreaturen sich hervorwagen können.«

      Jack schwieg und dachte darüber nach. Als sie sich herumwälzte, um einen Krampf in ihrem Rücken zu lösen, spürte sie seine Anspannung. Er hatte Angst, was er natürlich nicht zugeben konnte. Dabei spielte es gar keine Rolle – Susanna hatte auch Angst.

      »Bist du mal nachts durch das Niemandsland gereist?«, fragte er endlich.

      »Oh, schon oft.«

      »Und?«, hakte er nach.

      »Es