Ferryman – Die Verstoßenen (Bd. 3). Claire McFall. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claire McFall
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783038801375
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nichts ein. »Also, du hast sehr schöne Augen.«

      »Na toll«, fauchte sie und ihre »schönen Augen« wurden plötzlich feucht, was ihr gerade noch gefehlt hatte. Sie konnte doch hier nicht losheulen wie ein Baby. »Ich zieh mir einfach ’ne Papiertüte über den Rest, okay?«

      »Da brauchst du aber ’ne große Tüte«, stellte Tristan nachdenklich fest.

      Einen Augenblick starrte sie ihn entgeistert an, dann lachte sie.

      Und boxte ihn in die Rippen.

      »Sehr aufmunternd«, sagte sie mit gespielter Entrüstung.

      »Ich tu mein Bestes.« Tristan grinste breit. Dann wurde er wieder ernst und nahm ihre linke Hand in seine. »Ehrlich, für mich bist du immer schön, egal was du anhast«, sagte er, »und wenn du in einer Papiertüte rumläufst. Und außerdem, falls ich dich daran erinnern darf: Das hier ist der große Tag deiner Mutter und nicht deiner. Alle werden nur Augen für Joan haben, glaub mir.«

      »Ja, genau.« Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Ich verschmelze einfach mit dem Hintergrund.« Obwohl sie in ihrem Riesenpfirsich-Outfit absolut unübersehbar war. »Wenn ich Glück habe, passe ich perfekt zur Tapete oder zu den Vorhängen. Und wenn ich an der richtigen Stelle stehe, löse ich mich einfach in Wohlgefallen auf.«

      »Na bitte, das ist die richtige Einstellung!« Tristan beugte sich grinsend vor und küsste sie leicht auf die Stirn.

      Genau in diesem Moment ging die Tür auf der anderen Flurseite auf und Tante Rachel kam im Rückwärtsgang heraus, pfirsichfarbenes Hinterteil voran, was nicht gerade vorteilhaft für ihre Figur war. Aufgeregt gluckte sie um etwas herum, dann trat sie beiseite und gab den Blick auf Joan frei, die jetzt in den Flur trat. Dylan schnappte nach Luft. Ihre Mum trug sonst meistens ihre gestärkte marineblaue Schwesternuniform, während sie zu Hause in bequemen Sachen herumlief und ihre Figur mit einer Reihe von hässlichen Strickjacken verschandelte.

      Und jetzt diese Verwandlung!

      In ihren High Heels war sie mehrere Zentimeter größer als sonst. Ihr cremefarbenes Satinkleid schmiegte sich im Wickel-Look vom Ausschnitt bis zu den Knien nahtlos um ihren schlanken Körper. Ein einziger schmaler Träger zog sich um ihren Nacken und verschwand in der schönen perlenbesetzten Spitze, die den Rückenausschnitt säumte.

      In den Händen hielt sie ein zartes Rosensträußchen, von weißem Schleierkraut umhüllt.

      »Mum!« Dylan schlug sich die Hand vor den Mund und spürte zu ihrer Überraschung, wie ihr die Tränen in die Augen schossen.

      »Oh nein, wage es nicht!« Joan drohte mit einem Finger in Dylans Richtung, ihr Nagel schimmerte in einem sanften Perlmutt-Ton. »Oder willst du, dass ich auch noch anfange?«

      Aber es war bereits zu spät. Joan schnappte sich das Taschentuch, das Tante Rachel ihr hinhielt, und tupfte hektisch an ihren Augen herum.

      »Das ist kein Tag zum Weinen«, bemerkte Tante Rachel tadelnd. Ihre Augen waren trocken, die Lippen leicht gekräuselt.

      »Oh, bitte«, schoss Joan zurück. »Soweit ich mich erinnere, hast du dich bei deiner Hochzeit eine Stunde lang im Badezimmer eingeschlossen und geheult wie ein Schlosshund, weil deine Frisur nicht richtig saß.«

      Tante Rachel öffnete den Mund und funkelte Joan entrüstet an, brachte aber keinen Ton heraus. Dylan war an die Sticheleien der beiden Schwestern gewöhnt und zuckte nur mit den Schultern, obwohl sie wusste, dass es jederzeit in ernsthaften Streit ausarten konnte.

      Aber Joan hatte sich durch den kleinen Schlagabtausch offenbar wieder gefangen, denn sie richtete sich schniefend auf und strahlte Dylan an. »Also – sind wir bereit?«

      Dylan schaute wieder an ihrem Brautjungfern-Outfit herunter und wusste, dass sie nie bereit sein würde, aber Tristan hatte recht: Es war Joans Tag und nicht ihrer.

      »Müsstest du nicht an deinem Platz sein?«, sagte Tante Rachel zu Tristan, mit einem scharfen Unterton in der Stimme, der verriet, dass ihr Ärger über Joans Retourkutsche noch nicht wirklich verraucht war.

      »Rachel, Tristan begleitet meine Tochter«, fauchte Joan.

      In den letzten Wochen war sie viel nachsichtiger gegenüber Tristan geworden, auch wenn es ihr im Moment wohl eher darum ging, ihrer Schwester über den Mund zu fahren, als den Freund ihrer Tochter zu verteidigen.

      Schweigend fuhren sie mit dem Lift ins Erdgeschoss des Hotels hinunter und durchquerten das pompöse Foyer zum Veranstaltungssaal. Die Flügeltür war geschlossen, weiße Tüllschleifen rahmten sie ein, zierten auch die Türgriffe. Ein Hotelangestellter im eleganten Anzug wartete auf sie, um sie in den Saal zu führen.

      »Perfektes Timing«, sagte er lächelnd. »Wir sind gleich so weit.«

      Joan nickte und Dylan sah, wie sich die Anspannung im Gesicht ihrer Mum löste und einem erwartungsvollen Lächeln wich, sodass sie um Jahre jünger aussah. Wieder kamen Dylan die Tränen und sie umklammerte ihr Blumenbouquet, eine kleinere Version von Joans Brautstrauß, noch fester. Das hier war kein Traum, es passierte wirklich: Ihre Eltern heirateten und endlich wurden sie eine richtige Familie. Tristans Hand, die sich warm auf ihren Rücken legte, gab ihr vollends den Rest, obwohl er das bestimmt nicht gewollt hatte. Aber dass er da war, wirklich da war – hier, direkt neben ihr –, trieb ihr von Neuem die Tränen in die Augen.

      Tante Rachel seufzte und Dylan funkelte sie drohend an. Wenn sie jetzt etwas sagte, das ihrer Mum diesen einzigartigen Moment verdarb, würde sie ihr das nie verzeihen … Aber Tante Rachel sah nicht mehr wütend, sondern wehmütig aus. »Ein Jammer, dass Dad nicht da ist und dich zum Traualtar führen kann«, sagte sie leise.

      Joans Strahlen erlosch einen Moment, plötzlich sah sie sehr traurig aus. Aber dann fiel ihr Blick auf Dylan und sie fing sich wieder. »Alles gut«, sagte sie. »Ich habe ja meine Tochter, die mich begleitet, was brauche ich mehr?«

      Joan hatte keine Ahnung – nicht den blassesten Schimmer –, dass sie ihre Tochter beinahe verloren hätte. James wusste einiges darüber, doch vor Joan hatten sie die Geschichte geheim gehalten – wie Dylan gestorben war, wie sie sich mühsam ins Leben zurückgekämpft und was sie alles in Kauf genommen hatte, um hierbleiben zu können. Joans Worte berührten Dylan tiefer, als sie es je für möglich gehalten hätte. Sie schniefte leise, versuchte, den Kloß in ihrer Kehle hinunterzuschlucken.

      »Danke, Mum«, krächzte sie.

      Joan lächelte ihr zu, dann schwenkte sie ihre Hand herum. »Vorne und Mitte, mein Schatz«, sagte sie. »Du gehst voran.«

      Dylan ging zu der geschlossenen Tür voran, durch die bereits die ersten Takte des Hochzeitsmarsches drangen. Tristan, der neben ihr stand, würde gleich unauffällig an seinen Platz huschen, wenn die Hochzeitsgesellschaft den Gang entlangschritt.

      Die Aufregung drohte sie zu überwältigen und sie musste tief Luft holen. Als die Tür aufging, drehten sich die versammelten Gäste neugierig um und schauten ihnen entgegen. Starrten Dylan an, die wie angewurzelt in ihrem protzigen pfirsichfarbenen Taftkleid in der Tür stand. Hundert Augenpaare waren auf sie gerichtet und vor ihr lag der endlos lange Mittelgang.

      »Oh Gott«, flüsterte sie so leise, dass nur Tristan sie hören konnte. »Das ist die Hölle!«

      Kapitel 2

      »Das ist die Hölle.« Jack stand an der offenen Tür des Schutzhauses und blickte finster auf den Dämonenschwarm, der draußen herumwirbelte. Das blutige Rot der Sonne, das am Himmel glühte, tauchte sein Gesicht in ein gespenstisches Licht. Seine Augen waren wie dunkle Schächte unter den gerunzelten Brauen.

      »Mach die Tür zu«, sagte Susanna halb streng, halb schuldbewusst, wie immer, wenn ihre Gewissensbisse sie einholten, was praktisch pausenlos der Fall war, seit sie in diesem elenden Versteck herumsaßen. »Und schau nicht hin.«

      Sie setzte sich auf das abgewetzte Sofa, möglichst weit weg von der Tür. Also nicht sehr weit in diesem winzigen Verschlag, der aus vier nackten Steinwänden, einem Strohdach und einem einzigen