Ewige Jugend. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711472927
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er mit gewalttätigem Griff das junge Mädchen gepackt und auf den Arm gehoben.

      Sehr geschickt fand er die Leiter mit dem Fuss.

      „Festholten! Greifts zu! Gib a Obacht, Bub, dös ma gut nunter komm’!“

      Der Vinzenz vom Brunnecker Hof, der als Eifrigster die Leiter herzugeschleppt und grad’ den Fuss auf die unterste Sprosse gestellt hatte, um als erster droben zu sein, fühlte sich unsanft zurückgeschoben und starrte nun mit finsterm Blick empor, wo der Kroate mit seiner reizenden Bürde den Abstieg begann.

      „Sell is nöt recht!“ dachte er; „die Leiter hab’ i und der Franzel dahertragt, da stand mir auchs Recht zu, dem Madel beizuspringen.“

      Aber er fasste mit beiden Fäusten zu und hielt das Holz so sicher, als sei es gar ein Engerl vom Himmel selber, das da herniederstieg.

      „Nur nit so lamentabel, — das verhüt’s Gott und alle Heiligen!“

      Er starrte auf das wachsbleiche Antlitz.

      „Ja, Fräulein! Du mei Herrgott! So muass i Ihna wiederschaun!“ rief er voll herzlicher Teilnahme, und Lobelia schien ihn tatsächlich wieder zu erkennen. Ein mattes Lächeln huschte um ihre Lippen; sie versuchte ihm freundlich zuzunicken.

      Gaj Gyurkovics liess ihre Gestalt aus seinen Armen niedergleiten, beugte sich vor und stierte der Geretteten mit heissem Blick in das Antlitz.

      Lobelia sah empor, sah ihn an.

      Wie ein jäher Schreck spiegelte es sich in ihren Augen — unwillkürlich wich sie zurück, dicht an des Vinzenz Seite.

      „I hob die Gnädige schon gesehn! Im Theater neulich! Wissens noch ... im Apajune?!“

      Fräulein von Welten wich noch weiter zurück, und Vinzenz, der sie scharf beobachtete, trat jäh neben sie, als wolle er sich instinktiv schützend zwischen sie und den Fremden schieben.

      „Nein ... ich kenne Sie nicht!“ stammelte Lobelia und wich dem Blick des Kroaten aus, ängstlich nach dem Stadel zurückschauend, ob der Oberst noch nicht folge.

      „No, no! Bekannt gemacht hab’ i mi den Herrschaften noch nit, so viel Müh’ ich mir an selben Abend und die Tag nachher auch gegeben hab! I hol’s nach, Gnädige. Gaj Gyurkovics bin i genannt — unter den kroatischen Edelleuten findens mi an der Spitzen!“

      Die andern Herren drängten näher; Herr von Welten schwang sich die Leiter herab und stand neben der Nichte.

      Sein Blick traf nicht allzu erfreut den Bärenjäger aus dem Ivantschitzkagebirge, der ihm derb vertraulich die massive Hand entgegenstreckte.

      „Sind’s der Vater dazu?“ fragte er. „Da freut’s mi, dös mei Kugel Ihrem Gefangenwärter grad zur Zeit eins aufbrennt hat!“

      Herr von Welten verneigte sich etwas steif und förmlich. Sein Blick traf Vinzenz.

      „Ah — unsre fröhlichen Löselbuben!“ lächelte er; „sicherlich haben Sie unsre Wanderung in die Schlucht beobachtet und uns Hilfe gebracht?“

      „Sell schon, Euer Gnaden! — I bin zwoar nur a simpler Bauer, der Vinzenz vom Brunnecker Hof, aber der Stutzen, den i mir in der Kasern’ drunten geholt, trefft a sein Ziel. Gell’, Franzel?“

      Sein Spezi hatte das Grünhütel gleich dem Sprecher gelüftet; ehe er aber antworten konnte, stiess Vinzenz, dessen Blick eben noch ein wenig aufbegehrerisch über das frischfarbige Gesicht des Kroaten geschweift und dann zu Lobelia zurückgekehrt war, einen leisen Schrei des Schreckens aus.

      „Heilige Mutter Gottes! Wie schaut denn das Madel drein?“

      Das schwere Wolltuch war von Lobelias Köpfchen zurückgeglitten.

      Um Stirn und Schläfen lag das gestern noch so volle nussbraune Haar — es war weiss wie silberner Schnee.

      Und abermals ein Aufschrei des Obersten, der voll Entsetzen, wie abwehrend die Hände hob ... und ringsum die Männer im Kreise traten jäh näher und schauten wie gebannt auf das Schreckliche.

      Die Haare des jungen Mädchens hatte die furchtbare Aufregung, die grausige Todesangst einer langen, bangen Nacht gebleicht.

      Mechanisch hob sie die Hände.

      „Was ist mit mir?“

      „Nichts allzu Erstaunliches, armes Kind, es war zu kalt für deine zarten Nerven während unsrer Gefangenschaft heute nacht, es hat auf ... dein Köpfchen geschneit!“

      Herr von Welten sagte es leise, seine Stimme bebte.

      Alois Sturmlechner aber fand zuerst wieder das richtige Wort.

      „Da kann sich die Gnädige aber grad bei dem Bär bedanken!“ lachte er mit viel Selbstbeherrschung. „Neulich hab’ i ein Bildel von der Damen bei der Frau Tante geschaut, vom Fasching her! Da sollte wohl ein Rokokofräulein gespielt werden! Die weisse Perücke zu den dunkeln Augen hat so gut gekleidet, wie nix andres!“

      „So ist’s! Akkurat so ist’s!“ nickte Gaj Gyurkovics und schien das junge Mädchen mit den Blicken zu verschlingen: „Nur eine Schönheit mehr wird’s!“

      „Da helft alles Reden nix!“ grollte Vinzenz und griff mit dem Oberst zugleich nach der wankenden Gestalt der jungen Dame.

      „Schwach ist’s dem Fräulein. Schliess die Sennhütten auf, Sepp! Dös ’s a Ruah find’, bis ma an Wagen ’rannschafft.“

      „Brav, Bursche, brav!“

      Herr von Welten hielt die bebende, von Frost geschüttelte Gestalt im Arm und legte liebevoll das Plaid über das schimmernde Haupt der Nichte.

      „Der Gedanke ist gut; wenn es erlaubt ist, bleiben wir in der Sennhütte, das Gehen ist ja jetzt eine Unmöglichkeit für meine Schutzbefohlene.“

      Er sagte das letzte Wort mit besonderer Betonung, und sein Blick traf dabei wie zufällig den kroatischen Edelmann.

      Dieser wollte wie ganz selbstverständlich den Löselbub zurückweisen.

      „Geht’s nur, Bursch! I führ das Fräulein scho sicher, mei Arm schafft’s eher wie jeder andre.“

      Lobelia umschloss jählings des Vinzenz Arm mit der Hand, während sie sich fest an den Onkel schmiegte.

      Dieser, als alter Kriegsinvalide, nickte dem Tiroler freundlich zu, dass er seiner angeschossenen Schulter zu Hilfe kam und die kaum noch zum Gehen fähige junge Dame auch seinerseits stützte.

      „Lasst’s mi aus!“ schüttelte der Brunnecker Sohn energisch den Kopf und mass den fremden Bärenjäger mit festem Blick, „wär’ zum erstenmal, dös mei Kraft versagen tät’!“

      Stolz und doch behutsam sorglich schritt er daher und empfand unter dem jähen Druck auf seinem Arm wohl ein ähnliches Glücksgefühl, wie ehemals ein Mann, wenn er von seinem Landesherrn zum Ritter geschlagen ward.

      Unverkennlich war’s! Das Madel wollte, dass er dahier an ihrer Seite bleiben sollte, den fremden, schrundigen Kerl mochte sie nöt, das sah er gleich ihrem Gesichterl an, — und die Herren Offiziere von den Kaiserjägern rief sie auch nit heran, dass sie dem Onkel helfen möchten, — just er, der Vinzenz sollte es sein, drum hielt sie ihn so erschreckt am Arm fest!

      Die Mehrzahl der Schützen hatte nach ein paar teilnehmenden Worten, die wirr vor den Ohren der Erlösten durcheinanderklangen, den erlegten Bären umringt, in aufgeregter und umständlich er Debatte über den todbringenden Schuss zu sprechen. Das Jägerblut wallte, und das Interesse an dem seltenen Wild drängte momentan alles andre zurück.

      Der Kroate war den meisten Meranern bekannt als vorzüglichster Schütze, der schon vor Jahren einmal bei einer Bärenjagd den Meisterschuss getan.

      Er schoss aus ganz besonderer, fremdländischer Büchse, deren Kugel durch das Kaliber leicht festgestellt werden konnte.

      Er hatte ja auch den besten Schuss gleich für sich in Anspruch genommen.