Ewige Jugend. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711472927
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      „Nit mal ergraut! Gleich weiss geworden!“ jammerte er. „So über Nacht !— Wissens noch, Gnädige, wie wir dahier hergingen? Da sprachen wir von der Urewigen, der Weltallsmutter. Und i dacht’ bei mir selbst: ‚Wann i mir selbige so vorstellen soll mit dem weissen Haar um das ewig junge, herzliebe Angesicht, dann müsste die Göttin ausschauen wie Sie. Und nun? Eh’s gedacht, ist die Wala vom Himmel niedergestiegen und schaut uns mit ein Paar Augen an — wie ... ja ... wie die Liab fein selbst!“

      Viertes Kapitel

      Zwei Schützen traten in die Tür.

      „Will sich der Herr von Gyurkovics nöt mal das Viech drauss’ anschauen?“

      Der Kroate stand vor dem Herd und starrte voll grössten Interesses auf den Wasserkessel, den der Martel aufgesetzt hatte.

      Er wandte sich gar nicht den Sprechern zu, sondern streifte nur mit kurzem, aber sehr vielsagendem Blick die junge frierende Dame auf dem altmodischen Grossvaterstuhl.

      „Naa —! Lasst’s mi aus. — I bin hier zur Stell’ mehr pressiert!“

      Vinzenz hatte vor „seinem“ Ofen und „seinem“ Feuer Posto gefasst und trutzig die Hände in die Hosentaschen versenkt.

      „Ihr redet’s ja recht als an Tiroler, Herr von Gyurkovics!“ sagte er, und man wusste nicht so recht, klang Anerkennung oder feiner Spott durch seine Stimme.

      Der Kroate nickte, steckte sich die vierte türkische Zigarette an und schaute unbeirrt weiter auf Lobelia, als antworte er ihr und nicht dem Bauernbursch.

      „Ist’s ain Mirakel? I bin als kleines Hascherl mit der kranken Mutter aus Kroatien nach Meran kommen und hab’ dahier zuerst die deutsche Sprach’ lernt! An Salondam’ ist meine Kindswärterin grad nit gewesen, na und da hab’ i’s halt von ihr angenommen, — das Bäurische!“

      Der Oberst empfand, dass ein höfliches Wort am Platze sei.

      „Ihre Frau Mutter war krank? Hoffentlich sand sie volle Genesung in dem köstlich milden Klima hier?“

      „Grad nöt! — Was ihr eigentlich gefehlt hat, wusste ka Doktor und ka Mensch nöt zu sagen. Ging von Jahr zu Jahr so hin, wie a Blümerl verwelkt.“

      „Sie waren nur kurze Zeit in Meran?“

      Über das gerötete Gesicht des Bärenjägers zuckte es, er lächelte.

      „Sechs Jahr lang sind wir jeden Winter dahier unten gewest — und dann noch ein Jahr ganz und gar, nachdem der Vater daheim weggestorben war. Die Schmuggler hatten’s ihm einen Kampf aufgezwungen. Drei der Hauptschurken hat er noch weggeputzt, — der Rest von der Bande knallte ihn dann runter. Aber genutzt hat’s, — mehr Ruh’ hat’s halt geben.“

      „Ihre Heimat liegt im Gebirge?“

      „Justament. Schauens Baron, da sagt man halt, das Kroatien sei kein schönes Land! Wers behauptet, der kennt’s nöt. Die Ivantschitzka ist wohl wild und rauh, aber dahier die paar saubern, glattgefegten Alpküpferln, die steckt’s zehnmal in die Taschen. So an Leben wie hier, wo jeder Saldner eim Vorschriften macht und die Polizei einem Mann auf Schritt und Tritt wie einem Sklaven am Rockzipferl hängt, das kennen wir daheim gar nöt! Da bin i der Herr und hab’ mei Freiheit wie an König!“

      „A nöt! Bis auf die Schmugglers und Banditen!“ grollte der Vinzenz, und auch der Martel horchte hoch auf, aber er schwieg.

      Gaj Gyurkovics lachte. „Grad dös is der Jux, sich so an Geschmeiss zu unterjochen! Geht ma drauf dabei, is a Pech! Just, als ob die wilde Bestie draus den Baron und die Gnädige übermocht hätte! Viel Vergnügung und Zerstreuung ausser der Lieb und Essen und Trinken un a Hausmusik mit nem Tanz gibt’s fein nöt, aber dafür an andern Nervenkitzel, die Jagd auf Raubzeug! Ob das nun a Bär, a Wolf oder an Luchs — oder am End’ an Schmuggler und Räuberhauptmann is, dös grad macht’s Leben interessant droben! Du meiner Seel’! So was schüttelt’s einem mehr wie dahier das Theaterl oder Zirkus mit seinen Pappkulissen und Helden, die an Blechsäbel schwingen!“

      Der Sprecher sah bei jedem Wort auf Lobelia, als erwarte er von ihr eine Antwort; das junge Mädchen hatte jedoch den Kopf tief zur Seite geneigt und die Augen geschlossen, als schliefe sie.

      Abermals öffnete sich die Tür.

      Der Oberförster trat auf die Schwelle.

      Er warf einen schnellen Blick auf die Leidende und wandte sich dann flüsternd zu dem Kroaten, den er bereits gut zu kennen schien.

      „’s ist doch Ihre Kugel gewesen, Herr von Gyurkovics —! Kein andrer hätte das Auge getroffen wie Sie! Haben sich ja auch am waghalsigsten und nächsten an das Ungetüm herangepirscht.“

      Gaj lachte, über sein Gesicht wetterleuchtete es. „Sie kennen sich schon aus auf mein Kaliber? — Steckts die Kugel noch im Knochen?“

      „Na, naa! Habens schon rausgeklopft Ihre! — Nun behauptens die Buben, die Bärin habe Junge in der Schlucht — —“

      „Teifi!“

      „Da möcht’ i bitten, dös mitkommen! Sie verstehen sich auf so Pfadfinderei doch ganz besonders aus.“

      Einen Augenblick stand der Kroate und atmete ein paarmal tief auf.

      „Just was mir Spass macht! Möcht schon fürs Leben gern mit, Forstmeister, aber ...“ und der Sprecher machte eine kurze, leidenschaftlich abweisende Bewegung und schüttelte jäh den Kopf: „kann nöt! — Muss aufs Wasser und den Kaffee warten! Die Gnädige brauchts einen heissen Schluck.“

      Alle lachten. „Den Kaffee — den übernimm halt i!“ rief Vinzenz eifrig.

      „Magst’s schon mögen!“ spottete der Kroate. „Aber an echten, türkischen Kaffee kannst nöt braun. Die Gnädige hat an Nervenschock g’habt, dafür mag’s a steifen Kaffee brauchen, den schaff’ i für sie!“

      „Machens ka Faxen, Herr von Gyurkovics, die Herren draussen wartens ja.“

      Zum erstenmal hob Lobelia das müde Köpfchen.

      „Ich bitte Sie inständigst, mein Herr, dem Ruf der Jäger Folge zu leisten!“ sagte sie leise. „Ich weiss, dass es sehr gefährlich ist, ein Bärenlager aufzuspüren, falls noch andere dieser Raubtiere in der Nähe sind. Es würde mich unsagbar aufregen, wenn um meinetwillen ein Unglück passieren würde.“

      „Bei Leibe net! Das Fräulein darf doch jetzt nicht aufgeregt werden!“

      „Sie sind ein so glänzender Schütz’! Sie sind ja unentbehrlich bei der Sache!“

      „Wir alle kennen uns ja nimmer aus und ein solcher Brut gegenüber!“

      Ein heisser Blick blitzte zu Lobelia hinüber.

      „Wenn es der Gnädigen a Beruhigung ist, dös i die Jäger anweis’, so geschieht’s. Habens ja nur zu befehlen über mich! — Aber eine Lieb’ ist der andern wert. Für mi is auch a Beruhigung notwendig, dös i der Baronin mit all meinen Diensten aufwarten darf! — Da rührts mi koans an den Kaffee, — i besprech’ mi mit den Jaga und nachens habens mi selm nöt vonnöten!“

      Er klappte die Hacken zusammen, als sei er für gewöhnlich Sporen gewöhnt, verbeugte sich tief und huldigend vor der jungen Dame, — aber nur allein vor ihr und nicht vor den andern, und trat wuchtigen Schritts, selbstbewusst wie ein König der Berge, über die Schwelle.

      Als sich die Tür hinter ihm geschlossen, machte Fräulein von Welten eine jähe, angstvolle Bewegung.

      „Ach, Onkel! können wir nicht heim?“ rief sie flehend; „erst hat uns der Bär belagert, nun macht uns der unheimliche fremde Mann hier zu Gefangenen!“

      „Sie haben ka Sympathien für ihn?“ Vinzenz trat fast ungestüm näher. „Schauens, nachsagen lässt sich dem Herrn nix, ma kennt sich scho auf sei herrisches Wesen aus, aber just dös, was Sie da sagen, an ‚Unheimlicher‘, dös mögens wohl