Daniel verdrehte die Augen. Dieser Name war schon jetzt ein Reizwort für ihn. Dazu musste er den Mann gar nicht kennen.
»Hast du schon versucht, sie auf dem Handy zu erreichen?«
»Ich wollte keine Glucke sein.«
»Glucke? Unsere Tochter ist sechzehn und noch lange nicht erwachsen.« Daniel zog das Mobiltelefon aus der Tasche und wählte die Nummer seiner jüngsten Tochter.
Trotz ihrer eigenen Sorgen musste Fee lächeln.
»Du führst dich auf wie ein eifersüchtiger Gockel. So kenne ich dich gar nicht.«
Daniel lauschte angestrengt in den Hörer. Als die Mailbox ansprang, legte er auf.
»Ich bin kein eifersüchtiger Gockel. Ich mache mir Sorgen. Was, wenn Wiesenstein seine Finger im Spiel hat?«
Fee konnte sich das Lachen nicht verkneifen.
»Du denkst doch hoffentlich nicht, dass er sie entführt hat und sie nur freigibt, wenn du deinen Chefarztposten räumst?«
Wie ertappt wandte sich Daniel ab. Im nächsten Moment erklangen Stimmen im Treppenhaus. Eine weiche, dunkle, männliche und eine helle, weibliche.
Mit einem Satz war Daniel an der Tür. Wie angewurzelt blieben Joshua und Dési stehen.
»Da bist du ja! Wo hast du gesteckt?« Erst auf den zweiten Blick bemerkte Daniel die schmutzige Jeans, die verdreckte Regenjacke. »Und wie siehst du überhaupt aus?«
Joshua trat vor und wollte sich entschuldigen, als Dési ihn am Ärmel zurückzog.
»Lass mich das machen«, raunte sie ihm zu. »Wir sehen uns später.« Sie gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange.
Joshua sah hinüber zu Daniel und beschloss, Désis Vorschlag anzunehmen. Mit eiligen Schritten verschwand er im Treppenhaus.
Darauf hatte Daniel nur gewartet.
»Ich erwarte eine Erklärung, junge Frau! Deine Mutter und ich kommen fast um vor Sorge, während du offenbar eine Schlammschlacht hinter dir hast«, schimpfte er und schloss die Tür hinter Dési.
»Dad, du tust ja gerade so, als wäre ich zwölf Jahre alt«, beschwerte sie sich, während sie aus Jacke und Hose schlüpfte.
»Sie hat recht, Dan.« Fee legte die Hand auf seine Schulter.
Unschlüssig sah er von einer zur anderen.
»Ein Mann gegen zwei Frauen. Das ist unfair«, gab er sich seufzend geschlagen. »Also, was ist passiert?«
Dési senkte den Kopf.
»Wir hatten einen Unfall mit dem Roller.«
Schon wollte Daniel wieder aufbrausen. Es war Fee zu verdanken, dass er ruhig blieb. Sie zog eine Augenbraue hoch und sah Dési forschend an.
»Joshua kann nichts dafür«, versicherte die schnell. »Der Hinterreifen ist geplatzt. Da lag etwas auf der Straße. Wäre er nicht so ein guter Fahrer, würden wir jetzt in der Klinik liegen.«
Die Eltern sahen sich an und schnappten nach Luft. Felicitas fand als Erste die Sprache wieder.
»Es ist alles gut, mein Schätzchen. Hauptsache, euch ist nichts passiert.«
»Dieser Kerl …«
»Dad, bitte.« Ein süßes Lächeln auf den Lippen schmiegte sich Dési an ihren Vater. »Du musst nicht eifersüchtig sein. Du weißt doch, dass die Erste große Liebe eines Mädchens der Papa ist. Daran wird kein Mann der Welt etwas ändern.«
Mit einem Schlag verrauchte Daniels Ärger. Er schloss seine fast erwachsene Tochter in die Arme und wiegte sie wie ein Kind.
»Trotzdem lasse ich deine Mutter und dich so schnell nicht mehr allein wegfahren. Ihr zieht die Männer an wie das Licht die Motten.«
»Freu dich doch, dass wir so begehrt sind.«
»Das sehe ich genauso. Jeder andere Mann wäre stolz darauf!« Fee zwinkerte ihrer Tochter zu.
»Das bin ich ja auch«, gab Daniel zähneknirschend zu. »Trotzdem muss sich dieser Wiesenstein in acht nehmen.«
»Adrian ist ein sehr netter Mann. Du wirst ihn heute Abend beim Essen kennenlernen«, gestand Fee. »Und es wird mir ein Vergnügen sein, ihm zu zeigen, wie sehr ich dich liebe«, fügte sie hinzu, ehe Daniel Gelegenheit zu einer weiteren Reklamation hatte.
Entwaffnet schüttelte er den Kopf. Sein zärtlicher Blick ruhte auf Fee.
»Wenn du nicht längst meine Frau wärst, würde ich jetzt um deine Hand anhalten.«
»Und ich würde sofort Ja sagen«, erwiderte Fee. »Obwohl ich schon so lange deine Frau bin.«
»Tatsache ist aber, dass ich meinen Computer unbedingt zum Arbeiten brauche. Wozu, das muss ich Ihnen hoffentlich nicht erklären.« Felicitas Norden saß an ihrem Schreibtisch in der Klinik und drückte den Telefonhörer ans Ohr. Das, was sie zu hören bekam, schien ihr nicht zu gefallen. »Das wäre wirklich reizend, wenn mich der Herr Techniker gleich zurückrufen würde. Danke, auf Wiederhören.« Wütend warf sie den Hörer auf den Telefonapparat. »Das ist doch zum Mäusemelken!« Sie sah hinüber zur Tür. Wer auch immer der ungebetene Gast war, der gleich hereinkam: Er konnte sich warm anziehen.
»Kannst du ein bisschen leiser schimpfen? Die Schwestern draußen bekommen Angst!«, bat Daniel Norden schmunzelnd.
Bei seinem Anblick atmete Fee durch und lehnte sich zurück.
»Natürlich. Es tut mir leid. Ich sollte endlich glauben, dass das alles hier meine Schuld ist. Wenn ich meinen Computer heute früh freundlich angelächelt hätte, wäre das System auch nicht abgestürzt.« Sie schnitt eine Grimasse. »Und wie läuft es bei dir?«
»Ausgezeichnet. Unsere ambitionierte Assistenzärztin Sophie Petzold hat sich soeben bei mir beschwert, dass ihre Leistungen von den Kollegen nicht entsprechend gewürdigt werden.«
»Und? Was ist dein Eindruck?«
Daniel trat ans Fenster. An diesem Sommertag konnte sich das Wetter nicht recht entscheiden. Immer wieder schoben sich unheilverkündende Wolken vor die Sonne, verschwanden aber wieder, ohne ihre Androhung wahr gemacht zu haben.
»Ehrlich gesagt habe ich wichtigere Dinge zu tun, als mich um solche diffusen Befindlichkeiten zu kümmern.«
»Wenn ich mich nicht irre, ist Mitarbeitermotivation ein Punkt in deiner Stellenbeschreibung«, scherzte Felicitas. Wie immer tat ihr die Gesellschaft ihres Mannes gut.
Das beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. Daniel drehte sich um und lächelte sie an.
»Norwegische Forscher haben erst kürzlich wieder bewiesen, dass Frauen die besseren Führungskräfte sind. Die Ergebnisse ihrer Studie deuten darauf hin, dass Frauen in den Dimensionen Klarheit, Innovationskraft, Unterstützung und zielgerichtete Genauigkeit den Männern gegenüber im Vorteil sind.«
Fee zog eine Augenbraue hoch.
»Und was willst du mir damit sagen?«
»Das war ein Jobangebot.« Er kehrte an den Schreibtisch zurück, setzte sich auf die Tischkante und lächelte seine Frau an. »Willst du nicht die Klinikleitung übernehmen?«
In Fees Lachen hinein klingelte das Telefon.
Sie streckte die Hand aus, als Daniel ihr Einhalt gebot.
»Das ist bestimmt der Computermensch. Ich regle das für dich.«
Ergeben ließ Felicitas die Hand sinken.
»Norden!« Seine Stimme war scharf. »Ja, das war meine Frau. Aber