Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Chefarzt Dr. Norden Paket
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740975135
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hätte mir als jungem Mädchen auch gefallen.« Wohlwollend musterte Fee den jungen Mann mit den verstrubbelten Haaren, den noch weichen Gesichtszügen und den warmen braunen Augen, die er von seinem Vater geerbt hatte. In ein paar Jahren würde er ein gut aussehender Mann sein, so viel war sicher. Sein Lächeln war von bestechender Natürlichkeit, als er an den Tisch trat. Artig stellte er sich vor und machte Fee ein Kompliment.

      »Bist du so weit?«, wandte er sich an Dési. »Hast du deine Regenjacke dabei?« Einen weiteren Pluspunkt sammelte er, als er Dési in die Jacke half.

      Fee beschloss, sich keine Sorgen zu machen, und sah den beiden nach, wie sie übermütig lachend und sich gegenseitig neckend aus dem Restaurant verschwanden. Unwillkürlich musste sie an ihre eigene Jugend denken, daran, wie Daniel und sie noch frisch verliebt gewesen waren.

      »Hübsch, die beiden, finden Sie nicht?« Adrian Wiesensteins Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Wenn aus uns beiden schon kein Paar wird, dann kann ja wenigstens die Jugend ihr Glück versuchen.«

      »Adrian!« Lächelnd machte sie eine einladende Handbewegung. »Setzen Sie sich.«

      Nur zu gern nahm er ihre Einladung an.

      »Fühlen Sie sich auch ein bisschen verwaist?«, fragte er.

      »Ganz so schlimm ist es nicht. Dési hat drei ältere Geschwister und einen Zwillingsbruder. Inzwischen habe ich mich an diese Abschiede gewöhnt.«

      »Fünf Kinder? Alle Achtung.« Adrian war sichtlich beeindruckt. »Ich bin schon froh, wenn ich mit einem Bengel fertig werde.«

      »Ich finde, das haben Sie bis jetzt sehr gut hinbekommen. Ich kenne nicht viele junge Männer, die so gut erzogen sind.«

      »Das war ein hartes Stück Arbeit, das können Sie mir glauben.« Adrian zwinkerte ihr vergnügt zu. »Mal abgesehen davon, dass er jede Menge Flausen im Kopf hat und auch ganz anders kann, wenn wir unter uns sind. Aber das muss ich Ihnen wahrscheinlich nicht erzählen.«

      Fee lachte. Sie wusste genau, wovon er sprach, und ließ sich nur zu gern auf dieses Gespräch ein. Für sie gab es kaum Schöneres, als von ihrer Familie zu erzählen. Adrian lauschte ihren Geschichten mit Bewunderung und einem Hauch von Wehmut darüber, dass ihm ein solches Glück nicht vergönnt gewesen war.

      *

      Während seine Frau am Frühstückstisch saß und sich angeregt unterhielt, war Daniel Norden trotz des Wochenendes wieder in den Klinikalltag eingetaucht. Anders als an städtischen Häusern wurden in der Privatklinik Dr. Behnisch die Patienten an jedem Tag der Woche gleich gut behandelt und betreut. An diesem Morgen saß er mit einer Tasse Kaffee und einem Croissant aus der Bäckerei ›Schöne Aussichten‹ am Tisch, als die Kollegin Lekutat hereinschneite.

      »Hier würde ich gern mit Ihnen tauschen.« Sie hielt den OP-Plan in der Hand und wedelte damit vor der Nase des Chefs herum. Sie hatte ihn vorhin von Schwester Elena bekommen und war ganz und gar nicht damit einverstanden.

      »Wenn Sie still halten, kann ich auch die Uhrzeit erkennen«, bemerkte Daniel. Er hielt ihr Handgelenk fest und studierte die Planung für die kommende Woche. »Meinetwegen. Dafür bekomme ich Frau Petzold aber hier als OP-Assistenz.«

      In diesem Moment betrat Sophie das Zimmer. Sie war so still und in sich gekehrt, wie niemand in der Klinik sie bisher erlebt hatte.

      »Operieren Sie lieber mit mir oder mit der Kollegin Lekutat?«, sprach Daniel die junge Assistenzärztin scherzhaft an.

      Das innige Telefonat, das er am Abend noch mit seiner Frau geführt hatte, trug ihn auch noch an diesem tristen Morgen.

      »Operieren nennen Sie das, was Sie da tun?«, platzte Dr. Lekutat wieder einmal vorlaut heraus. Diesmal bemerkte sie ausnahmsweise, dass sie zu weit gegangen war. »Nichts für ungut«, murmelte sie eine Entschuldigung und floh aus dem Zimmer.

      Sophie bleib allein mit dem Klinikchef zurück. Ohne ein Lächeln auf den Lippen ging sie durch das Zimmer und ließ sich auf einen der Stühle am Tisch fallen.

      »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Daniel irritiert.

      »Nein. Nein, überhaupt nicht.« Sie machte einen so verstörten Eindruck, dass sich Daniel zu ihr setzte.

      »Was ist passiert?«

      »Ich war gerade bei Bastian Dehmel.« Sie hob die Augen und sah ihren Chef an. »Er will sich von seiner Frau trennen.«

      Daniel nickte bekümmert.

      »Das habe ich auch schon gehört. Und ehrlich gesagt kann ich ihn recht gut verstehen.«

      »Wie bitte?« Sophie Petzold war sichtlich erstaunt, solche ­Worte aus dem Mund ihres Chefs zu hören. »Wie können Sie so etwas sagen? Das könnte ihren Tod bedeuten.«

      »Im Grunde genommen bin ich derselben Meinung wie Sie.« Daniel zerpflückte sein Croissant und steckte ein Stück in den Mund. »Aber ich war gestern Abend noch einmal in der Klinik, um Frau Dehmel ins Gewissen zu reden.«

      »Und?«

      »Sie will einfach nicht einsehen, dass ihr nur noch eine Therapie helfen kann.« Nachdenklich schob er in weiteres Stück Blätterteig in den Mund und trank einen Schluck Kaffee.

      »Und was haben Sie jetzt vor?«, fragte Sophie.

      »Was sollte ich vorhaben? Soll ich Frau Dehmel mit vorgehaltener Pistole zu ihrem Glück zwingen? Oder was genau stellen Sie sich vor?«

      Sophie sprang von ihrem Stuhl auf.

      »Wenn Sie sich immer so schnell ins Bockshorn jagen lassen, wundert mich, wie Sie Klinikchef geworden sind«, schimpfte sie.

      Unwillig schüttelte Dr. Norden den Kopf.

      »Frau Dehmel ist eine erwachsene Frau, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist. Sie ist Herrin ihrer Entscheidungen. Wenn sie keine Therapie macht und weiter trinkt, wird sie sterben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Darüber ist sie aufgeklärt. Mehr können wir nicht für sie tun«, erklärte er streng. »Deshalb kehren wir jetzt an unsere Arbeit zurück und helfen den Patienten, die unsere Hilfe gern annehmen.« Er steckte den letzten Rest Croissant in den Mund, leerte seine Kaffeetasse und stand auf. Er machte eine Handbewegung, als wollte er ein paar Hühner aus dem Stall scheuchen.

      So blieb Sophie nichts anderes übrig, als ihrem Chef zu gehorchen und sich an die Arbeit zu machen. Das war nicht die schlechteste Lösung, um die quälenden Gedanken wenigstens für eine Zeit lang loszuwerden, wie sie bald darauf feststellte.

      *

      »Vorsicht, Stufe!« Das Boot legte in Prien am Chiemsee an. Joshua reichte seiner Begleiterin die Hand.

      Leichtfüßig sprang Dési vom Schiff und warf einen Blick in den Himmel. Der Regen hatte aufgehört, und hier und da klaffte eine Lücke in der Wolkendecke.

      »Wenn Engel reisen, dann lacht der Himmel.«

      »Das passt perfekt zu meinem Plan«, verriet Joshua und lief los, ohne ihre Hand loszulassen.

      »Was hast du vor?« Sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Das war nicht ganz einfach, denn er war fast einen Kopf größer als sie, und seine Beine waren entsprechend länger.

      »Ich muss dir doch was bieten.« Seine Augen blitzten vor Vergnügen. »Nicht, dass du heute Abend einer Mum erzählst, was für ein langweiliger Knochen ich bin.«

      »Dann bin ich ja mal gespannt, was du mit mir vorhast.«

      »Das wirst du gleich erfahren.« Wenig später machte Joshua vor einem Haus Halt, über dessen Eingang ein Schild prangte. ›Berger’s Roller und Motorräder‹, stand in leuchtend orangefarbenen Lettern darauf. »Sieh mal!«, machte Joshua seine Begleiterin aufmerksam.

      »Ich weiß auch nicht, warum die Leute so was mit Apostroph schreiben. Da muss gar keines hin.« Der Rechtschreibfehler war ihr sofort ins Auge gestochen.

      Joshua lachte.

      »Das meinte ich nicht.«