Im Kern geht es um die Frage, welche Wirkungsbeziehungen für den Markenerfolg wie ausgeprägt sein müssen zwischen der werblich auftretenden Celebrity auf der einen, der beworbenen Marke auf der anderen und der Zielgruppe auf der dritten Seite, bei der die Marke positioniert werden soll. Das komplexe Wechselspiel zwischen diesen drei Größen veranschaulicht Abbildung 2, welche wesentliche Annahmen und Variablen der einschlägigen Erklärungsmodelle zur Wirkung von Celebrities und Influencern in der werblichen Kommunikation integriert. All diese Ansätze gehen von drei psychologischen Konstrukten aus, die sich gegenseitig bedingen: Übertragung – Ähnlichkeit – Passung.17 Während die Übertragung den grundlegenden kognitiven Prozess beschreibt, gibt die wahrgenommene Ähnlichkeit die Transferrichtung vor, deren Zielzustand die erlebte Passung darstellt, die wiederum wesentliche Erfolgsgrößen der Werbe- und Markenwirkung beeinflusst. Bevor wir diesen Prozess näher betrachten, wollen wir auf einen wichtigen Aspekt eingehen, den Abbildung 2 ebenfalls verdeutlichen soll – den Einfluss kultureller Bedeutungen auf den Wirkungsprozess.
Abb. 2: Modell zur Wirkung von Celebrities und Influencern in der Markenkommunikation
Für den Erfolg von Celebrity#Influencer-Marketing muss auf Seiten der Zielgruppe prinzipiell eine dreifache Transferleistung hinsichtlich der Ähnlichkeitsbeurteilung und Passungsbewertung erbracht werden: Passen Celebrity und Marke zueinander? Ist die Marke etwas für mich? Wie stehe ich zur Celebrity?18 Dabei geht es nicht um ein einfaches Bejahen oder Verneinen, sondern um die persönliche Zuschreibung und Gewichtung von Bedeutungen: Was macht für mich diese Marke eigentlich aus? Und weshalb ist mir die Celebrity sympathisch? Das klingt nach viel Aufwand und konzentrierter Schwerstarbeit, jedoch werden diese Fragen in Millisekunden meist nahezu unbewusst und automatisch gelöst.19
Denn Menschen leben in aller Regel für einen längeren Zeitraum in einer bestimmten Kultur und fühlen sich in einer Gesellschaft zu Hause, in der sie bezüglich der Werte, Normen und Trends sozialisiert und integriert sind. Infolgedessen können sie unmittelbar und leicht die vermittelten Bedeutungsinhalte von Dingen, Zeichen, Gesten, Redewendungen usw. aus ihrem näheren und weiteren Umfeld erkennen und verstehen, ihren Sinn interpretieren und passend bewerten. Wie automatisch dieser Prozess abläuft, wird bewusst, wenn eine bestimmte Bedeutung nicht der erwarteten Zuschreibung entspricht, wie zum Beispiel bei der Farbe „weiß“, die in westlichen Kulturen für das Reine und Unberührte steht (Brautkleid) und in östlichen Kulturen wie Japan den Tod symbolisiert.
Insofern hängt der Einfluss von Celebrities und Influencern, die zugunsten von Marken auftreten, von den Bedeutungsinhalten ab, die für den jeweiligen soziokulturellen Kontext gültig sind und bei der Zielgruppe aktiviert werden können.20 Zu den kulturellen Bedeutungsinhalten mit hoher Einflusskraft zählen Alter, Geschlecht, sozialer Status, Lebensleistung, Persönlichkeit und Lebensstil. Prominente können besondere kulturelle Bedeutung erlangen, wenn sie in einer Gesellschaft ein Stück weit durch ihre Standpunkte, Weltanschauungen, aber auch Moden und Habitus vorleben und mitdefinieren, wie Schönheit, Erfolg, Stil und ein erfülltes Leben gehen. Auf diese Weise werden sie zu Leitbildern für Menschen. Ein Beispiel für diese besondere zusätzliche Bedeutung ist der „Promi-Status“, den Menschen bereits einfachen Dingen zuschreiben, die prominenten Personen gehört haben und für die sie bereitwillig einen höheren Preis zahlen würden.21 Als Repräsentanten und Übermittler solcher für viele Menschen wünschenswerten Eigenschaften sind Prominente auch für die Werbung attraktiv, weil oftmals das (Konsum-)Verhalten an erwünschten Leitbildern orientiert wird.
Kommen wir nun zu den drei zentralen Bestandteilen des Wirkungsprozesses von Celebrity-Werbung: Übertragung - Ähnlichkeit - Passung. Die kognitive Fähigkeit der Übertragung dient als Mittel zur assoziativen Bildung von Wissensstrukturen durch Vergleich, Zuordnung und Kategorisierung.22 Nicht nur einfache Merkmalseigenschaften wie Farbe, Form und Aussehen werden von Gegenständen und Lebewesen auf andere übertragen, sondern auch abstrakte, symbolische Bedeutungen im Sinne von Metaphern und Analogien. Für Marken und Celebrities bzw. Influencer sind zwei besondere Übertragungsqualitäten wichtig: Animismus und Stereotypisierung.
Der Animismus beschreibt die Tendenz von Menschen, die materielle Welt zu „beseelen“ und sie dadurch zugänglicher, emotionaler zu machen, indem Dingen, aber auch Phänomenen, Pflanzen und Tieren Namen verliehen und Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben werden.23 So können wir uns vorstellen, dass es einen „Stein der Weisen“ gibt und magische Orte der Wunderheilung, dass Tarotkarten in die Zukunft blicken lassen, der Wolf bösartig und das Schaf dumm ist, ja selbst ein unheilvolles Sturmtief einen Vornamen tragen kann – mit absurden Folgen: Hurrikane mit weiblichen Vornamen werden als weniger risikoreich eingeschätzt, so dass Menschen weniger Schutzmaßnahmen treffen als bei Luftwirbeln mit männlichen Namen.24
Für Marketing und Werbung eröffnet das Bedürfnis zur Vermenschlichung noch größere Freiheiten in der assoziativen Verknüpfung von Eigenschaften mit Produkten und Marken, die weit über den funktionalen Erfahrungshorizont hinausgehen. So können relativ unproblematisch für die Glaubwürdigkeit einfacher Produkte fantastisch anmutende Qualitäten wie „verführerisch zart“, „blütenweiß rein“, „gefühltes Gold“ oder „himmlisch leicht“ angedichtet werden. Noch wichtiger sind die Implikationen der Seelenverleihung für das Wesen von Marken: Sie können mit spirituellen Bedeutungen aufgeladen werden und Persönlichkeitszüge erhalten, die sie sympathisch und einzigartig profilieren. Ein schlauer Fuchs weiß um geldwerte Finanzvorteile, BMW tritt ehrgeizig und temperamentvoll auf, Beck’s macht Lust auf Abenteuer, die Allianz besitzt einen ordnungsliebenden, soliden Charakter, Haribo macht Spaß, und Apple ist das Synonym für einen kreativen Lebensstil.
Die Stereotypisierung ist für das Celebrity#Influencer-Marketing besonders bedeutsam, denn im Unterschied zum Animismus bezieht sich dieser Prozess auf Menschen. Danach kategorisieren Menschen die Intelligenz, Kompetenz und Persönlichkeit anderer Menschen automatisch und unbewusst nach bestimmten, meist äußerlich hervorstechenden Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Körperbau oder Haarfarbe.25 Die Tendenz zur stereotypen Vereinfachung kommt sowohl bei Menschen aus dem persönlichen Umfeld wie auch in entfernten Erfahrungsbereichen zur Anwendung. Bei prominenten Persönlichkeiten wird die Typenbildung meist noch zusätzlich durch die Medien (vor)geprägt. Filmstars werden zu Stereotypen ihrer Rollen, wie Romy Schneider als ewige Sissi, und bekannte Fußballer erfüllen Klischees, wie Lukas Podolski als Deutschlands letzter Straßenfußballer. Als Wunsch-Projektionsfläche kommt es gerade bei besonders populären Celebrities zu idealtypischen Überzeichnungen. Dazu zählt etwa die Superlativierung von Lionel Messi zum (Fußball-)Gott oder auch die Ikonisierung von Angelina Jolie zum globalen Sex-Symbol (2004 als „sexiest woman alive“ trotz mehr als 3,5 Milliarden Frauen auf diesem Planeten).
In Marketing und Werbung sind Stereotype wichtig, weil vereinfachte Sicht- und Deutungsweisen