Spätestens mit dem Aufkommen der Influencer geht es werblich nicht mehr um schnödes Anpreisen, Ausloben, Behaupten und Beweisen. Vielmehr hat sich Markenkommunikation wie die Empfehlung eines lieben, guten, alten Freundes anzufühlen. Um diese Rolle glaubwürdig zu füllen, hat sich die Form der (Selbst-)Inszenierung weiterentwickelt. Für ein authentisches Erscheinungsbild geben immer mehr Prominente insbesondere in den sozialen Medien mitunter tiefe Einblicke in ihr Privatleben. Die Teilhabe am Alltag der Stars befriedigt das in der Gesellschaft gewachsene Bedürfnis nach „Pröffentlichkeit“ (wie Jens Lönneker in seinem Beitrag erläutert).
Für Marketingverantwortliche, die nach einem Erfolg versprechenden Werbepartner für die eigene Marke suchen, wird die Entscheidung nicht nur durch die unüberschaubare Zahl an Celebrities und Influencern erschwert, sondern auch durch die Vielzahl an Medien-, Format- und Inszenierungsmöglichkeiten. Daher wollen wir zunächst vorstellen, welche Arten von Celebrities und Influencern bei einem werblichen Einsatz für Marken sinnvollerweise unterschieden werden sollten, um uns dann einer wirkungsbezogenen und strategischen Betrachtung für ein modernes Celebrity#Influencer-Marketing zuzuwenden.
2. Influencer, Celebrities & Co. – ein systematischer Blick
Als „Prominente“ bzw. „Celebrities“ können Persönlichkeiten gelten, die einer breiten Öffentlichkeit nicht nur bekannt sind, sondern sich zudem einer hohen Popularität erfreuen, was auf verschiedenen Faktoren wie Lebensleistung, Expertise, Reputation, Aura, Status, Herkunft, Ruhm oder Charakter beruhen kann.5 Celebrities im klassischen Sinne sind Berühmtheiten wie Schauspieler, Sportler, Musiker oder Modeikonen, aber auch bekannte Politiker, Wissenschaftler und Unternehmergrößen. So hat Mike Krüger für Hagebau als Hobbybastler renoviert, Cristiano Ronaldo zeigt sich seinen 320 Millionen Followern in Jubelpose für Nike, Gorbatschow bereiste für Louis Vuitton die Welt, Unternehmer Claus Hipp preist die von ihm hergestellte Babykost, und Thomas Gottschalk hat für Haribo alle Langzeitrekorde als Markenbotschafter gebrochen.
Auch fiktionale Charaktere können als Celebrities aufgefasst werden, wenn beispielsweise ein Schauspieler, der als James Bond berühmt geworden ist, diesen auch in einer Werbung verkörpert. Im weitesten Sinne können selbst abstrakte Figuren, die mediale Beliebtheit erlangt haben, werblich eingesetzt werden, wie etwa Meister Yoda, Sponge Bob oder Homer Simpson. Hinzu kommen prominente Markenikonen, die extra für kommerzielle Zwecke geschaffen worden sind, wie Ronald McDonald oder Meister Proper.6 Im Folgenden soll es aber ausschließlich um reale Personen gehen.
Der Begriff „Influencer“ (to influence: beeinflussen) bezeichnet Personen mit starker Präsenz in den sozialen Medien, die neben einer mittleren bis hohen Reichweite in aller Regel auch über große Wertschätzung in ihrer Community bzw. bei den eigenen Followern verfügen, so dass daraus ein hohes Einflusspotenzial für die Bewerbung und Vermarktung von Marken und deren Produkten resultiert.7 Im Werbekontext hat sich für Celebrities und Influencer als Oberbegriff „Testimonial“ (to testify: bezeugen, empfehlen) eingebürgert, der sich auf bekannte wie unbekannte Personen bezieht, die in klassischen wie digitalen Werbeformaten auftreten, um ein Produkt oder eine Dienstleistung vorzuführen, zu testen und zu empfehlen, wodurch die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Werbebotschaft bzw. Markenversprechen erhöht werden soll.8
Dieser Zuordnung wird aus Gründen der Konvention in diesem Buch gefolgt. Allerdings soll zumindest an dieser Stelle herausgearbeitet werden, dass eine andere Gliederung und Bezeichnung sinnvoller wäre. Trotz seiner häufigen Verwendung ist „Testimonial“ kein geeigneter Oberbegriff, da er in Zeiten klassischer Werbung eingeführt worden ist und auf die Beeinflussungsart der konkreten Fürsprache für ein (Marken-)Produkt beschränkt bleibt, das offiziell und direkt empfohlen wird. In dieser Fassung wird der Terminus weder indirekten, subtilen Formen der Beeinflussung wie Branded-Content-Formaten im Social-Media-Bereich gerecht, noch kann er Gültigkeit für komplexe Engagements beanspruchen, wie es längerfristige, medienübergreifende Aktivitäten von Markenbotschaftern darstellen.
Als Oberbegriff wäre „Influencer“ sinnvoll, weil er auf jegliche Form der Einflussnahme abhebt, die Personen im werblich-persuasiven Kontext ausüben, unabhängig davon, ob die werbende Person berühmt ist (Celebrity) oder aber ein wenig bekannter Kunde oder Mitarbeiter, und ebenso unabhängig davon, ob es sich um eine offizielle Empfehlung handelt (Testimonial) oder um eine Brand Appearance bei einem Gala-Empfang oder einen freundschaftlichen Rat. Testimonials, die sich werblich für die Qualität, Nützlichkeit oder Preiswürdigkeit eines Produkts aussprechen, stellen demnach einen Subtyp des Influencers dar. Als Ersatzbezeichnung für (Social-Media-)Influencer hat es Sinn, den in jüngster Zeit immer häufiger verwendeten Begriff „(Content-)Creator“ aufzuwerten, der mit der Erstellung von persönlichen Inhalten und deren Verbreitung über Online-Kanäle viel stärker auf das Wesen der (Social-Media-)Influencer abhebt.9
Eine Systematik, die „Influencer“ als übergeordnete Klammer begreift, kann verschiedene Beeinflussungstypen integrieren, die über das klassische Werbe-Testimonial hinausgehen, wie etwa der Experten-Blog eines Mitarbeiters oder der selbst produzierte Trailer eines Creators, der sich als Markenenthusiast outet. An die Stelle der klassischen Testimonials, die als Star, Experte oder Laie werben, treten vier Beeinflussungstypen: Celebrity, Creator, Customer und Colleague.10 Bei nahezu jedem dieser vier Typen können Stars, Experten und Laien auftreten. Durch weitere Binnendifferenzierung enthält die Systematik Merkmalskategorien, die für die Werbe- und Marketingpraxis relevant sind, wie Abbildung 1 zeigt.
Abb. 1: 4C-Systematik werblicher Beeinflussungstypen
Der Influencer-Typ der Celebrity zeichnet sich ganz besonders durch den erreichten Berühmtheitsgrad aus, der das Produkt aus hoher (Gesichts-)Bekanntheit und Beliebtheit bildet. Im Unterschied zu den anderen Typenbezeichnungen erlaubt der Begriff Celebrity eine Aussage zu der Art der Beziehung zwischen Prominenten und Gesellschaft: Angesehen, mitunter bewundert oder sogar verherrlicht, kann eine Celebrity durch Worte und Taten eine Vielzahl von Menschen beeinflussen. In der Systematik sind deshalb in der Celebrity-Spalte die wesentlichen Bereiche und Funktionen aufgeführt, in denen werblich auftretende Personen zu Berühmtheit gelangen. Der Berühmtheitsgrad kann aus unterschiedlichen Quellen stammen, aber er speist sich bei klassischen Celebrities üblicherweise aus den Bereichen Sport, Musik, Mode sowie Film & Fernsehen.
Zu den beliebtesten Celebrities zählen bei den Deutschen prominente Schauspieler, gefolgt von Musikern und schließlich Fußballern.11 International wird die Celebrity-Landschaft überwiegend von Musikern und Schauspielern dominiert, die durch Hochglanzveranstaltungen wie Grammy oder Oscar global gefeiert werden (wobei Jan Voss in seinem Beitrag besonders die Musikstars behandelt). Seit David Beckham und Cristiano Ronaldo auch neben dem Spielfeld als Weltstars auftreten, drängen immer mehr Fußballer als Marke ins Rampenlicht (wie Toan Nguyen in seinem Beitrag