la poesia – ogni poesia – contiene […] un elemento che avverte già sempre chi l’ascolta o ripete che l’evento di linguaggio, che è, in essa, in questione, è già stato e farà ritorno infinite volte. Questo elemento, che funziona, in qualche modo, come un super-shifter, è l’elemento metrico-musicale. […] L’elemento metrico-musicale mostra innanzitutto il verso come luogo di una memoria e di una ripetizione. Il verso (versus, da verto, atto di volgere, di far ritorno, opposto al prorsus, al procedere dirittamente della prosa) mi avverte, cioè, che queste parole sono sempre già avvenute e ritorneranno ancora, che l’istanza di parola che, in esso, ha luogo, è, pertanto, inafferrabile.17
Insofern aber jedes Sprechen, jede Lektüre eines Gedichts als Erinnerung und Wiederholung stets auf das schon Erklungene und immer wieder neu Erklingende und damit auf Vergangenheit und Zukunft deuten, weisen sie – wie das beide ebenso unauflöslich wie raffiniert zusammenbindende «Volgerommi indietro»18 – zugleich in einem umfassenderen Sinn auf die zunächst vom Gedicht scheinbar in Frage gestellte teoria del piacere hin, die Leopardi in seinem Zibaldone di pensieri oder Gedankenbuch so oft umreißt und umkreist. Auch dort hängt das Empfinden von Glück oder Lust, piacere, nicht von einer ‹frohen› statt einer ‹pessimistischen› Botschaft ab, sondern von der Fähigkeit, zu erinnern und zu imaginieren und so den gegenwärtigen Augenblick dank des in Erinnerung und Vorstellung Gesehenen, Gehörten, Empfundenen zu bereichern.19
III. Literatur und Lebenskunst
In welchem Maße im Rahmen einer Lebenskunst, einer «arte del vivere», gerade der Dichtung eine «funzione vivificante»1 zukommt, macht eine Zibaldone-Passage deutlich, die wie ein Anklang an Rousseaus Rêveries du promeneur solitaire klingt. Waren schon diese ‹Träumereien› oder ‹fantasticherie›, die letzte der autobiographischen Schriften Rousseaus, geschrieben, damit ihr Autor sich in späteren Jahren mit einem jüngeren Selbst unterhalten kann,2 erhofft der Autor des Zibaldone, indem er in «quella età» die Zukunft, das Alter, imaginativ vorwegnimmt und durch die Erinnerung ‹köstlich› werden läßt, eine vergleichbare ‹Lust am Text›, ein geradezu sinnliches3 «piacere» von seinen Versen, von seinem ‹volgersi indietro› zur eigenen Jugendzeit, vom «riflettere» über die Vergangenheit:
Uno de’ maggiori frutti che io mi propongo e spero da’ miei versi, è che essi riscaldino la mia vecchiezza col calore della mia gioventù; è di assaporarli in quella età, e provar qualche reliquia de’ miei sentimenti passati, messa quivi entro, per conservarla e darle durata, quasi in deposito; […] oltre la rimembranza, il riflettere sopra quello ch’io fui, e paragonarmi meco medesimo; e infine il piacere che si prova in gustare e apprezzare i propri lavori, e contemplare da se compiacendosene, le bellezze e i pregi di un figliuolo proprio, non con altra soddisfazione, che di aver fatta una cosa bella al mondo, sia essa o non sia conosciuta per tale da altrui. (Zib. 4302 [15. Feb. 1828])4
[Eine der wichtigsten Früchte, die ich mir von meinen Versen erhoffe und verspreche, ist, daß sie mein Alter mit dem Feuer meiner Jugend erwärmen mögen; daß ich sie im Alter genießen und manche Reliquie meiner vergangenen Gefühle wiederfinden werde, daselbst hineingetan, um sie aufzubewahren und ihr Dauer zu verleihen, fast wie in einer Schatzkammer; […] zudem die Erinnerung, das Nachdenken über das, was ich war, das Mich-mit-mir-selbst-Vergleichen; und schließlich die Lust, die man empfindet, wenn man die eigenen Arbeiten genießt und schätzt, wenn man für sich die Schönheiten und Vorzüge eines eigenen Kindes betrachtet und sich daran erfreut, mit keiner anderen Befriedigung als der, etwas Schönes auf der Welt gemacht zu haben, gleich ob es von anderen als schön erkannt wird oder nicht.5]
Auch das Ich des ‹Gedankenbuchs› praktiziert demnach, wie das im Gedicht inszenierte und sprechende Ich, das «volgerommi indietro», statt nach «felicità celesti» oder anderen «godimenti» [nach ‹himmlichen Glückseligkeiten› oder anderen ‹Genüssen›] zu streben. Zwischen «la mia vecchiezza» und «la mia gioventù» [«mein[em] Alter» und «meiner Jugend»] bereichern Rückblick und Vorausblick, Erinnertes und Erhofftes die Gegenwart und geben damit ein Bild jener «anti-pessimistischen Strategie», jener «Lebenskunst», die der 79. pensiero skizziert (cf. Zib. 4420sq. [1. Dic. 1828]). Wie – nach der Erläuterung mittels der (selbst-)ironischen und wiederum einem Gegengesang gleichkommenden ‹natura benigna› [‹wohlgesinnten Natur›] – das Ende des Aphorismus als seine eigentliche Pointe zeigt, ist diese «arte del vivere» letztlich vom zu errechnenden Lebensalter gänzlich unabhängig; genauer, er sagt sich los von den Stereotypen jugendlichen Stürmens und Drängens hier und vermeintlicher Altersweisheit und gesetzter Abgeklärtheit dort, weil de facto die einen solche ‹Kunst› schon in jungen Jahren erlernten und erfolgreich praktizierten, während sie den anderen bis ins hohe Alter und bis zum Tod verschlossen bleiben werde:
Il giovane non acquista mai l’arte del vivere, non ha, si può dire, un successo prospero nella società, e non prova nell’uso di quella alcun piacere, finchè dura in lui la veemenza dei desiderii. Più ch’egli si raffredda, più diventa abile a trattare gli uomini e se stesso. La natura, benignamente come suole, ha ordinato che l’uomo non impari a vivere se non a proporzione che le cause di vivere gli s’involano; non sappia le vie di venire a’ suoi fini se non cessato che ha di apprezzarli come felicità celesti, e quando l’ottenerli non gli può recare allegrezza più che mediocre; non goda se non divenuto incapace di godimenti vivi. Molti si trovano assai giovani di tempo in questo stato ch’io dico; e riescono non di rado bene, perché desiderano leggermente; essendo nei loro animi anticipata da un concorso di esperienza e d’ingegno, l’età virile. Altri non giungono al detto stato mai nella vita loro: e sono quei pochi in cui la forza de’ sentimenti è sì grande in principio, che per corso d’anni non vien meno: i quali più che tutti gli altri godrebbero nella vita, se la natura avesse destinata la vita a godere. Questi per lo contrario sono infelicissimi, e bambini fino alla morte nell’uso del mondo, che non possono apprendere. (Pensieri, LXXIX)
[Der Jüngling wird niemals die Kunst zu leben erlernen, und man kann sagen, niemals in der Gesellschaft Erfolg oder Freude an ihr haben, solange die Heftigkeit seiner Wünsche nicht nachläßt. Je schneller er sich abkühlt, um so schneller wird er dazu fähig sein, die Menschen und sich selbst richtig zu behandeln. Die Natur, gütig wie sie zu sein pflegt, hat es so eingerichtet, daß der Mensch in gleichem Maße zu leben lernt, wie ihm der Grund zum Leben entschwindet, daß er die Wege, mit denen er seine Ziele erreichen kann, erst dann kennt, wenn er aufgehört hat, diese Ziele als himmlische Seligkeit anzusehen und wenn ihre Verwirklichung ihm nur noch eine recht mäßige Freude bereiten kann; kurz, daß der Mensch erst dann genießen kann, wenn er zum Genießen nicht mehr fähig ist. Viele befinden sich in dem Lebensabschnitt, von dem ich hier spreche, und sind noch Jünglinge; solche haben nicht selten guten Erfolg, weil sie nicht allzuviel mehr wünschen, da sie in ihren Seelen durch ein Zusammentreffen von Welterfahrung und Geist das Mannesalter vorweggenommen haben. Andere erreichen diesen Zustand aber niemals in ihrem ganzen Leben: es sind dies jene ganz wenigen, bei denen die Stärke des Gefühls von Anfang an so mächtig ist, daß es auch im Laufe der Jahre nicht schwächer wird; solche Menschen würden mehr als alle anderen das Leben genießen, wenn die Natur das Leben zum Genießen bestimmt hätte. Weil aber das Gegenteil der Fall ist, sind dies die unglücklichsten Menschen; sie sind bis an ihr Lebensende in ihrem Umgang mit der Welt wie Kinder, die nichts lernen können.6]
Diese Maxime, in der Leopardi das über dem vorliegenden Band stehende Konzept der Lebenskunst explizit einführt, mag in ihrer Mehrdeutigkeit zugleich paradigmatisch für die Pensieri selbst stehen, wie sie Walter Benjamin in seiner Rezension der 1928 erschienenen deutschen Übersetzung der Gedanken qualifizierte. Während Leopardis Texte «der saturierten Geschichts- und Kunstbetrachtung des 19. Jahrhunderts ganz unzugänglich geblieben» seien, so daß sie, ähnlich wie bei Hölderlin, offenbar nur die Möglichkeit fand, «hier ganz besonders beharrlich mit ihren Schlagworten aufzutrumpfen» und die Texte – im Falle Leopardis – mit dem «Kennwort des ‹Pessimismus›» zuzudecken, mithin «sein Schaffen ins Abstrakte zu verwandeln», erkennt Benjamin in dem Autor gerade nicht den «kontemplativen und resignierten Typus des Pessimisten». Vielmehr stellt sich diesem
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