Ihr seid die Königin, Weib Eures Mannes Bruders,
Und - wär es doch nicht so! - seid meine Mutter.
KÖNIGIN
Gut, andre sollen zur Vernunft Euch bringen.
HAMLET
Kommt, setzt Euch nieder; Ihr sollt nicht vom Platz,
Nicht gehn, bis ich Euch einen Spiegel zeige,
Worin Ihr Euer Innerstes erblickt.
KÖNIGIN
Was willst du tun? Du willst mich doch nicht morden?
He, Hülfe! Hülfe!
POLONIUS
hinter der Tapete. Hülfe! He, herbei!
HAMLET
Wie? Was? Eine Ratte?
Er zieht. Tot! für 'nen Dukaten, tot! Tut einen Stoß durch die Tapete.
POLONIUS
hinter der Tapete. Oh, ich bin umgebracht! Fällt und stirbt.
KÖNIGIN
Weh mir! Was tatest du?
HAMLET
Fürwahr, ich weiß es nicht; ist es der König?
Zieht den Polonius [hinter der Tapete ] hervor.
KÖNIGIN
O welche rasche, blutige Tat ist dies!
HAMLET
Ja, gute Mutter, eine blutige Tat,
So schlimm beinah, als einen König töten
Und in die Eh mit seinem Bruder treten.
KÖNIGIN
Als einen König töten!
HAMLET
Ja, so sagt ich.
Zu Polonius. Du kläglicher, vorwitzger Narr, fahr wohl! Ich nahm dich für 'nen Höhern; nimm dein Los, Du siehst, zu viel Geschäftigkeit ist mißlich. - Ringt nicht die Hände so! Still! Setzt Euch nieder, Laßt Euer Herz mich ringen, denn das will ich, Wenn es durchdringlich ist, wenn nicht so ganz Verdammte Angewöhnung es gestählt, Daß es verschanzt ist gegen die Vernunft.
KÖNIGIN
Was tat ich, daß du gegen mich die Zunge
So toben lassen darfst?
HAMLET
Solch eine Tat,
Die alle Huld der Sittsamkeit entstellt,
Die Tugend Heuchler schilt, die Rose wegnimmt
Von unschuldvoller Liebe schöner Stirn
Und Beulen hinsetzt, Ehgelübde falsch
Wie Spielereide macht; o eine Tat,
Die aus des Treubunds Leib die Seele wahrhaft
Ausreißt und die den süßen Glauben macht
Zum Wortgepräng. Des Himmels Antlitz glüht,
Ja, diese Feste, dieses Weltgebäude,
Mit Trauermiene, wie vorm Jüngsten Tag,
Ist trübsalskrank vor dieser Tat!
KÖNIGIN
Weh mir!
Welch Tat, donnerverkündet, brüllt so laut?
HAMLET
Seht hier auf dies Gemälde und auf dies,
Das nachgeahmte Gleichnis zweier Brüder.
Seht, welche Anmut wohnt auf diesen Brauen!
Apollos Locken, Jovis hohe Stirn,
Ein Aug wie Mars, zum Drohn und zum Gebieten,
Des Götterherolds Stellung, wenn er eben
Sich niederschwingt auf himmelnahe Höhn;
In Wahrheit, ein Verein und eine Bildung,
Auf die sein Siegel jeder Gott gedrückt,
Der Welt Gewähr für einen Mann zu leisten:
Dies war Eur Gatte. - Seht nur her, was folgt:
Hier ist Eur Gatte, gleich der brandgen Ähre
Verderblich seinem Bruder. Habt Ihr Augen?
Die Weide dieses schönen Bergs verlaßt Ihr
Und mästet Euch im Sumpf? Ha, habt Ihr Augen?
Nennt es nicht Liebe! Denn in Eurem Alter
Ist der Tumult im Blute zahm; es schleicht
Und wartet auf das Urteil; und welch Urteil
Ging' wohl von dem zu dem? Sinn habt Ihr sicher,
Sonst könnte keine Regung in Euch sein;
Doch sicher ist der Sinn vom Schlag gelähmt,
Denn Wahnwitz würde hier nicht irren; nie
Hat so den Sinn Verrücktheit unterjocht,
Daß nicht ein wenig Wahl ihm blieb, genug
Für solchen Unterschied. Was für ein Teufel
Hat so beim Blindekuhspiel Euch betört?
Sehn ohne Fühlen, Fühlen ohne Sehn,
Ohr ohne Hand und Aug, Geruch ohn alles,
Ja nur ein Teilchen eines echten Sinns
Tappt nimmermehr so zu.
Scham, wo ist dein Erröten? Wilde Hölle,
Empörst du dich in der Matrone Gliedern,
So sei die Keuschheit der entflammten Jugend
Wie Wachs und Schmelz in ihrem Feuer hin;
Ruf keine Schande aus, wenn heißes Blut
Zum Angriff stürmet, da der Frost ja selbst
Nicht minder kräftig brennt und die Vernunft
Den Willen kuppelt.
KÖNIGIN
O Hamlet, sprich nicht mehr!
Du kehrst die Augen recht ins Innre mir;
Da seh ich Flecke, tief und schwarz gefärbt,
Die nicht von Farbe lassen.
HAMLET
Nein, zu leben
Im Schweiß und Brodem eines eklen Betts,
Gebrüht in Fäulnis, buhlend und sich paarend
Über dem garstigen Nest -
KÖNIGIN
O sprich nicht mehr!
Mir dringen diese Worte ins Ohr wie Dolche.
Nicht weiter, lieber Hamlet!
HAMLET
Ein Mörder und ein Schuft; ein Knecht, nicht wert
Das Zehntel eines Zwanzigteils von ihm,
Der Eur Gemahl war; ein Hanswurst von König,
Ein Beutelschneider von Gewalt und Reich,
Der weg vom Sims die reiche Krone stahl
Und in die Tasche steckte.
KÖNIGIN
Halt inne!
[Der Geist kommt. ]
HAMLET
Ein geflickter Lumpenkönig! -
Der Geist kommt. Schirmt mich und schwingt die Flügel über mir, Ihr Himmelsscharen! - Was will dein würdig Bild?
KÖNIGIN
Weh mir! Er ist verrückt!
HAMLET