Erinnerung an meine Jahre in Berlin. Sammy Gronemann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sammy Gronemann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783863935214
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entgegenbrachten, sondern er auf einen andern, viel älteren Adel angewiesen war, („kommen Sie, Cohn!“); und dieselbe Wahrnehmung machte z. B. Boerries von Münchhausen und eigentlich fast jeder einzelne der ernsthaften Schriftsteller. Man sprach viel von der „Verjudung“ des deutschen Schrifttums. In Wirklichkeit war es vor allen Dingen so, daß die Käufer und Leser guter literarischer Produktion im wesentlichen die Juden waren. Es war ja nicht nur auf dem Gebiete der Literatur so, sondern der Hauptförderer eines Richard Wagner war der Kommerzienrat Löser.

      Übrigens stand der wirkliche Einfluß der jüdischen Autoren durchaus nicht im Verhältnis zu ihrer numerischen Beteiligung am deutschen Schrifttum. Die Juden waren ja besonders in der Journalistik stark vertreten, und zwar schrieben sie fast alle für die liberale Presse. Hier ist eine erstaunliche Tatsache hervorzuheben: Da waren die Riesenauflagen der von Mosse und Ullstein verlegten Zeitungen und Journale, „Berliner Tageblatt“, „Vossische Zeitung“, „B. Z. am Mittag“, „Tempo“, „Illustrierte Zeitung“ u.s.f. Träger des demokratischen Gedankens. Eine ungeheure Armee von Lesern stand hinter ihnen, – und doch, wenn es zur Parlamentswahl kam, scharte sich um ihre Fahne eine winzige, lächerliche Gruppe. Es war eine schier unerklärliche Diskrepanz. So konnten natürlich auch die für diese Blätter schreibenden Autoren eben nur künstlerische, aber keine praktischen Erfolge erzielen.

      Übrigens konnte ich feststellen, daß im „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ viele sich überaus arisch und deutsch gebärdende Persönlichkeiten waren, die jüdischen Familien entstammten und freilich ihr Judentum sehr spät entdeckten, und bei vielen ganz als „arisch“ Geltenden dürfte es so ähnlich sein wie bei dem trefflichen Roda Roda, der mir, als der Rassenwahn aufkam, sagte: „Ich glaube, zwischen dem Pithek Antropos und mir dürfte schon ein nichtarischer Einschlag vorgekommen sein“, worauf ich ihm, wohl mit Recht, sagte: „Dieser Einschlag dürfte erheblich näher bei Ihnen liegen.“

      Interessant und schwierig war der Kampf gegen den unerlaubten Nachdruck. In unglaublich unverschämter und bedenkenloser Weise pflegten besonders die Provinzblätter Artikel aus der großen Presse zu übernehmen. Ich suchte, eine Nachdruckkontrolle einzuführen und hatte damit recht gute Erfolge. Leider muß ich feststellen, daß bis heute auch ein Teil der jüdischen Presse jene üble Gewohnheit hat, sich mit oder aus fremden Federn zu schmücken. Ist es mir selber doch geschehen, daß kurz nach Erscheinen meines Romans „Tohuwabohu“ das „Jiddische Tagblatt“ in New York das ganze Buch unter fremdem Titel abdruckte, und der Redakteur hatte die ungeheure Frechheit, seinen Namen als Autor darüber zu setzen. Welche kuriosen Dinge aber da geschehen können, will ich an einem Beispiel illustrieren: Da veröffentlichte der „Berliner Lokal­anzeiger“ einen sensationellen Abenteuer-Roman des Schriftstellers Schlesinger in Fortsetzungen. Nachdem der Roman beinahe zur Hälfte abgedruckt war, liefen plötzlich bei der Redaktion eine Anzahl Beschwerdebriefe ein, in denen darauf hingewiesen wurde, daß es sich bei diesem Roman um ein Plagiat handle. Der Roman sei schon in Buchform erschienen, und der Name des Autors des Buchromans sei ein ganz anderer. Man war nicht wenig betroffen in der Redaktion, verschaffte sich den Roman und stand vor einer nicht wegzuleugnenden Tatsache. Des Herrn Schlesinger konnte man im Moment nicht habhaft werden, da er irgendwo auf einer Reise im Fernen Osten war. Man war in nicht geringer Verlegenheit. Schließlich kam man auf einen Ausweg: Man setzte sich hin und schrieb einen Schluß, durch den der Roman in zwei Fortsetzungen zu Ende gebracht wurde. Ich glaube, es war ungefähr so, daß alle Personen sich gegenseitig umbrachten. Als nun nach Monaten Schlesinger von seiner Reise zurückkam, und man ihn zur Rede stellte, fiel er aus allen Himmeln. Er wußte doch, daß das Buch sein ureigenstes Werk war. Niemand wollte ihm das natürlich glauben. Er kam zu mir, und es gelang mir die Sache aufzuklären. In der Druckerei hatte man für die künftige Buchausgabe bereits, die Zeitungstypen benutzend, den Roman in einer Riesenauflage hergestellt, und die ungebundenen Exemplare lagen in einem Keller. Irgendwie hatte der „Schriftsteller“ Curt Matull das herausgeschnüffelt und ein Exemplar entwendet. Das tippte er dann ab und reichte es unter seinem Namen einem Verlag ein, der das Buch unter seinem Namen publizierte. So ist in diesem Falle das Plagiat vor dem Original erschienen. Jenem Herrn konnte übrigens nichts geschehen, da er im Besitz eines sogenannten „Jagdscheines“ war, d. h. der Bescheinigung eines Psychiaters, daß er für seine Handlungen nicht verantwortlich sei. – Diese „Jagdscheingeschichte“ erinnert mich an ein anderes, höchst amüsantes Vorkommnis, das freilich erst viel später, während der Inflationszeit 1922, spielt. Es handelt sich da um einen der erfolgreichsten Romanschriftsteller Deutschlands, einen guten Freund von mir, dessen Namen ich aus begreiflichen Gründen nicht nennen möchte. Eines Tages brachte dieser mein Freund ein Buch heraus, das mit Recht die Aufmerksamkeit des Staatsanwaltes erweckte. Das Buch wurde bald beschlagnahmt und der Autor zur Verantwortung gezogen. Bei der Vernehmung durch den Richter bekam dieser angesichts des höchst originellen Auftretens des Autors erhebliche Bedenken, ob er zurechnungsfähig sei. Er beschloß, ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen, und der berühmte Professor X. wurde mit diesem Auftrage betraut. Von diesem Beschluß erhielt nun der Autor durch seine guten Verbindungen Nachricht, ehe noch der Professor etwas erfuhr. Sofort setzte er sich mit ihm in Verbindung und erzählte im, daß er mit der Abfassung eines neuen Romans beschäftigt sei, der in einer Irrenanstalt spiele, und erbat seine fachmännische Beratung, ihm dabei ein fürstliches Honorar von vielen Tausend Dollar in Aussicht stellend. Der Professor war natürlich gern bereit, seine Hilfe zu leisten, lud den Schriftsteller zu sich ein und nahm mit Interesse die Mitteilungen über den Plan des angeblich beabsichtigten Romans entgegen. Im Augenblick der Verabschiedung blieb der Gast stehen, schlug sich vor den Kopf und sagte: „Ach, Herr Professor, Sie können mir noch eine Gefälligkeit erweisen. Ich habe da eine Erbschaft von 80.000 Dollar gemacht. In diesem Testament befindet sich eine seltsame Klausel, daß jeder der Erben ein Attest über seine geistige Gesundheit beibringen muß. Kann ich Sie um die Gefälligkeit bitten?“ Der Professor gab ihm lächelnd und mit Vergnügen die Bescheinigung, daß er geistig durchaus normal sei, und war dann nicht wenig betroffen, als ihm am andern Tag der Auftrag des Gerichtes zuging, jenen Mann auf seinen Geisteszustand hin zu untersuchen. Übrigens endete die Sache damit, daß das Buch im objektiven Verfahren verboten blieb, der Autor wirklich seinen „Jagdschein“ erhielt und außer Verfolgung gesetzt wurde. – Diese Sache hatte noch ein merkwürdiges Nachspiel: Jahre später verfaßte jener Schriftsteller ein dickes Buch, in dem er alle möglichen Abenteuer aus seinem Leben erzählte, insbesondere auch den oben geschilderten Vorgang, und zwar in diesem wie in andern Fällen stets mit voller Namensnennung. Für dieses Buch hätte er gut und gern, falls er als verantwortlich angesehen wurde, eine längere Freiheitsstrafe zu gewärtigen, – das Buch kam aber nicht heraus. Ich fand das umfangreiche Manuskript eines Tages auf meinem Schreibtisch, las es mit vielem Ergötzen durch, – denn es war ebenso witzig wie geistvoll – war aber nicht wenig erstaunt über das letzte Kapitel dieses „Gott Humor“ genannten Buches. Da hieß es etwa: „Nachdem dieses Buch fertig war, konnte ich keinen Verleger oder Drucker finden, da sie behaupteten, mit der Verbreitung dieses Buches sich strafbar zu machen. Sie verlangten, daß ich mir von autoritativer Seite die Harmlosigkeit bestätigen ließe. Ich schrieb darauf an meinen Freund, den Ministerialdirektor und Schriftsteller Karl Bulcke, und bat ihn um ein solches Zeugnis. Darauf schrieb mir Bulcke unter großen Elogen über das Buch, an dessen Humor man sich noch nach Jahrzehnten erfreuen würde, er könne in seiner Stellung ein solches Attest nicht ausstellen. „Aber wozu“, setzte er hinzu, „haben wir unseren gemeinsamen Freund Sammy Gronemann, der nach jeder Richtung zuständig, Jurist und Schriftsteller ist und Sinn für Humor hat? Wenn er Ihnen das Attest gibt, werden Sie alle Schwierigkeiten überwinden.“ Darauf schickte ich das Manuskript an Freund Gronemann, und der antwortete mir umgehend wie folgt: – „Darauf kamen zwei leere Seiten im Manuskript, freigelassen für meinen Brief, den ich hineintippen sollte. Und dann geht der Text bei ihm weiter: „Auf Grund dieses Gronemannschen Briefes konnte ich nun dieses Buch endlich in Druck geben.“ – Wie ich mich damals aus der Affäre gezogen habe, weiß ich nicht mehr, aber irgendwie ist es mir doch gelungen. Das Buch ist nie erschienen, aber das Manuskript hat mir noch viele vergnügte Stunden bereitet.

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