Nachdem man einige Jahre darüber diskutiert hat, ob und wann die GAFA-Plattformen sich die Finanzbranche vornehmen, haben sie sich jetzt der Sache tatsächlich angenommen. Nicht nur, dass sich Apple-Pay zu einer der beliebtesten Zahlmethoden entwickelt hat, jetzt beginnt das Lifestyle-Tech-Unternehmen auch damit, Kreditkarten, Konten und Kredite anzubieten. Facebook hat nicht nur die Finanzbranche durch den Plan verschreckt, mit der Kryptowährung Libra ein weltweites Zahlungs- oder sogar Geldsystem zu entwickeln. Auch Regierungen in vielen Ländern sind strikt gegen das Projekt, weil sie um die Plattformstärke von Facebook wissen und befürchten, dass dem Social-Tech mit rund 3 Mrd. Kunden die Etablierung einer Krypto-Währung gelingen kann.
Während die GAFAs mit Banken kooperieren, um Finanzprodukte anzubieten, geht die Vergleichsplattform Check24 noch einen Schritt weiter und wird künftig mit eigener Banklizenz neben den Produkten ihrer Partner auch eigene Produkte anbieten. Damit ist Check24 vielleicht auf dem Weg zu ersten wirklichen zweiseitigen Bankenplattform. Das Henne-Ei-Problem des Plattformgeschäfts hat Check24 bereits auf beiden Seiten gelöst: Es gibt Millionen von Kunden auf der einen und viele etablierte Finanzproduktanbieter auf der anderen Seite. Auch die Plattformfunktionen, mit denen Konsumenten und Produzenten zueinander finden, sind über die Vergleichs- und Suchalgorithmen bereits voll ausgebaut. Schon heute bietet die Vergleichsplattform eigene Kredit- und Sparprodukte an, mangels Banklizenz jedoch mithilfe von White-Label-Banken. Mit einer eigenen Lizenz kann sie diese und andere Produkte künftig selbst anbieten. Dazu gehören auch Zahlungsdienstleistungen, um die Geldströme auf den Plattformen selbst steuern und managen zu können, ohne Zahlungsdienstleister dazwischenschalten zu müssen.
Abbildung 3: Plattform-Layer für zweiseitige Bankenplattformen
Trotz der eigenen Banklizenz möchte Check24 weiterhin Partner der Banken bleiben. Was nur folgerichtig ist und ebenfalls dem Amazon-Händler-Ansatz folgt: Check24 verkauft die eigenen Bankprodukte und lässt andere Banken mit den gleichen Produkten die eigene Plattform nutzen. Auch hier bringt die Banklizenz einen Mehrwert, weil die Zusammenarbeit unter gleich regulierten Häusern einfacher ist als Kooperationen zwischen Unternehmen mit unterschiedlichen Regulierungsanforderungen; so vereinfacht sich bspw. die Weitergabe von Identitätsdaten, die Check24 als regulierte Bank und selbst Geldwäscheverpflichteter im Onboarding von Kunden erhält.
4 Plattform-Banking in der Praxis – Case Study Sutor Bank
Die Sutor Bank ist mit rund 100 Mitarbeitern ein mittelständisches Haus und verfolgt bereits seit 2013 eine dezidierte Plattformstrategie. Es ist keine Standardstrategie, der andere Banken einfach folgen können. Auch deshalb, weil es keine Standardstrategie für den Umgang mit Digitalisierung und Plattformisierung gibt; sie kann vielmehr nur spezifisch aus dem Kontext des eigenen Geschäftsmodells und der Kompetenz des eigenen Unternehmens heraus entwickelt werden. Dennoch kann es aus der Art und Weise, wie die Plattformstrategie der Sutor Bank aus dem operativen Geschäft entstanden ist und konsequent weiterentwickelt wurde, auch für andere Unternehmen Anhaltspunkte für eine innovationsgetriebene Strategieentwicklung in der Plattformökonomie geben.
4.1 Plattformstrategie: durch Technologie getrieben, vom B2B-Business gesteuert
Entstanden ist die Fintech- und Plattformstrategie der Sutor Bank ab 2013 aus ersten digitalen Endkundeninitiativen wie etwa einer hauseigenen Online-Vermögensverwaltung (Robo-Advisor) sowie gemeinsamen Projekten mit den Start-ups fairr.de, einem Online-Anbieter für ETF-basierte Riester- und Rürup-Sparpläne, und Deposit Solutions mit dem Zinsportalangebot Zinspilot. Aus diesen B2B-Projekten mit Partnern ging das neue Geschäftsmodell „Banking-as-a-Serivce“ hervor, wie es oben beschrieben ist.
Der Startpunkt für die Plattformstrategie lag mithin am Schnittpunkt der Kernkompetenzen und der Entwicklungslinie des damals sehr neuen Trends Fintech. Historisch kommt die Sutor Bank aus der Geldanlage, die im Private Banking für eigene Kunden und in der Zusammenarbeit mit externen Vertriebspartnern für verschiedene Kundengruppen umgesetzt wird. Wichtig ist hier zu verstehen, dass erfolgreiche Strategien und neue Geschäftsmodelle nicht aus dem blinden Folgen von Trends entstehen, sondern aus der Integration dieser Trends in den eigenen Geschäftskontext. Der strategische Imperativ, alle Banken müssten eine Plattform werden, um zu überleben, wie er von Digitalextremisten formuliert ist, ist deshalb unsinnig. Der richtige Ansatz heißt vielmehr, welchen Wert kann das eigene Unternehmen zur Plattformökonomie beitragen.
4.2 Strategieergebnisse
Seit dem Start der Plattformstrategie haben sich nicht nur die Start-ups auf der Plattform sehr gut entwickelt – Deposit Solutions etwa gilt nach der letzten Finanzierungsrunde mit über 100 Mio. EUR als eines der höchst bewerteten Fintechs in Deutschland –, auch für die Sutor Bank ist die Strategie aufgegangen.
Bis heute (Ende 2019) wurden insgesamt 16 Partner angedockt und in den „geregelten“ Bankbetrieb integriert. Über diese Kooperationen hat die Sutor Bank 200.000 neue Kunden gewonnen, die einen signifikanten, positiven Deckungsbeitrag liefern. Bislang vollständig mit eigenen Mitteln wachsend – bootstrapped, wie dies im Start-up-Jargon heißen würde –, steht die Bank damit ähnlich gut da wie (Neu-)Banken, die mit viel Venture-Capital-Geld ausgestattet oder sehr gut kapitalisiert sind.
Die Erkenntnis hier: Auch mittelständische Häuser sind in der Lage, erhebliche Wachstumspotenziale zu erschließen, wenn sie einen Strategie-Markt-Fit für Plattformmärkte finden, der ihre Kompetenz und den Kundenbedarf zusammenbringt. Grundsätzlich werden im Umbruch die Karten neu gemischt und kleinere Banken können wie Start-ups Nischen besetzen, aus denen heraus sie in weitere Geschäftsfelder wachsen können.
Die zweite Erkenntnis ist, dass auch evolutionäres Vorgehen zu beträchtlichem Wachstum führen kann. Der oft geforderte Strategie-Big-Bang oder die disruptive Innovation ist nicht notwendig. Allerdings muss das evolutionäre Vorgehen als kontinuierlicher Prozess begriffen werden, der nicht zum Stillstand kommen darf.
4.3 Kundenzugang, Kundenbeziehungen und Kundenschnittstelle
Die Gefahr einer BaaS-Strategie liegt darin, dass man ähnlich wie bei der Beteiligung an einer zweiseitigen Plattform die Kundenschnittstelle verliert. Dies ist allerdings gerade bei Finanzdienstleistungen nur zum Teil richtig und für diesen Teil auch eventuell gar nicht so tragisch.
Banken verlieren im BaaS-Modell nicht komplett den Kontakt zum Endkunden. Denn sie bleiben aus Regulierungsgründen deren Vertragspartner für die erlaubnispflichtigen Produkte oder Services. Sprich: Der Konten-, Depot- oder Kreditvertrag wird mit der Bank und nicht mit dem Plattformpartner geschlossen; ein komplettes White Labeling der Bank funktioniert nicht (deshalb nennt man sie auch B2B2C-Modelle). Das schafft Potenzial für den Aufbau eines starken Embedded-Banking-Branding.
Diese Strategie hat die Sutor Bank mit ihren Partnern konsequent umgesetzt. Nur in ganz wenigen Fällen wollen die Partner, dass der Name der Bank so weit wie möglich in den Hintergrund gedrängt wird. Sie erkennen, dass der Vertrauensfaktor, den eine 1921 gegründete Bank in die Kommunikation mit dem Kunden einbringen kann, ein Wert an sich ist, unabhängig vom Banklizenzmantel. Denn selbst Digital Natives stellen an Banken andere Anforderungen als an ihr Social Network oder ihren Streaming-Dienst. Deshalb ist ihnen nicht gleichgültig, wer beim Plattform-Banking die Finanzprozesse im Hintergrund ausführt.
Diese Kundenbeziehungen sind gerade im Finanzdienstleistungsgeschäft besonders wertvoll. Denn der Kunde hat beim Eingehen der ersten Geschäftsbeziehung einen mehr oder weniger aufwendigen Onboarding-Prozess durchlaufen, der immer eine geldwäschekonforme Legitimierung, oft auch Geeignet- und Angemessenheitsprüfungen