2.2 As-a-Service-Plattform
As-a-Service-Plattformen bieten Prozesse als Services an, für die bislang Maschinen, Hard- oder Software gekauft, installiert und/oder implementiert werden mussten. Fast jede Software lässt sich heute As-a-Service beziehen, gleiches gilt für Wissensdienstleistungen, v.a. wenn sie algorithmisierbar sind. Selbst Maschinenleistungen lassen sich heute bis zu einem gewissen Grad im As-a-Service-Modus nutzen. So können Baupläne an 3D-Drucker geschickt werden, diese führen die Druckaufträge aus und das fertige Produkt wird an den Kunden ausgeliefert.
Auch viele Sharing-Angebote für physische Güter, etwa Elektroroller, Fahrräder oder Autos, lassen sich als As-a-Service-Plattformen beschreiben. Sie lösen wie Software-as-a-Service-Angebote (SaaS) Kauftransaktionen durch Pay-per-Use-Geschäftsmodelle ab.
Allen As-a-Service-Plattformen ist gemeinsam, dass auf der Produzentenseite ein einzelnes Unternehmen sitzt, während auf der Konsumentenseite viele Kunden die Services nutzen. Sie verändern damit nicht grundsätzlich die Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten, sie revolutionieren „nur“ die Vertriebswege und die Produktnutzung – beides kann für Unternehmen zu exzeptionell wachsenden Kundenzahlen führen.
2.3 Zwei- und mehrseitige Plattformen
Zwei- oder mehrseitige Plattformen verbinden in ihrer Grundform Produzenten und Konsumenten, ohne selbst zu produzieren oder die Produktionsmittel zu halten. Nicht immer muss es sich dabei um Marktplätze handeln, nicht immer stehen sich Produzenten und Konsumenten als Anbieter und Kunden gegenüber. Auch sind Rollen von Konsumenten und Produzenten weder unbedingt statisch noch überhaupt trennscharf zu identifizieren. Mehrseitige Plattformen bündeln verschiedene Interaktionen für unterschiedliche Nutzergruppen. Facebook ermöglicht als Social-Media-Plattform einerseits die Interaktionen zwischen den Nutzern (die hier gleichzeitig Content-Produzenten und -Konsumenten sind), andererseits verbindet es werbende Unternehmen mit diesen Nutzern.
Zwei- oder mehrseitige Plattformen können rein digital sein, wie etwa Facebook oder Google. Sie können jedoch auch die physische Welt mit einem digitalen Layer plattformisieren, wie dies AirBnB mit Unterkünften oder Uber mit Fahrdiensten tut.
Typisch für zwei- und mehrseitige Plattformen ist, dass auf jeder Plattformseite sich jeweils viele Teilnehmer gegenüber stehen. Die Plattform selbst stellt die Funktionen zur Verfügung, damit ihre Nutzer Transaktionen untereinander ausführen können; dazu gehören etwa Matching- bzw. Such-, Vertrauens-, Liefer- oder Zahlungsfunktionen.
Plattformunternehmen produzieren so Werte, indem sie wertsteigernde Transaktionen zwischen ihren Teilnehmern ermöglichen. Traditionelle Unternehmen – in der Differenzierung zur Plattform gerne Pipelineunternehmen genannt – produzieren Werte durch das lineare Durchlaufen einer Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zur Auslieferung eines fertigen Produkts an den Konsumenten.
2.4 Player in der Plattformökonomie
Weltweit sind Plattformgeschäftsmodelle und mit ihnen Plattformunternehmen auf dem Vormarsch. Sie erobern Branche um Branche und besetzen durchweg die oberen Plätze, wenn es um Marktkapitalisierung, Markenwerte oder Kundenzahlen geht.
Die westlichen großen Plattformen sind als die GAFAs bekannt und behaupten auf eigenen Feldern quasi-monopolistische Marktpositionen. In China holen die BAT-Plattformen (Baidu, Alibaba und Tencent) auf. Die westlichen und östlichen Technologiegiganten betreiben i.d.R. nicht nur eine Plattform, sondern eine ganze Reihe von Plattformen in angrenzenden Gebieten. Ihnen gemeinsam ist, dass sie das Potenzial haben, in fast beliebigen Branchen Plattformen erfolgreich zu positionieren – und nahezu jede Branche bangt vor dem Augenblick, an dem GAFAs oder BATs bei ihr einsteigen.
Neben den Großplattformen gibt es hunderte von Plattformen, die ganze Branchen oder nur Nischenmärkte revolutionieren. Die bekanntesten Branchenplattformen sind Uber im Personentransport oder AirBnb bei Unterkünften.
Auch in engeren Märkten reüssieren Plattformen, z.T. ohne dass den Kunden bewusst ist, dass es sich um Plattformen handelt; dazu gehört Flixbus, das Fernbusreisen eigentlich nur vermittelt, oder auch die deutschen Modeplattformen Zalando oder AboutYou.
2.5 Merkmale der Plattformökonomie
Märkte, die plattformökonomisch funktionieren, haben einige gemeinsame Merkmale: Um als Plattform erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen zunächst das Henne-Ei-Problem lösen. D.h., sie benötigen entweder auf der Produzenten- oder auf der Konsumentenseite so viele Teilnehmer, dass die Plattform für die jeweils andere Seite attraktiv wird.
Ist die Henne-Ei-Hürde genommen, kommt es bei den erfolgreichen Plattformunternehmen zu einem exponentiellen Kundenwachstum, wenn der Netzwerkeffekt einsetzt. Mehr Konsumenten ziehen mehr Produzenten an, mehr Produzenten wiederum mehr Konsumenten (das gilt auch für Plattformen, bei denen es keine klaren Produzenten- und Konsumentenrollen gibt). Plattformen können dabei wesentlich schneller wachsen (skalieren, wie es heißt) als herkömmliche Unternehmen. Sie müssen für die Expansion nicht in weitere Produktions-Assets wie Maschinen, Immobilien oder Fahrzeuge investieren. Plattformen bestehen im Wesentlichen aus Software, für eine rein quantitative Expansion müssen sie lediglich mehr Computer-Power bei einem Cloud-Anbieter buchen. Die Zusatzkosten für einen neuen Kunden tendieren so gegen Null; nur die Kundenakquisition kostet Plattformen Geld.
Netzwerk- und Skalierungseffekte führen dazu, dass Plattformmärkte Winner-takes-it-all-Märkte sind. I.d.R. gibt es in jeder Branche maximal nur zwei Plattformen, die langfristig überleben können. Für weitere Anbieter bleiben nicht genügend Kunden. Deshalb tobt in Branchen, die plattformisiert werden, ein heftiger Kampf um die Kunden. Denn der Plattformwettbewerb entscheidet sich hauptsächlich über die Kundenzahl.
In bestehenden Märkten schwächen Plattformen die existierenden Produzenten. Sie schaffen eine Informations- und Preistransparenz, die es zuvor nicht gab. Informationsvorsprung und Preisintransparenz gehören aber zu den stärksten Margentreibern in vordigitalen Märkten, die damit wegfallen. Darüber hinaus beanspruchen Plattformen einen größeren Teil des bestehenden Einkommens-Pools der Branche, ohne ihn unbedingt zu vergrößern – er kann durch den Druck auf die Preise sogar insgesamt schrumpfen.
Mindestens genauso schwerwiegend ist, dass Produzenten die direkte Kundenschnittstelle verlieren, weil sich die Plattformen zwischen Konsumenten und Produzent schieben.
2.6 Plattformunternehmen prägen Kundenerwartungen
Plattformen wirken nicht nur unmittelbar in den Märkten, in denen sie sich gerade bewegen. Das gilt v.a. für die großen GAFA-Plattformen, die sich tief in die Lebenskontexte der Menschen integriert haben. Sie definieren, welche Erwartungen Kunden heute an „ihre“ Unternehmen haben. Diese Erwartungen haben alle in irgendeiner Weise etwas mit Produktvielfalt und Auswahlmöglichkeiten, mit niedrigen Preisen und mit einer Ein-Klick-Einfachheit über alle Prozessschritte hinweg – Bestellen, Zahlen, Liefern, Zurückgeben – zu tun.
Unternehmen, die diese Erwartungen nicht befriedigen können, werden es langfristig schwer haben, Kunden zu gewinnen und zu halten.
2.7 Neue Kundenzugänge über Plattformen: die strategischen Optionen
Negativ formuliert lassen sich neue Kundenzugänge nur über Plattformen schaffen. Positiv gesehen können sich über Plattformen ganz neue Kundenzugänge ergeben, wenn Unternehmen die Gesetze der Plattformökonomie in ihre Produkt- und Vertriebsstrategie einbauen – v.a. wenn sie dies nicht defensiv-reaktiv, sondern offensiv-proaktiv tun.
Strategisch ergeben sich branchenunabhängig folgende Optionen, Plattformen für den Erhalt oder den Ausbau von Kundenzugängen zu nutzen:
Aufbau einer eigenen zweiseitigen Plattform: Der Aufbau einer zweiseitigen